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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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bekanntlich im alten, jetzt verschwundenen Begriff und Recht des Land-
sassiatus plenus
und minus plenus. Die historische Entwicklung, welche
der Schwerpunkt der Selbstverwaltung jedoch allmählig und in bei
weitem überwiegendem Maße in die Gemeinde gelegt hat, hat auch
jenes Recht fast ausschließlich, wenn auch nicht ganz, auf diejenige
Form reducirt, in der es in der Gemeinde vorhanden ist. Und hier
nennen wir dasselbe das Gemeindebürgerrecht. Das Gemeinde-
bürgerrecht enthält daher die öffentlich rechtlichen Bestimmungen, nach
welchen der Einzelne der Gemeinde als ein, in der Selbstverwaltung
den Willen derselben mitbestimmendes und an der Selbstvoll-
ziehung
in Gemeindeämtern u. s. w. theilnehmendes Glied angehört.

2) Das Heimathswesen. Das zweite Moment ist nun das-
jenige, nach welchem die Angehörigkeit an den Selbstverwaltungskörper
den Einzelnen zu einem Gegenstand der verwaltenden Thätigkeit
derselben macht. Die Thätigkeit der Selbstverwaltungskörper erstreckt
sich nämlich in einer Reihe der wichtigsten Beziehungen über jeden,
der innerhalb ihrer örtlichen Gränze sich aufhält. So weit dieß der
Fall, und die administrative Thätigkeit der Selbstverwaltungskörper
bloß durch die einfache Thatsache des Aufenthalts bestimmt ist, hat das
Recht der Selbstverwaltungskörper ganz den amtlichen Charakter der
Competenz und Zuständigkeit. So wie aber diese Angehörigkeit nicht
mehr auf dem bloßen zufälligen Aufenthalt, sondern auf der Angehörig-
keit des ganzen persönlichen Lebens beruht, tritt ein anderer Begriff
ein, und das ist der der Heimath. Der Begriff der Heimath umfaßt
daher das Angehören an den Selbstverwaltungskörper vermöge der
ganzen Geschichte des individuellen Lebens. Und auch hier haben histo-
rische Gründe es hervorgerufen, daß rechtlich dieser Begriff wieder nur
bei der Gemeinde Platz greift. Wir sprechen daher administrativ nur
von der Gemeindeheimath und der Heimathsgemeinde. Das Recht dieser
Heimath ist nun im Allgemeinen zunächst das Recht, die Gesammtheit
und Einheit der persönlichen Lebensbeziehungen als Theil der Verwal-
tung einer Gemeinde anerkannt zu sehen. Allein diesem Rechte des
Einzelnen entspricht die Pflicht der Gemeinde, also der Heimath, in
ihrer Verwaltung den ihr Angehörigen auch als integrirenden Theil
ihrer selbst zu betrachten und zu behandeln. Diese Pflicht, als speci-
fische Pflicht der einzelnen Gemeinde gegenüber dem Einzelnen als ihrem
Angehörigen und nicht als Staatsbürger, ist nun durch den histo-
rischen Entwicklungsgang darauf reducirt worden, daß die Angehörigkeit
in Bezug auf die Verwaltung nichts mehr enthält, als die Verpflich-
tung der Gemeinde zur Armenunterstützung. Das Heimathswesen,
ursprünglich das ganze Rechtsleben der Gemeindeangehörigen umfassend,

bekanntlich im alten, jetzt verſchwundenen Begriff und Recht des Land-
sassiatus plenus
und minus plenus. Die hiſtoriſche Entwicklung, welche
der Schwerpunkt der Selbſtverwaltung jedoch allmählig und in bei
weitem überwiegendem Maße in die Gemeinde gelegt hat, hat auch
jenes Recht faſt ausſchließlich, wenn auch nicht ganz, auf diejenige
Form reducirt, in der es in der Gemeinde vorhanden iſt. Und hier
nennen wir daſſelbe das Gemeindebürgerrecht. Das Gemeinde-
bürgerrecht enthält daher die öffentlich rechtlichen Beſtimmungen, nach
welchen der Einzelne der Gemeinde als ein, in der Selbſtverwaltung
den Willen derſelben mitbeſtimmendes und an der Selbſtvoll-
ziehung
in Gemeindeämtern u. ſ. w. theilnehmendes Glied angehört.

