man war gezwungen, diese Führung den Gemeindevorständen, en maires, zu übergeben. Das geschah bereits durch Gesetz vom 20. Sept. 1791, und dieß Gesetz ward dann durch das zweite vom 28 pluviose an. VIII erneuert und erweitert, welches Gesetz als die Grundlage für die eigentlichen Standesregister angesehen werden muß, und dessen Prin- cipien noch heute gelten. Das ganze Standesregisterwesen ist daher in Beziehung auf die Führung der Register, speziell in Beziehung auf die Function des Maire zu einem Theil der Organisation Communale und mit derselben zu einem Stück rein amtlicher Verwaltung geworden. Diese Auffassung ist nun bekanntlich vollständig in den Code Civil übergegangen, in welchem die Standesregister und ihre Führung durch die mit derselben verbundenen privatrechtlichen Folgen ein organischer Theil des bürgerlichen Rechts geworden sind. Der Maire ist als Be- amteter des Staats der officier de l'Etat civil (Vollziehende Ge- walt S. 486) und der Code Civil enthält bekanntlich in L. I. P. II. (Des actes de l'Etat civil) alle dahin gehörigen Vorschriften. Aber eben dadurch ist auch das Recht dieser Führung in seinem Principe geändert. Die Eintragung in die Standesregister ist nämlich nicht mehr bloß ein Akt der fides publica, sondern wird bei Ehe, Adoption und den Verhältnissen der unehelichen Geburten zu einem Akte der civilrecht- lichen Entscheidung (z. B. bei Adoption, Code Civil a. 353--357). Daher kann bei Geburten die Eintragung nach drei Tagen nur auf Grund- lage eines gerichtlichen Urtheils erfolgen. Die Erklärung der Geburt muß innerhalb des gesetzlichen Termins bei Strafe von 6 Tagen bis 6 Monaten oder 16 bis 300 Fr. Buße erfolgen (Code Pen. 346). Das Kind soll sogar bei der Registrirung gezeigt werden -- eine ge- wiß überflüssige Formalität. Alle diese verschiedenen Vorschriften hat nun bekanntlich der Code Civil a. 42 ff. zusammen gefaßt und zu einem Theil des bürgerlichen Rechts gemacht, und im Art. 45 ausdrück- lich bestimmt, daß jeder das Recht habe, sich Auszüge aus dem Register geben zu lassen, die dann fides publica haben. Das Verhältniß dieser Register zur Statistik ist hauptsächlich -- allerdings wieder auf Grund- lage des Gesetzes vom 20. Sept. 1792 -- durch das Decret vom 20. Juli 1807 geordnet. Jährlich werden die Tabellen, gerade wie in Oesterreich seit 1784, zusammen gestellt und daraus zehnjährige Ta- bellen (die tables decennales) gemacht und in drei Exemplaren ge- schrieben. Das Verfahren bei der Abfassung der Jahrestabellen ist durch mehrere Verordnungen, zuletzt durch die vom 24. Sept. 1833 und vom 18. Oct. 1855 geordnet (Legoyt in Block, Dict. v. Po- pulation). Für den Fall des Verlustes und der Wiederherstellung der Register bestimmt die Verordnung vom 9. Januar 1815 das nähere
Stein, die Verwaltungslehre. II. 16
man war gezwungen, dieſe Führung den Gemeindevorſtänden, en maires, zu übergeben. Das geſchah bereits durch Geſetz vom 20. Sept. 1791, und dieß Geſetz ward dann durch das zweite vom 28 pluviose an. VIII erneuert und erweitert, welches Geſetz als die Grundlage für die eigentlichen Standesregiſter angeſehen werden muß, und deſſen Prin- cipien noch heute gelten. Das ganze Standesregiſterweſen iſt daher in Beziehung auf die Führung der Regiſter, ſpeziell in Beziehung auf die Function des Maire zu einem Theil der Organisation Communale und mit derſelben zu einem Stück rein amtlicher Verwaltung geworden. Dieſe Auffaſſung iſt nun bekanntlich vollſtändig in den Code Civil übergegangen, in welchem die Standesregiſter und ihre Führung durch die mit derſelben verbundenen privatrechtlichen Folgen ein organiſcher Theil des bürgerlichen Rechts geworden ſind. Der Maire iſt als Be- amteter des Staats der officier de l’État civil (Vollziehende Ge- walt S. 486) und der Code Civil enthält bekanntlich in L. I. P. II. (Des actes de l’État civil) alle dahin gehörigen Vorſchriften. Aber eben dadurch iſt auch das Recht dieſer Führung in ſeinem Principe geändert. Die Eintragung in die Standesregiſter iſt nämlich nicht mehr bloß ein Akt der fides publica, ſondern wird bei Ehe, Adoption und den Verhältniſſen der unehelichen Geburten zu einem Akte der civilrecht- lichen Entſcheidung (z. B. bei Adoption, Code Civil a. 