Fällen ganz nutzlose Bevormundung der persönlichen freien Bewegung enthalte. Außerdem sei bei dem Meldungsprincip für all die Belästigungen und Kosten, mit denen es verbunden ist, nicht einmal irgend ein wirklich gültiger Beweis für die Individualität und den Aufenthalt gegeben, ja bei der besten Einrichtung der Meldungen gar nicht denkbar. Wolle man, was denn doch zuletzt nothwendig sei, juristische Gewißheit, so müsse doch ein förmliches Beweisverfahren eintreten, für welche die Meldungen keinen Werth haben können, selbst wenn sie richtig sind. Suche man aber in der Meldung ein polizeiliches Schutz- mittel, so sei es denn doch seit Jahrhunderten bekannt genug, daß ge- rade die, die man vermöge der Meldung beobachten will, falsche Mel- dungen machen, während man zuletzt bloß auf Grundlage einer noch so richtigen Meldung nicht den ehrlichsten Armen in seine Heimath ab- schieben könne, wenn er nicht sein Heimathrecht anderweitig ausweist. Sei aber selbst in diesem Falle ein solcher Ausweis anerkanntermaßen nothwendig, wozu denn die lästige und kostspielige Meldung, die nicht einmal dieß Verfahren ersetze? Und sage man, daß die Meldung wenigstens den Nutzen habe, den Einzelnen zu zwingen, daß er eine Legitimations- form besitze, so sei das geradezu unrichtig, denn es gebe gar kein Mittel, die Berechtigung zur Legitimation bei der Meldung erst zu untersuchen; sie werde daher praktisch gerade umgekehrt zu einem Deckmantel für falsche Angaben, während die Erkenntniß von den unbequemen Folgen, die der Mangel einer Legitimation für jeden Einzelnen habe, an sich ausreiche, denselben zur Herbeischaffung der ersteren zu bestimmen. Das Meldungswesen müsse daher als ein in jeder Beziehung falsches, nur aus dem historischen Entwicklungsgang der Dinge erklärliches System angesehen, und auch gesetzlich an seine Stelle das Legitimationswesen gesetzt werden.
Das Legitimationswesen nämlich, indem es die Legitimation selbst dem Einzelnen überläßt, will nur demselben durch die Verwaltung die Mittel darbieten, durch welche er die Legitimation erzielen kann, und hält daran fest, daß die Unbequemlichkeiten der fehlenden Legiti- mation es sind, welche den Einzelnen schon von selbst veranlassen wer- den, sich jener Mittel der Verwaltung von freien Stücken zu bedienen, gerade wie beim freien Paßwesen. Meldungswesen und Legitimations- wesen haben daher dieselben Mittel für denselben Zweck, aber ein geradezu entgegengesetztes Recht. Beim Meldungswesen hat der Einzelne die öffentliche durch Strafen geschützte Pflicht, sich jener Mittel zu bedienen, beim Legitimationswesen dagegen nur das Recht dazu. Und es kann wohl kaum ein Zweifel sein, daß die Epoche des Meldungswesens für das Fremdenwesen vorüber ist, und das freie
Fällen ganz nutzloſe Bevormundung der perſönlichen freien Bewegung enthalte. Außerdem ſei bei dem Meldungsprincip für all die Beläſtigungen und Koſten, mit denen es verbunden iſt, nicht einmal irgend ein wirklich gültiger Beweis für die Individualität und den Aufenthalt gegeben, ja bei der beſten Einrichtung der Meldungen gar nicht denkbar. Wolle man, was denn doch zuletzt nothwendig ſei, juriſtiſche Gewißheit, ſo müſſe doch ein förmliches Beweisverfahren eintreten, für welche die Meldungen keinen Werth haben können, ſelbſt wenn ſie richtig ſind. Suche man aber in der Meldung ein polizeiliches Schutz- mittel, ſo ſei es denn doch ſeit Jahrhunderten bekannt genug, daß ge- rade die, die man vermöge der Meldung beobachten will, falſche Mel- dungen machen, während man zuletzt bloß auf Grundlage einer noch ſo richtigen Meldung nicht den ehrlichſten Armen in ſeine Heimath ab- ſchieben könne, wenn er nicht ſein Heimathrecht anderweitig ausweist. Sei aber ſelbſt in dieſem Falle ein ſolcher Ausweis anerkanntermaßen nothwendig, wozu denn die läſtige und koſtſpielige Meldung, die nicht einmal dieß Verfahren erſetze? Und ſage man, daß die Meldung wenigſtens den Nutzen habe, den Einzelnen zu zwingen, daß er eine Legitimations- form beſitze, ſo ſei das geradezu unrichtig, denn es gebe gar kein Mittel, die Berechtigung zur Legitimation bei der Meldung erſt zu unterſuchen; ſie werde daher praktiſch gerade umgekehrt zu einem Deckmantel für falſche Angaben, während die Erkenntniß von den unbequemen Folgen, die der Mangel einer Legitimation für jeden Einzelnen habe, an ſich ausreiche, denſelben zur Herbeiſchaffung der erſteren zu beſtimmen. Das Meldungsweſen müſſe daher als ein in jeder Beziehung falſches, nur aus dem hiſtoriſchen Entwicklungsgang der Dinge erklärliches Syſtem angeſehen, und auch geſetzlich an ſeine Stelle das Legitimationsweſen geſetzt werden.
