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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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dieſen Cameralwiſſenſchaften ein höchſt werthvolles Stück der prak-
tiſchen
Verwaltungsaufgabe liege. Und ſo entſtand die Richtung,
in welcher die Frage nach Inhalt und Aufgabe der Verwaltung
des Innern, die Frage nach demjenigen was der Staat für das
Wohl der Staatsbürger zu thun habe, in ihrer poſitiven, mate-
riellen Seite zum Theile eine Frage der Cameralwiſſenſchaft ward.
Die „Cameralia“ wurden das zwar ſyſtemloſe, ungeordnete, aber keines-
wegs einflußloſe Gebiet, in das die letzten Reſte der Verwaltung des
Innern fortlebten. Es iſt von dieſem, aber faſt auch nur von dieſem
Geſichtspunkt von Intereſſe, die hiſtoriſche Entwicklung der Cameral-
wiſſenſchaften als den kindlichen, ungebildeten Träger der Theorie der
innern Verwaltung zu verfolgen.

Allerdings nun würde zur gründlichen und umfaſſenden Darſtellung
dieſes Theiles des wiſſenſchaftlichen Lebens ein viel größerer Raum ge-
hören, als wir daran zu wenden haben. Auch wird die Arbeit ſelbſt
erſt dann rechten Werth gewinnen, wenn Begriff und Inhalt der Verwal-
tung in der geſammten Staatsauffaſſung recht feſtſtehen, und wir dürfen
daher dieß ganze Gebiet berufenen Händen überlaſſen. Wir begnügen
uns daher, Weſen und Werth dieſer Richtung, und den Grund ihres
Vorſchreitens anzugeben.

Aus der reinen, materiellen Praxis entſtanden, hatte dieſe ganze
Richtung kaum die geringſte Kenntniß einer höhern philoſophiſchen Auf-
faſſung. Der Werth deſſen was ſie leiſtete, beſtand ihr von vornherein
in dem Preiſe, für den ſie das Geleiſtete verkaufen konnte. Sie begrün-
det nichts durch den Staatsbegriff, ſie übernimmt keine wie immer ge-
artete Verantwortlichkeit für eine Staatsidee, ſie führt keinen ihrer Sätze
auf das Weſen des Staats zurück. Es fehlt ihr namentlich jener Schwung,
jene Wärme der wahren Wiſſenſchaft, die ſelbſt die trockene Wohlfahrts-
idee ſich bewahrt hatte. Sie iſt daher genau im Einzelnen, aber gleich-
gültig für das Ganze. Sie hat nicht nur kein Syſtem, ſie hat auch
kein Bedürfniß nach demſelben; ja es iſt ihr ein ſolches unbequem, da
ſie es nicht zu verwenden wüßte, während ſie doch bis zu einem ge-
wiſſen Grade von ihm beherrſcht und beſtimmt wäre. Sie iſt deßhalb
zum Theil geradezu negativ gegen daſſelbe, und in ihren ſpätern, theils
auch gegenwärtigen Formationen wird ſie ſogar negativ gegen jede,
auf das höhere Leben und Weſen des Staats gerichtete Anſchauung,
die ſich in der Verwaltung Bahn brechen will. Sie iſt die rein mate-
rielle, die eigentlich realiſtiſche Methode der Staatsverwaltung.
Nun hat zwar jedes an irgend einem Orte ſeinen Platz und Werth;
aber ohne einen Staatsbegriff kann auch im Gebiete dieſer Lehre denn
doch auf die Dauer dem wirklichen Staate ſo wenig als der Wiſſenſchaft

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/54>, abgerufen am 24.02.2025.