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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Berufsstand, die Kirche, wird von ihr selbst geordnet. Ihr zum Grunde
liegt der Begriff des Clericus; die Zuständigkeit des Clericus ist eine
ausschließlich kirchliche, während die Competenz der kirchlichen Gerichte
auch auf den Laicus in vielen Punkten übergreift. Es ist Sache der
Geschichte des Kirchenrechts diesen Organismus von Competenzen und
Zuständigkeiten darzustellen.

Das System der feudalen Angehörigkeit dagegen beruht auf dem
Unterschiede der Freien und Unfreien, und auf dem Unterschied des
Besitzes und seiner Angehörigkeit. Ohne hier auf die unendliche Viel-
gestaltigkeit dieser Angehörigkeiten einzugehen, die übrigens in ihrem
Princip eben so gleichartig als in ihren Bezeichnungen und Nüancen
verschieden sind, möge es hier genügen, die drei Grundformen aufzu-
stellen. Das sind die Pairsgerichte, die Vasallen- oder Lehens-
gerichte
, und die Herrschafts- oder Patrimonialgerichte. Das
Pairsgericht tritt ein, wo Besitzer und Grundbesitz zugleich frei sind.
Das Lehnsgericht tritt ein, wo der Besitzer frei, der Besitz abhängig
(Lehn) ist; das Patrimonialgericht dagegen da, wo Besitzer und Besitz
unfrei sind (vilain, hörig). Das System der gerichtlichen Competenzen,
das für diese drei Grundformen des Gerichts gilt, ist das System der
feudalen Angehörigkeit selbst in allen seinen einzelnen Beziehungen.
Da es noch keine Verwaltung außer der Rechtspflege gibt, so gibt es
natürlich auch neben jenen Gerichten keine amtliche Competenz; eben
so wenig gibt es noch ein Heimathsrecht, oder gar ein Gemeindebürger-
thum; denn der Begriff der Landgemeinde ist noch aus dem der
Herrschaft nicht entstanden. Nur wo sich, wie in einzelnen Theilen
von Mittel- und Norddeutschland, noch die alte Dorfschaft erhalten,
kann man von den beiden letzteren reden. Das sind die Ordnungen
der feudalen Verwaltung.

Das System der städtischen Angehörigkeit ist endlich als Vorläufer
des folgenden ein weit mehr zusammengesetztes. Es enthält nämlich in
eigenthümlicher Weise beide obigen Systeme, die Angehörigkeit, die
auf dem feudalen Besitze, und die, welche auf dem (gewerblichen)
Berufe beruht. Das erste erzeugt die eigentliche Gemeinde ange-
hörigkeit, das zweite das Zunft- und Innungsrecht oder die gewerb-
liche Angehörigkeit. Die erste schließt allerdings die zweite in sich, aber
sie erzeugt sie bekanntlich ursprünglich nicht. Jede hat ihre Grund-
sätze und ihre Gränzen.

Indem nun auf diese Weise in der Gemeinde sich örtlich und sach-
lich verschiedene Systeme der Angehörigkeit berühren, und dadurch eine
Reihe von sehr praktischen Fragen erzeugen, entsteht hier zuerst eine
förmliche Theorie der Angehörigkeit. Allerdings bezieht sich dieselbe

Berufsſtand, die Kirche, wird von ihr ſelbſt geordnet. Ihr zum Grunde
liegt der Begriff des Clericus; die Zuſtändigkeit des Clericus iſt eine
ausſchließlich kirchliche, während die Competenz der kirchlichen Gerichte
auch auf den Laicus in vielen Punkten übergreift. Es iſt Sache der
Geſchichte des Kirchenrechts dieſen Organismus von Competenzen und
Zuſtändigkeiten darzuſtellen.

Das Syſtem der feudalen Angehörigkeit dagegen beruht auf dem
Unterſchiede der Freien und Unfreien, und auf dem Unterſchied des
Beſitzes und ſeiner Angehörigkeit. Ohne hier auf die unendliche Viel-
geſtaltigkeit dieſer Angehörigkeiten einzugehen, die übrigens in ihrem
Princip eben ſo gleichartig als in ihren Bezeichnungen und Nüancen
verſchieden ſind, möge es hier genügen, die drei Grundformen aufzu-
ſtellen. Das ſind die Pairsgerichte, die Vaſallen- oder Lehens-
gerichte
, und die Herrſchafts- oder Patrimonialgerichte. Das
Pairsgericht tritt ein, wo Beſitzer und Grundbeſitz zugleich frei ſind.
Das Lehnsgericht tritt ein, wo der Beſitzer frei, der Beſitz abhängig
(Lehn) iſt; das Patrimonialgericht dagegen da, wo Beſitzer und Beſitz
unfrei ſind (vilain, hörig). Das Syſtem der gerichtlichen Competenzen,
das für dieſe drei Grundformen des Gerichts gilt, iſt das Syſtem der
feudalen Angehörigkeit ſelbſt in allen ſeinen einzelnen Beziehungen.
Da es noch keine Verwaltung außer der Rechtspflege gibt, ſo gibt es
natürlich auch neben jenen Gerichten keine amtliche Competenz; eben
ſo wenig gibt es noch ein Heimathsrecht, oder gar ein Gemeindebürger-
thum; denn der Begriff der Landgemeinde iſt noch aus dem der
Herrſchaft nicht entſtanden. Nur wo ſich, wie in einzelnen Theilen
von Mittel- und Norddeutſchland, noch die alte Dorfſchaft erhalten,
kann man von den beiden letzteren reden. Das ſind die Ordnungen
der feudalen Verwaltung.