353—357). Daher kann bei Geburten die Eintragung nach drei Tagen nur auf Grund- lage eines gerichtlichen Urtheils erfolgen. Die Erklärung der Geburt muß innerhalb des geſetzlichen Termins bei Strafe von 6 Tagen bis 6 Monaten oder 16 bis 300 Fr. Buße erfolgen (Code Pén. 346). Das Kind ſoll ſogar bei der Regiſtrirung gezeigt werden — eine ge- wiß überflüſſige Formalität. Alle dieſe verſchiedenen Vorſchriften hat nun bekanntlich der Code Civil a. 42 ff. zuſammen gefaßt und zu einem Theil des bürgerlichen Rechts gemacht, und im Art. 45 ausdrück- lich beſtimmt, daß jeder das Recht habe, ſich Auszüge aus dem Regiſter geben zu laſſen, die dann fides publica haben. Das Verhältniß dieſer Regiſter zur Statiſtik iſt hauptſächlich — allerdings wieder auf Grund- lage des Geſetzes vom 20. Sept. 1792 — durch das Decret vom 20. Juli 1807 geordnet. Jährlich werden die Tabellen, gerade wie in Oeſterreich ſeit 1784, zuſammen geſtellt und daraus zehnjährige Ta- bellen (die tables decénnales) gemacht und in drei Exemplaren ge- ſchrieben. Das Verfahren bei der Abfaſſung der Jahrestabellen iſt durch mehrere Verordnungen, zuletzt durch die vom 24. Sept. 1833 und vom 18. Oct. 1855 geordnet (Legoyt in Block, Dict. v. Po- pulation). Für den Fall des Verluſtes und der Wiederherſtellung der Regiſter beſtimmt die Verordnung vom 9. Januar 1815 das nähere
Stein, die Verwaltungslehre. II. 16
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1791, und dieß Geſetz ward dann durch das zweite vom 28 pluviose
an. VIII erneuert und erweitert, welches Geſetz als die Grundlage für
die eigentlichen Standesregiſter angeſehen werden muß, und deſſen Prin-
cipien noch heute gelten. Das ganze Standesregiſterweſen iſt daher in
Beziehung auf die Führung der Regiſter, ſpeziell in Beziehung auf
die Function des Maire zu einem Theil der Organisation Communale
und mit derſelben zu einem Stück rein amtlicher Verwaltung geworden.
Dieſe Auffaſſung iſt nun bekanntlich vollſtändig in den Code Civil
übergegangen, in welchem die Standesregiſter und ihre Führung durch
die mit derſelben verbundenen privatrechtlichen Folgen ein organiſcher
Theil des bürgerlichen Rechts geworden ſind. Der Maire iſt als Be-
amteter des Staats der officier de l’État civil (Vollziehende Ge-
walt S. 486) und der Code Civil enthält bekanntlich in L. I. P. II.
(Des actes de l’État civil) alle dahin gehörigen Vorſchriften. Aber
eben dadurch iſt auch das Recht dieſer Führung in ſeinem Principe
geändert. Die Eintragung in die Standesregiſter iſt nämlich nicht mehr
bloß ein Akt der fides publica, ſondern wird bei Ehe, Adoption und
den Verhältniſſen der unehelichen Geburten zu einem Akte der civilrecht-
lichen Entſcheidung (z. B. bei Adoption, Code Civil a. 353—357).
Daher kann bei Geburten die Eintragung nach drei Tagen nur auf Grund-
lage eines gerichtlichen Urtheils erfolgen. Die Erklärung der Geburt
muß innerhalb des geſetzlichen Termins bei Strafe von 6 Tagen bis
6 Monaten oder 16 bis 300 Fr. Buße erfolgen (Code Pén. 346).
Das Kind ſoll ſogar bei der Regiſtrirung gezeigt werden — eine ge-
wiß überflüſſige Formalität. Alle dieſe verſchiedenen Vorſchriften hat
nun bekanntlich der Code Civil a. 42 ff. zuſammen gefaßt und zu
einem Theil des bürgerlichen Rechts gemacht, und im Art. 45 ausdrück-
lich beſtimmt, daß jeder das Recht habe, ſich Auszüge aus dem Regiſter
geben zu laſſen, die dann fides publica haben. Das Verhältniß dieſer
Regiſter zur Statiſtik iſt hauptſächlich — allerdings wieder auf Grund-
lage des Geſetzes vom 20. Sept. 1792 — durch das Decret vom
20. Juli 1807 geordnet. Jährlich werden die Tabellen, gerade wie
in Oeſterreich ſeit 1784, zuſammen geſtellt und daraus zehnjährige Ta-
bellen (die tables decénnales) gemacht und in drei Exemplaren ge-
ſchrieben. Das Verfahren bei der Abfaſſung der Jahrestabellen iſt
durch mehrere Verordnungen, zuletzt durch die vom 24. Sept. 1833
und vom 18. Oct. 1855 geordnet (Legoyt in Block, Dict. v. Po-
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Regiſter beſtimmt die Verordnung vom 9. Januar 1815 das nähere
Stein, die Verwaltungslehre. II. 16
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/263>, abgerufen am 16.02.2025.
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