Das Legitimationsweſen nämlich, indem es die Legitimation ſelbſt dem Einzelnen überläßt, will nur demſelben durch die Verwaltung die Mittel darbieten, durch welche er die Legitimation erzielen kann, und hält daran feſt, daß die Unbequemlichkeiten der fehlenden Legiti- mation es ſind, welche den Einzelnen ſchon von ſelbſt veranlaſſen wer- den, ſich jener Mittel der Verwaltung von freien Stücken zu bedienen, gerade wie beim freien Paßweſen. Meldungsweſen und Legitimations- weſen haben daher dieſelben Mittel für denſelben Zweck, aber ein geradezu entgegengeſetztes Recht. Beim Meldungsweſen hat der Einzelne die öffentliche durch Strafen geſchützte Pflicht, ſich jener Mittel zu bedienen, beim Legitimationsweſen dagegen nur das Recht dazu. Und es kann wohl kaum ein Zweifel ſein, daß die Epoche des Meldungsweſens für das Fremdenweſen vorüber iſt, und das freie
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Fällen ganz nutzloſe Bevormundung der perſönlichen freien Bewegung
enthalte. Außerdem ſei bei dem Meldungsprincip für all die Beläſtigungen
und Koſten, mit denen es verbunden iſt, nicht einmal irgend ein
wirklich gültiger Beweis für die Individualität und den Aufenthalt
gegeben, ja bei der beſten Einrichtung der Meldungen gar nicht
denkbar. Wolle man, was denn doch zuletzt nothwendig ſei, juriſtiſche
Gewißheit, ſo müſſe doch ein förmliches Beweisverfahren eintreten, für
welche die Meldungen keinen Werth haben können, ſelbſt wenn ſie
richtig ſind. Suche man aber in der Meldung ein polizeiliches Schutz-
mittel, ſo ſei es denn doch ſeit Jahrhunderten bekannt genug, daß ge-
rade die, die man vermöge der Meldung beobachten will, falſche Mel-
dungen machen, während man zuletzt bloß auf Grundlage einer noch
ſo richtigen Meldung nicht den ehrlichſten Armen in ſeine Heimath ab-
ſchieben könne, wenn er nicht ſein Heimathrecht anderweitig ausweist.
Sei aber ſelbſt in dieſem Falle ein ſolcher Ausweis anerkanntermaßen
nothwendig, wozu denn die läſtige und koſtſpielige Meldung, die nicht
einmal dieß Verfahren erſetze? Und ſage man, daß die Meldung wenigſtens
den Nutzen habe, den Einzelnen zu zwingen, daß er eine Legitimations-
form beſitze, ſo ſei das geradezu unrichtig, denn es gebe gar kein Mittel,
die Berechtigung zur Legitimation bei der Meldung erſt zu unterſuchen;
ſie werde daher praktiſch gerade umgekehrt zu einem Deckmantel für
falſche Angaben, während die Erkenntniß von den unbequemen Folgen,
die der Mangel einer Legitimation für jeden Einzelnen habe, an ſich
ausreiche, denſelben zur Herbeiſchaffung der erſteren zu beſtimmen. Das
Meldungsweſen müſſe daher als ein in jeder Beziehung falſches, nur
aus dem hiſtoriſchen Entwicklungsgang der Dinge erklärliches Syſtem
angeſehen, und auch geſetzlich an ſeine Stelle das Legitimationsweſen
geſetzt werden.
Das Legitimationsweſen nämlich, indem es die Legitimation ſelbſt
dem Einzelnen überläßt, will nur demſelben durch die Verwaltung die
Mittel darbieten, durch welche er die Legitimation erzielen kann,
und hält daran feſt, daß die Unbequemlichkeiten der fehlenden Legiti-
mation es ſind, welche den Einzelnen ſchon von ſelbſt veranlaſſen wer-
den, ſich jener Mittel der Verwaltung von freien Stücken zu bedienen,
gerade wie beim freien Paßweſen. Meldungsweſen und Legitimations-
weſen haben daher dieſelben Mittel für denſelben Zweck, aber
ein geradezu entgegengeſetztes Recht. Beim Meldungsweſen hat der
Einzelne die öffentliche durch Strafen geſchützte Pflicht, ſich jener
Mittel zu bedienen, beim Legitimationsweſen dagegen nur das Recht
dazu. Und es kann wohl kaum ein Zweifel ſein, daß die Epoche des
Meldungsweſens für das Fremdenweſen vorüber iſt, und das freie
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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