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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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allmählige, aber sichere Herausbilden der Gültigkeit des obigen organi-
schen Satzes über amtliche und Gemeindeangehörigkeit eine keineswegs
unwichtige Stelle einnimmt. In der That gibt es demnach keine Ge-
schichte der Gemeindeangehörigkeit für sich. Sie ist ein Theil des Ganzen,
und kann nur an der Seite der Entwicklung des Amtsrechts dargestellt
werden, und die Unsicherheit in der bisherigen theoretischen Auffassung
desselben beruht namentlich darauf, daß man sie von der letzteren ge-
trennt gedacht hat. Hält man sie aber in ihrem natürlichen Zusammen-
hange fest, so ergibt sich folgender Satz als das allgemeine Princip
der historischen Entwicklung des Angehörigkeitsrechts innerhalb der Ver-
waltung überhaupt: "Die für Competenz und Zuständigkeit geltenden
Rechtsbestimmungen entwickeln sich mit der bestimmteren Gestaltung des
eigentlichen Amtswesens, die für Gemeindeangehörigkeit und Hei-
mathswesen geltenden dagegen mit der Idee der Verwaltung und
ihrer Aufgaben." Und von diesem Standpunkt aus glauben wir das
heutige Recht und sein Verständniß nunmehr leicht klar machen zu können.

Nur müssen wir hier wieder den Standpunkt der vergleichenden
Rechtswissenschaft festhalten.

Wenn es einerseits wahr ist, daß die Angehörigkeit der Selbst-
verwaltung gar nicht recht verständlich werden kann, ohne auf die amt-
liche Angehörigkeit beständig zurückzugreifen, so ist es andererseits eben
so gewiß, daß vermöge des eben aufgestellten allgemeinen Princips die
Geschichte und Gestalt der Angehörigkeit überhaupt, oder der admini-
strativen Ordnung der Bevölkerung und ihres Rechts wieder in jedem
Lande verschieden ist. Denn der Charakter der inneren Entwick-
lung der Hauptländer Europas ist ja eben die individuelle Gestalt des
Verhältnisses zwischen der staatlichen und der Selbstverwaltung, auf die
wir in all diesen Fragen stets zurückgeworfen werden. Es scheint daher,
nachdem der allgemeine Standpunkt feststeht, vor allem wichtig, sofort
eben auf diese concrete Gestalt zurückzugehen, und nach unserem Plane
die Ordnung der Angehörigkeit in den drei großen Culturvölkern zu
charakterisiren. Eine Reihe von naheliegenden Gründen wird uns dabei
allerdings für das deutsche Recht etwas weitläuftiger hier lassen, und
in England und Frankreich wird vieles unaufgelöst bleiben. Aber wir
trösten uns damit, daß wohl nur wenig erste Versuche in der Welt
ihr Ziel gleich genügend erreicht haben.

Indem wir uns die Charakterisirung der speziell auf das deutsche Recht
bezüglichen Literatur vorbehalten, können wir doch nicht umhin, hier eine Be-
merkung voraufzusenden. Wir glauben dem Obigen gemäß schon hier sagen
zu können, daß in der Beachtung und dem Verständniß des Heimathswesens
Kriterium und Maßstab für das Verständniß des Rechts der ganzen administrativen

allmählige, aber ſichere Herausbilden der Gültigkeit des obigen organi-
ſchen Satzes über amtliche und Gemeindeangehörigkeit eine keineswegs
unwichtige Stelle einnimmt. In der That gibt es demnach keine Ge-
ſchichte der Gemeindeangehörigkeit für ſich. Sie iſt ein Theil des Ganzen,
und kann nur an der Seite der Entwicklung des Amtsrechts dargeſtellt
werden, und die Unſicherheit in der bisherigen theoretiſchen Auffaſſung
deſſelben beruht namentlich darauf, daß man ſie von der letzteren ge-
trennt gedacht hat. Hält man ſie aber in ihrem natürlichen Zuſammen-
hange feſt, ſo ergibt ſich folgender Satz als das allgemeine Princip
der hiſtoriſchen Entwicklung des Angehörigkeitsrechts innerhalb der Ver-
waltung überhaupt: „Die für Competenz und Zuſtändigkeit geltenden
Rechtsbeſtimmungen entwickeln ſich mit der beſtimmteren Geſtaltung des
eigentlichen Amtsweſens, die für Gemeindeangehörigkeit und Hei-
mathsweſen geltenden dagegen mit der Idee der Verwaltung und
ihrer Aufgaben.“ Und von dieſem Standpunkt aus glauben wir das
heutige Recht und ſein Verſtändniß nunmehr leicht klar machen zu können.

Nur müſſen wir hier wieder den Standpunkt der vergleichenden
Rechtswiſſenſchaft feſthalten.

