Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.Jahrhundert, sondern auch noch nach den französischen Kriegen erhalten. Der Kampf nämlich, der sich schon seit 1813, in neuer Gestalt In dieser Bewegung nun, bei ziemlich völliger Unklarheit über Jahrhundert, ſondern auch noch nach den franzöſiſchen Kriegen erhalten. Der Kampf nämlich, der ſich ſchon ſeit 1813, in neuer Geſtalt In dieſer Bewegung nun, bei ziemlich völliger Unklarheit über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0351" n="329"/> Jahrhundert, ſondern auch noch nach den franzöſiſchen Kriegen erhalten.<lb/> Es gab und gibt keine volle ſtaatsbürgerliche <hi rendition="#g">Gleichheit</hi> und <hi rendition="#g">Ein-<lb/> heit</hi> der Verwaltung wie in England und Frankreich. Allein der amt-<lb/> liche Organismus hatte die eigentliche Thätigkeit der ſtändiſchen Selbſt-<lb/> verwaltungskörper theils neutraliſirt, theils ſich gänzlich dienſtbar gemacht.<lb/> Ohne geradezu das Recht deſſelben zu vernichten, hatte er ihnen doch<lb/> die Ausübung genommen, und ſeine Organe an allen Punkten an die<lb/> Stelle der früheren geſetzt, ſo daß dieſen nur noch der Name, und<lb/> zum Theil auch dieſer nicht geblieben war. Dafür aber hatte er, nicht<lb/> weniger allmächtig und ſtrenge als in Frankreich, doch den naheliegen-<lb/> den Erſatz im Staatsbürgerthum durch Verleihung einer Verfaſſung<lb/> nicht geboten. Das Gefühl der bürgerlichen Unfreiheit war daher ſo<lb/> ſtark, daß es ſelbſt mächtiger war als das der geſellſchaftlichen Un-<lb/> gleichheit. Und das war es, was den folgenden Dingen ihren Cha-<lb/> rakter gab.</p><lb/> <p>Der Kampf nämlich, der ſich ſchon ſeit 1813, in neuer Geſtalt<lb/> aber ſeit 1830 gegen dieſe ausſchließliche Herrſchaft des amtlichen Or-<lb/> ganismus erhob, erſcheint eben deßhalb zunächſt weſentlich als ein<lb/> negativer. Es handelt ſich in dieſen 30 Jahren nicht ſo ſehr um das,<lb/><hi rendition="#g">was</hi> eigentlich durch die Verwaltung geſchehen ſoll, als um das, <hi rendition="#g">durch<lb/> wen</hi> es geſchehen ſoll. Man will nicht ſo ſehr gute Geſetze und Ad-<lb/> miniſtration, als das Recht, beide unter Mitwirkung der Vertretungen<lb/> zu beſtimmen. Daher gehen alle Beſtrebungen dieſer Zeit nicht ſo ſehr<lb/> dahin zu fragen, was die eigentlichen <hi rendition="#g">Aufgaben</hi> der Staatsgewalt,<lb/> als dahin, welches die richtigen Formen der <hi rendition="#g">Theilnahme</hi> des Volkes<lb/> an der Erfüllung dieſer Aufgaben ſeien. Und wie die Grundgeſetz-<lb/> gebung der Staaten daher in organiſchen Verfaſſungen culminiren, ſo<lb/> gipfelt die Staatswiſſenſchaft ſtatt in der Verwaltungslehre vielmehr in<lb/> der Verfaſſungstheorie. Das war allerdings der natürliche Gang der Dinge.</p><lb/> <p>In dieſer Bewegung nun, bei ziemlich völliger Unklarheit über<lb/> Weſen und Aufgabe der Verwaltung und den Vorausſetzungen ihrer<lb/> Löſung, namentlich in Bezug auf die dazu erforderliche Verwaltungs-<lb/> ordnung der Bevölkerung, lag es nahe, ſich an die <hi rendition="#g">gegebenen</hi> Ge-<lb/> ſtaltungen der letzteren anzuſchließen, und dieſelben ohne eingehende<lb/> Beurtheilung ihres Verhältniſſes zur Verwaltung, nur erſt und vor<lb/> allen Dingen zu Trägern des Princips der Verfaſſung zu machen.<lb/> Natürlich griff man dabei zuerſt auf die <hi rendition="#g">Gemeinde</hi> zurück. Das Ge-<lb/> meindeleben war das, was man eigentlich noch recht überſehen konnte.<lb/> In der Gemeinde ließ ſich die Idee des Staatsbürgerthums, die Theil-<lb/> nahme des Einzelnen am öffentlichen Willen am leichteſten verwirklichen.<lb/> Sie erſchien nach ariſtoteliſcher Auffaſſung als der Grund des Staats.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [329/0351]
Jahrhundert, ſondern auch noch nach den franzöſiſchen Kriegen erhalten.