2) Das Heimathsweſen. Das zweite Moment iſt nun das-
jenige, nach welchem die Angehörigkeit an den Selbſtverwaltungskörper
den Einzelnen zu einem Gegenſtand der verwaltenden Thätigkeit
derſelben macht. Die Thätigkeit der Selbſtverwaltungskörper erſtreckt
ſich nämlich in einer Reihe der wichtigſten Beziehungen über jeden,
der innerhalb ihrer örtlichen Gränze ſich aufhält. So weit dieß der
Fall, und die adminiſtrative Thätigkeit der Selbſtverwaltungskörper
bloß durch die einfache Thatſache des Aufenthalts beſtimmt iſt, hat das
Recht der Selbſtverwaltungskörper ganz den amtlichen Charakter der
Competenz und Zuſtändigkeit. So wie aber dieſe Angehörigkeit nicht
mehr auf dem bloßen zufälligen Aufenthalt, ſondern auf der Angehörig-
keit des ganzen perſönlichen Lebens beruht, tritt ein anderer Begriff
ein, und das iſt der der Heimath. Der Begriff der Heimath umfaßt
daher das Angehören an den Selbſtverwaltungskörper vermöge der
ganzen Geſchichte des individuellen Lebens. Und auch hier haben hiſto-
riſche Gründe es hervorgerufen, daß rechtlich dieſer Begriff wieder nur
bei der Gemeinde Platz greift. Wir ſprechen daher adminiſtrativ nur
von der Gemeindeheimath und der Heimathsgemeinde. Das Recht dieſer
Heimath iſt nun im Allgemeinen zunächſt das Recht, die Geſammtheit
und Einheit der perſönlichen Lebensbeziehungen als Theil der Verwal-
tung einer Gemeinde anerkannt zu ſehen. Allein dieſem Rechte des
Einzelnen entſpricht die Pflicht der Gemeinde, alſo der Heimath, in
ihrer Verwaltung den ihr Angehörigen auch als integrirenden Theil
ihrer ſelbſt zu betrachten und zu behandeln. Dieſe Pflicht, als ſpeci-
fiſche Pflicht der einzelnen Gemeinde gegenüber dem Einzelnen als ihrem
Angehörigen und nicht als Staatsbürger, iſt nun durch den hiſto-
riſchen Entwicklungsgang darauf reducirt worden, daß die Angehörigkeit
in Bezug auf die Verwaltung nichts mehr enthält, als die Verpflich-
tung der Gemeinde zur Armenunterſtützung. Das Heimathsweſen,
urſprünglich das ganze Rechtsleben der Gemeindeangehörigen umfaſſend,

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[277/0299] bekanntlich im alten, jetzt verſchwundenen Begriff und Recht des Land- sassiatus plenus und minus plenus. Die hiſtoriſche Entwicklung, welche der Schwerpunkt der Selbſtverwaltung jedoch allmählig und in bei weitem überwiegendem Maße in die Gemeinde gelegt hat, hat auch jenes Recht faſt ausſchließlich, wenn auch nicht ganz, auf diejenige Form reducirt, in der es in der Gemeinde vorhanden iſt. Und hier nennen wir daſſelbe das Gemeindebürgerrecht. Das Gemeinde- bürgerrecht enthält daher die öffentlich rechtlichen Beſtimmungen, nach welchen der Einzelne der Gemeinde als ein, in der Selbſtverwaltung den Willen derſelben mitbeſtimmendes und an der Selbſtvoll- ziehung in Gemeindeämtern u. ſ. w. theilnehmendes Glied angehört. 2) Das Heimathsweſen. Das zweite Moment iſt nun das- jenige, nach welchem die Angehörigkeit an den Selbſtverwaltungskörper den Einzelnen zu einem Gegenſtand der verwaltenden Thätigkeit derſelben macht. Die Thätigkeit der Selbſtverwaltungskörper erſtreckt ſich nämlich in einer Reihe der wichtigſten Beziehungen über jeden, der innerhalb ihrer örtlichen Gränze ſich aufhält. So weit dieß der Fall, und die adminiſtrative Thätigkeit der Selbſtverwaltungskörper bloß durch die einfache Thatſache des Aufenthalts beſtimmt iſt, hat das Recht der Selbſtverwaltungskörper ganz den amtlichen Charakter der Competenz und Zuſtändigkeit. So wie aber dieſe Angehörigkeit nicht mehr auf dem bloßen zufälligen Aufenthalt, ſondern auf der Angehörig- keit des ganzen perſönlichen Lebens beruht, tritt ein anderer Begriff ein, und das iſt der der Heimath. Der Begriff der Heimath umfaßt daher das Angehören an den Selbſtverwaltungskörper vermöge der ganzen Geſchichte des individuellen Lebens. Und auch hier haben hiſto- riſche Gründe es hervorgerufen, daß rechtlich dieſer Begriff wieder nur bei der Gemeinde Platz greift. Wir ſprechen daher adminiſtrativ nur von der Gemeindeheimath und der Heimathsgemeinde. Das Recht dieſer Heimath iſt nun im Allgemeinen zunächſt das Recht, die Geſammtheit und Einheit der perſönlichen Lebensbeziehungen als Theil der Verwal- tung einer Gemeinde anerkannt zu ſehen. Allein dieſem Rechte des Einzelnen entſpricht die Pflicht der Gemeinde, alſo der Heimath, in ihrer Verwaltung den ihr Angehörigen auch als integrirenden Theil ihrer ſelbſt zu betrachten und zu behandeln. Dieſe Pflicht, als ſpeci- fiſche Pflicht der einzelnen Gemeinde gegenüber dem Einzelnen als ihrem Angehörigen und nicht als Staatsbürger, iſt nun durch den hiſto- riſchen Entwicklungsgang darauf reducirt worden, daß die Angehörigkeit in Bezug auf die Verwaltung nichts mehr enthält, als die Verpflich- tung der Gemeinde zur Armenunterſtützung. Das Heimathsweſen, urſprünglich das ganze Rechtsleben der Gemeindeangehörigen umfaſſend,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/299>, abgerufen am 09.11.2024.