Rönne hat nicht wohl gethan, die Verhältnisse der Civilstandsregister nicht selbständig zu behandeln (vergl. StaatsrechtI. §. 97. II. 318). Aus dieser Unentschiedenheit wird ohne Zweifel der Sieg des Systems der französischen Civilstandsregister hervorgehen, das am Rhein bereits gilt, auf dem rheinischen Civilgesetzbuche §. 34--101 beruht, und durch die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23. Juli 1845, und die Städteordnung für die Rheinprovinz vom 15. Mai 1856 bestätigt ist. Es ist in allem Wesentlichen bekannt- lich das Recht Frankreichs, dessen Hauptpunkte im Folgenden ent- halten sind.
Frankreich. Es ist bekannt, daß Frankreich die eigentliche Hei- math der Standesregister, des sogen. Etat civil ist. Es darf hier aber wohl nochmals darauf hingewiesen werden, worin eigentlich das Wesen der Standesregister namentlich gegenüber den kirchlichen Registern be- steht, da in der Form und dem Zwecke so sehr viel Aehnliches obwaltet. Die Standesregister nämlich erscheinen nicht mehr als ein kirchliches oder rein juristisches, sondern als ein staatliches Institut; und zu dem Zwecke werden sie nicht bloß von staatlichen Behörden geführt, sondern es ist die öffentliche Pflicht des Einzelnen, die genauen Ein- tragungen in dieselben zu veranlassen, weßhalb auch erst bei den Standesregistern eine Strafe für die Unterlassung der Eintragung aufgestellt wird. Daß die Erklärung der Ehe vor dem Führer des Standesregisters dieselbe gültig macht und die Civilehe erzeugt, liegt nicht in der Natur der Standesregister, und macht daher auch keines- wegs ihr Wesen aus, wie manche meinen, sondern ist nur die Anwen- dung des Princips der Standesregister als öffentlicher Documente auf das Princip der französischen Ehe, nach welchen dieselbe eben nur ein Vertrag, wie der Societätsvertrag ist. Eben deßhalb aber läßt dieß Princip der Standesregister auch die Führung der (confessionsmäßigen) Kirchenbücher vollkommen frei neben sich zu; nur haben die letztern dann keine Fides publica für bürgerliche Rechtsverhältnisse, wohl aber für kirchliche. Auf diesen Grundlagen beruht das System des Etat civil, und wie es in England durchgegriffen, wird es auch in den übrigen Staaten durchgreifen. Uebrigens ist dasselbe nicht so sehr durch legislative Reflexion, als vielmehr durch den natürlichen Gang der Dinge entstanden und hat erst später seine feste Form erhalten. Frank- reich hatte, wie das ganze übrige Europa, bereits seit Jahrhunderten seine Kirchenbücher, deren erste Ordnung bereits durch die Ordonnances von 1539 (Villers Coterets) und später mehrfach versucht ward. Als aber mit der Revolution die ganze kirchliche Ordnung zusammenbrach, war an eine kirchliche Führung jener Register nicht zu denken, und
Rönne hat nicht wohl gethan, die Verhältniſſe der Civilſtandsregiſter nicht ſelbſtändig zu behandeln (vergl. StaatsrechtI. §. 97. II. 318). Aus dieſer Unentſchiedenheit wird ohne Zweifel der Sieg des Syſtems der franzöſiſchen Civilſtandsregiſter hervorgehen, das am Rhein bereits gilt, auf dem rheiniſchen Civilgeſetzbuche §. 34—101 beruht, und durch die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23. Juli 1845, und die Städteordnung für die Rheinprovinz vom 15. Mai 1856 beſtätigt iſt. Es iſt in allem Weſentlichen bekannt- lich das Recht Frankreichs, deſſen Hauptpunkte im Folgenden ent- halten ſind.