Es gab und gibt keine volle ſtaatsbürgerliche Gleichheit und Ein-
heit der Verwaltung wie in England und Frankreich. Allein der amt-
liche Organismus hatte die eigentliche Thätigkeit der ſtändiſchen Selbſt-
verwaltungskörper theils neutraliſirt, theils ſich gänzlich dienſtbar gemacht.
Ohne geradezu das Recht deſſelben zu vernichten, hatte er ihnen doch
die Ausübung genommen, und ſeine Organe an allen Punkten an die
Stelle der früheren geſetzt, ſo daß dieſen nur noch der Name, und
zum Theil auch dieſer nicht geblieben war. Dafür aber hatte er, nicht
weniger allmächtig und ſtrenge als in Frankreich, doch den naheliegen-
den Erſatz im Staatsbürgerthum durch Verleihung einer Verfaſſung
nicht geboten. Das Gefühl der bürgerlichen Unfreiheit war daher ſo
ſtark, daß es ſelbſt mächtiger war als das der geſellſchaftlichen Un-
gleichheit. Und das war es, was den folgenden Dingen ihren Cha-
rakter gab.
Der Kampf nämlich, der ſich ſchon ſeit 1813, in neuer Geſtalt
aber ſeit 1830 gegen dieſe ausſchließliche Herrſchaft des amtlichen Or-
ganismus erhob, erſcheint eben deßhalb zunächſt weſentlich als ein
negativer. Es handelt ſich in dieſen 30 Jahren nicht ſo ſehr um das,
was eigentlich durch die Verwaltung geſchehen ſoll, als um das, durch
wen es geſchehen ſoll. Man will nicht ſo ſehr gute Geſetze und Ad-
miniſtration, als das Recht, beide unter Mitwirkung der Vertretungen
zu beſtimmen. Daher gehen alle Beſtrebungen dieſer Zeit nicht ſo ſehr
dahin zu fragen, was die eigentlichen Aufgaben der Staatsgewalt,
als dahin, welches die richtigen Formen der Theilnahme des Volkes
an der Erfüllung dieſer Aufgaben ſeien. Und wie die Grundgeſetz-
gebung der Staaten daher in organiſchen Verfaſſungen culminiren, ſo
gipfelt die Staatswiſſenſchaft ſtatt in der Verwaltungslehre vielmehr in
der Verfaſſungstheorie. Das war allerdings der natürliche Gang der Dinge.
In dieſer Bewegung nun, bei ziemlich völliger Unklarheit über
Weſen und Aufgabe der Verwaltung und den Vorausſetzungen ihrer
Löſung, namentlich in Bezug auf die dazu erforderliche Verwaltungs-
ordnung der Bevölkerung, lag es nahe, ſich an die gegebenen Ge-
ſtaltungen der letzteren anzuſchließen, und dieſelben ohne eingehende
Beurtheilung ihres Verhältniſſes zur Verwaltung, nur erſt und vor
allen Dingen zu Trägern des Princips der Verfaſſung zu machen.
Natürlich griff man dabei zuerſt auf die Gemeinde zurück. Das Ge-
meindeleben war das, was man eigentlich noch recht überſehen konnte.
In der Gemeinde ließ ſich die Idee des Staatsbürgerthums, die Theil-
nahme des Einzelnen am öffentlichen Willen am leichteſten verwirklichen.
Sie erſchien nach ariſtoteliſcher Auffaſſung als der Grund des Staats.
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