Wenn es einerſeits wahr iſt, daß die Angehörigkeit der Selbſt-
verwaltung gar nicht recht verſtändlich werden kann, ohne auf die amt-
liche Angehörigkeit beſtändig zurückzugreifen, ſo iſt es andererſeits eben
ſo gewiß, daß vermöge des eben aufgeſtellten allgemeinen Princips die
Geſchichte und Geſtalt der Angehörigkeit überhaupt, oder der admini-
ſtrativen Ordnung der Bevölkerung und ihres Rechts wieder in jedem
Lande verſchieden iſt. Denn der Charakter der inneren Entwick-
lung der Hauptländer Europas iſt ja eben die individuelle Geſtalt des
Verhältniſſes zwiſchen der ſtaatlichen und der Selbſtverwaltung, auf die
wir in all dieſen Fragen ſtets zurückgeworfen werden. Es ſcheint daher,
nachdem der allgemeine Standpunkt feſtſteht, vor allem wichtig, ſofort
eben auf dieſe concrete Geſtalt zurückzugehen, und nach unſerem Plane
die Ordnung der Angehörigkeit in den drei großen Culturvölkern zu
charakteriſiren. Eine Reihe von naheliegenden Gründen wird uns dabei
allerdings für das deutſche Recht etwas weitläuftiger hier laſſen, und
in England und Frankreich wird vieles unaufgelöst bleiben. Aber wir
tröſten uns damit, daß wohl nur wenig erſte Verſuche in der Welt
ihr Ziel gleich genügend erreicht haben.

Indem wir uns die Charakteriſirung der ſpeziell auf das deutſche Recht
bezüglichen Literatur vorbehalten, können wir doch nicht umhin, hier eine Be-
merkung voraufzuſenden. Wir glauben dem Obigen gemäß ſchon hier ſagen
zu können, daß in der Beachtung und dem Verſtändniß des Heimathsweſens
Kriterium und Maßſtab für das Verſtändniß des Rechts der ganzen adminiſtrativen

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[286/0308] allmählige, aber ſichere Herausbilden der Gültigkeit des obigen organi- ſchen Satzes über amtliche und Gemeindeangehörigkeit eine keineswegs unwichtige Stelle einnimmt. In der That gibt es demnach keine Ge- ſchichte der Gemeindeangehörigkeit für ſich. Sie iſt ein Theil des Ganzen, und kann nur an der Seite der Entwicklung des Amtsrechts dargeſtellt werden, und die Unſicherheit in der bisherigen theoretiſchen Auffaſſung deſſelben beruht namentlich darauf, daß man ſie von der letzteren ge- trennt gedacht hat. Hält man ſie aber in ihrem natürlichen Zuſammen- hange feſt, ſo ergibt ſich folgender Satz als das allgemeine Princip der hiſtoriſchen Entwicklung des Angehörigkeitsrechts innerhalb der Ver- waltung überhaupt: „Die für Competenz und Zuſtändigkeit geltenden Rechtsbeſtimmungen entwickeln ſich mit der beſtimmteren Geſtaltung des eigentlichen Amtsweſens, die für Gemeindeangehörigkeit und Hei- mathsweſen geltenden dagegen mit der Idee der Verwaltung und ihrer Aufgaben.“ Und von dieſem Standpunkt aus glauben wir das heutige Recht und ſein Verſtändniß nunmehr leicht klar machen zu können. Nur müſſen wir hier wieder den Standpunkt der vergleichenden Rechtswiſſenſchaft feſthalten. Wenn es einerſeits wahr iſt, daß die Angehörigkeit der Selbſt- verwaltung gar nicht recht verſtändlich werden kann, ohne auf die amt- liche Angehörigkeit beſtändig zurückzugreifen, ſo iſt es andererſeits eben ſo gewiß, daß vermöge des eben aufgeſtellten allgemeinen Princips die Geſchichte und Geſtalt der Angehörigkeit überhaupt, oder der admini- ſtrativen Ordnung der Bevölkerung und ihres Rechts wieder in jedem Lande verſchieden iſt. Denn der Charakter der inneren Entwick- lung der Hauptländer Europas iſt ja eben die individuelle Geſtalt des Verhältniſſes zwiſchen der ſtaatlichen und der Selbſtverwaltung, auf die wir in all dieſen Fragen ſtets zurückgeworfen werden. Es ſcheint daher, nachdem der allgemeine Standpunkt feſtſteht, vor allem wichtig, ſofort eben auf dieſe concrete Geſtalt zurückzugehen, und nach unſerem Plane die Ordnung der Angehörigkeit in den drei großen Culturvölkern zu charakteriſiren. Eine Reihe von naheliegenden Gründen wird uns dabei allerdings für das deutſche Recht etwas weitläuftiger hier laſſen, und in England und Frankreich wird vieles unaufgelöst bleiben. Aber wir tröſten uns damit, daß wohl nur wenig erſte Verſuche in der Welt ihr Ziel gleich genügend erreicht haben. Indem wir uns die Charakteriſirung der ſpeziell auf das deutſche Recht bezüglichen Literatur vorbehalten, können wir doch nicht umhin, hier eine Be- merkung voraufzuſenden. Wir glauben dem Obigen gemäß ſchon hier ſagen zu können, daß in der Beachtung und dem Verſtändniß des Heimathsweſens Kriterium und Maßſtab für das Verſtändniß des Rechts der ganzen adminiſtrativen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/308>, abgerufen am 24.11.2024.