Frankreich. Es iſt bekannt, daß Frankreich die eigentliche Hei- math der Standesregiſter, des ſogen. État civil iſt. Es darf hier aber wohl nochmals darauf hingewieſen werden, worin eigentlich das Weſen der Standesregiſter namentlich gegenüber den kirchlichen Regiſtern be- ſteht, da in der Form und dem Zwecke ſo ſehr viel Aehnliches obwaltet. Die Standesregiſter nämlich erſcheinen nicht mehr als ein kirchliches oder rein juriſtiſches, ſondern als ein ſtaatliches Inſtitut; und zu dem Zwecke werden ſie nicht bloß von ſtaatlichen Behörden geführt, ſondern es iſt die öffentliche Pflicht des Einzelnen, die genauen Ein- tragungen in dieſelben zu veranlaſſen, weßhalb auch erſt bei den Standesregiſtern eine Strafe für die Unterlaſſung der Eintragung aufgeſtellt wird. Daß die Erklärung der Ehe vor dem Führer des Standesregiſters dieſelbe gültig macht und die Civilehe erzeugt, liegt nicht in der Natur der Standesregiſter, und macht daher auch keines- wegs ihr Weſen aus, wie manche meinen, ſondern iſt nur die Anwen- dung des Princips der Standesregiſter als öffentlicher Documente auf das Princip der franzöſiſchen Ehe, nach welchen dieſelbe eben nur ein Vertrag, wie der Societätsvertrag iſt. Eben deßhalb aber läßt dieß Princip der Standesregiſter auch die Führung der (confeſſionsmäßigen) Kirchenbücher vollkommen frei neben ſich zu; nur haben die letztern dann keine Fides publica für bürgerliche Rechtsverhältniſſe, wohl aber für kirchliche. Auf dieſen Grundlagen beruht das Syſtem des État civil, und wie es in England durchgegriffen, wird es auch in den übrigen Staaten durchgreifen. Uebrigens iſt daſſelbe nicht ſo ſehr durch legislative Reflexion, als vielmehr durch den natürlichen Gang der Dinge entſtanden und hat erſt ſpäter ſeine feſte Form erhalten. Frank- reich hatte, wie das ganze übrige Europa, bereits ſeit Jahrhunderten ſeine Kirchenbücher, deren erſte Ordnung bereits durch die Ordonnances von 1539 (Villers Coterets) und ſpäter mehrfach verſucht ward. Als aber mit der Revolution die ganze kirchliche Ordnung zuſammenbrach, war an eine kirchliche Führung jener Regiſter nicht zu denken, und
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Rönne hat nicht wohl gethan, die Verhältniſſe der Civilſtandsregiſter
nicht ſelbſtändig zu behandeln (vergl. Staatsrecht I. §. 97. II. 318).
Aus dieſer Unentſchiedenheit wird ohne Zweifel der Sieg des Syſtems
der franzöſiſchen Civilſtandsregiſter hervorgehen, das am Rhein bereits
gilt, auf dem rheiniſchen Civilgeſetzbuche §. 34—101 beruht,
und durch die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom
23. Juli 1845, und die Städteordnung für die Rheinprovinz
vom 15. Mai 1856 beſtätigt iſt. Es iſt in allem Weſentlichen bekannt-
lich das Recht Frankreichs, deſſen Hauptpunkte im Folgenden ent-
halten ſind.
Frankreich. Es iſt bekannt, daß Frankreich die eigentliche Hei-
math der Standesregiſter, des ſogen. État civil iſt. Es darf hier aber
wohl nochmals darauf hingewieſen werden, worin eigentlich das Weſen
der Standesregiſter namentlich gegenüber den kirchlichen Regiſtern be-
ſteht, da in der Form und dem Zwecke ſo ſehr viel Aehnliches obwaltet.
Die Standesregiſter nämlich erſcheinen nicht mehr als ein kirchliches
oder rein juriſtiſches, ſondern als ein ſtaatliches Inſtitut; und zu
dem Zwecke werden ſie nicht bloß von ſtaatlichen Behörden geführt,
ſondern es iſt die öffentliche Pflicht des Einzelnen, die genauen Ein-
tragungen in dieſelben zu veranlaſſen, weßhalb auch erſt bei den
Standesregiſtern eine Strafe für die Unterlaſſung der Eintragung
aufgeſtellt wird. Daß die Erklärung der Ehe vor dem Führer des
Standesregiſters dieſelbe gültig macht und die Civilehe erzeugt, liegt
nicht in der Natur der Standesregiſter, und macht daher auch keines-
wegs ihr Weſen aus, wie manche meinen, ſondern iſt nur die Anwen-
dung des Princips der Standesregiſter als öffentlicher Documente auf
das Princip der franzöſiſchen Ehe, nach welchen dieſelbe eben nur ein
Vertrag, wie der Societätsvertrag iſt. Eben deßhalb aber läßt dieß
Princip der Standesregiſter auch die Führung der (confeſſionsmäßigen)
Kirchenbücher vollkommen frei neben ſich zu; nur haben die letztern
dann keine Fides publica für bürgerliche Rechtsverhältniſſe, wohl aber
für kirchliche. Auf dieſen Grundlagen beruht das Syſtem des État
civil, und wie es in England durchgegriffen, wird es auch in den
übrigen Staaten durchgreifen. Uebrigens iſt daſſelbe nicht ſo ſehr durch
legislative Reflexion, als vielmehr durch den natürlichen Gang der
Dinge entſtanden und hat erſt ſpäter ſeine feſte Form erhalten. Frank-
reich hatte, wie das ganze übrige Europa, bereits ſeit Jahrhunderten
ſeine Kirchenbücher, deren erſte Ordnung bereits durch die Ordonnances
von 1539 (Villers Coterets) und ſpäter mehrfach verſucht ward. Als
aber mit der Revolution die ganze kirchliche Ordnung zuſammenbrach,
war an eine kirchliche Führung jener Regiſter nicht zu denken, und
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/262>, abgerufen am 16.02.2025.
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