Das Syſtem der ſtädtiſchen Angehörigkeit iſt endlich als Vorläufer
des folgenden ein weit mehr zuſammengeſetztes. Es enthält nämlich in
eigenthümlicher Weiſe beide obigen Syſteme, die Angehörigkeit, die
auf dem feudalen Beſitze, und die, welche auf dem (gewerblichen)
Berufe beruht. Das erſte erzeugt die eigentliche Gemeinde ange-
hörigkeit, das zweite das Zunft- und Innungsrecht oder die gewerb-
liche Angehörigkeit. Die erſte ſchließt allerdings die zweite in ſich, aber
ſie erzeugt ſie bekanntlich urſprünglich nicht. Jede hat ihre Grund-
ſätze und ihre Gränzen.

Indem nun auf dieſe Weiſe in der Gemeinde ſich örtlich und ſach-
lich verſchiedene Syſteme der Angehörigkeit berühren, und dadurch eine
Reihe von ſehr praktiſchen Fragen erzeugen, entſteht hier zuerſt eine
förmliche Theorie der Angehörigkeit. Allerdings bezieht ſich dieſelbe

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[317/0339] Berufsſtand, die Kirche, wird von ihr ſelbſt geordnet. Ihr zum Grunde liegt der Begriff des Clericus; die Zuſtändigkeit des Clericus iſt eine ausſchließlich kirchliche, während die Competenz der kirchlichen Gerichte auch auf den Laicus in vielen Punkten übergreift. Es iſt Sache der Geſchichte des Kirchenrechts dieſen Organismus von Competenzen und Zuſtändigkeiten darzuſtellen. Das Syſtem der feudalen Angehörigkeit dagegen beruht auf dem Unterſchiede der Freien und Unfreien, und auf dem Unterſchied des Beſitzes und ſeiner Angehörigkeit. Ohne hier auf die unendliche Viel- geſtaltigkeit dieſer Angehörigkeiten einzugehen, die übrigens in ihrem Princip eben ſo gleichartig als in ihren Bezeichnungen und Nüancen verſchieden ſind, möge es hier genügen, die drei Grundformen aufzu- ſtellen. Das ſind die Pairsgerichte, die Vaſallen- oder Lehens- gerichte, und die Herrſchafts- oder Patrimonialgerichte. Das Pairsgericht tritt ein, wo Beſitzer und Grundbeſitz zugleich frei ſind. Das Lehnsgericht tritt ein, wo der Beſitzer frei, der Beſitz abhängig (Lehn) iſt; das Patrimonialgericht dagegen da, wo Beſitzer und Beſitz unfrei ſind (vilain, hörig). Das Syſtem der gerichtlichen Competenzen, das für dieſe drei Grundformen des Gerichts gilt, iſt das Syſtem der feudalen Angehörigkeit ſelbſt in allen ſeinen einzelnen Beziehungen. Da es noch keine Verwaltung außer der Rechtspflege gibt, ſo gibt es natürlich auch neben jenen Gerichten keine amtliche Competenz; eben ſo wenig gibt es noch ein Heimathsrecht, oder gar ein Gemeindebürger- thum; denn der Begriff der Landgemeinde iſt noch aus dem der Herrſchaft nicht entſtanden. Nur wo ſich, wie in einzelnen Theilen von Mittel- und Norddeutſchland, noch die alte Dorfſchaft erhalten, kann man von den beiden letzteren reden. Das ſind die Ordnungen der feudalen Verwaltung. Das Syſtem der ſtädtiſchen Angehörigkeit iſt endlich als Vorläufer des folgenden ein weit mehr zuſammengeſetztes. Es enthält nämlich in eigenthümlicher Weiſe beide obigen Syſteme, die Angehörigkeit, die auf dem feudalen Beſitze, und die, welche auf dem (gewerblichen) Berufe beruht. Das erſte erzeugt die eigentliche Gemeinde ange- hörigkeit, das zweite das Zunft- und Innungsrecht oder die gewerb- liche Angehörigkeit. Die erſte ſchließt allerdings die zweite in ſich, aber ſie erzeugt ſie bekanntlich urſprünglich nicht. Jede hat ihre Grund- ſätze und ihre Gränzen. Indem nun auf dieſe Weiſe in der Gemeinde ſich örtlich und ſach- lich verſchiedene Syſteme der Angehörigkeit berühren, und dadurch eine Reihe von ſehr praktiſchen Fragen erzeugen, entſteht hier zuerſt eine förmliche Theorie der Angehörigkeit. Allerdings bezieht ſich dieſelbe

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/339>, abgerufen am 24.11.2024.