registern fast nur dadurch unterschieden, daß sie von den Geistlichen und nicht von weltlichen Organen geführt werden. Preußen hat auf diesem Punkte, wie in so vielen Gebieten des öffentlichen Rechts, zwei Systeme; das eine ist das Oesterreichs und der meisten deutschen Staaten, wor- nach diese Register Kirchenregister sind, das zweite ist das förmliche Standesregister. Jenes gilt im Osten, dieses aus nahe liegenden Grün- den am Rhein. Frankreich hat mit seiner revolutionären Gesetzgebung den Sprung aus dem alten Kirchenbüchersystem unvermittelt in die reinen Standesregister gemacht, und England endlich ist ihm, freilich nach manchen unklaren Versuchen, darin gefolgt. Für die positiven Gesetze der übrigen Staaten fehlen mir noch die Quellen. Auch hier wird es die Aufgabe der Zukunft sein, ein Bild Europa's statt eines Theiles desselben zu geben.
Oesterreich. Die ersten Versuche, die Kirchenregister über Geburt, Ehe und Tod zu organisiren, rühren von Maria Theresia her (Dekret vom 10. Mai 1774); allein das eigentliche organische Gesetz für diesel- ben, das noch gegenwärtig gilt, ist das Patent vom 20. Februar 1784 von Joseph II. Die Grundgedanken dieses Gesetzes sind sehr klar. Die Register (die hier amtlich Matriken heißen) sollen von den Geist- lichen geführt werden, und zwar sowohl bei den Katholiken als bei den Akatholiken. Für diese Register sind gesetzliche Rubriken vorge- schrieben, und die Art und Weise der Eintragung genau bestimmt. Die Führung der Register steht aber, obwohl sie den Geistlichen obliegt, unter doppelter Oberaufsicht; einerseits unter der der geistlichen Behörden, andrerseits sollen auch die weltlichen Behörden sich von Zeit zu Zeit von der richtigen Führung überzeugen. Namentlich haben die Bezirks- behörden den Geistlichen aller Confessionen die (foliirten und besiegelten) vorschriftsmäßig rubricirten Kirchenbücher einzuhändigen; die Eintragung dagegen ist Sache der Geistlichen. Geburt, Tod und Ehe haben ihre besondern Rubriken. Die Aufstellung von Copien ist speciell durch Dekret vom 27. Juni 1835 angeordnet. Die Matrikenführer müssen jährlich eine Jahrestabelle zusammenstellen, für welche 1828 eigene Formularien vorgeschrieben worden, die mit einem Berichte be- gleitet sein sollen; auf Grundlage dieser Einsendungen werden dann jährliche Summarien verfaßt. (Das Gesetz selbst bei Kropatschek, Gesetzsammlung VI. 358. Der Inhalt desselben nebst den dazu ge- hörigen spätern Verordnungen bei Kopetz, Polizeigesetze von Oesterreich, Hauptst. II. §. 74--86. Ausführlicher und besser bei Stubenrauch, Verwaltungs-Gesetzkunde §. 167--176, nebst allen neueren Verordnun- gen und der darauf bezüglichen Literatur.)
Preußen. Das System des preußischen Rechts in Beziehung
regiſtern faſt nur dadurch unterſchieden, daß ſie von den Geiſtlichen und nicht von weltlichen Organen geführt werden. Preußen hat auf dieſem Punkte, wie in ſo vielen Gebieten des öffentlichen Rechts, zwei Syſteme; das eine iſt das Oeſterreichs und der meiſten deutſchen Staaten, wor- nach dieſe Regiſter Kirchenregiſter ſind, das zweite iſt das förmliche Standesregiſter. Jenes gilt im Oſten, dieſes aus nahe liegenden Grün- den am Rhein. Frankreich hat mit ſeiner revolutionären Geſetzgebung den Sprung aus dem alten Kirchenbücherſyſtem unvermittelt in die reinen Standesregiſter gemacht, und England endlich iſt ihm, freilich nach manchen unklaren Verſuchen, darin gefolgt. Für die poſitiven Geſetze der übrigen Staaten fehlen mir noch die Quellen. Auch hier wird es die Aufgabe der Zukunft ſein, ein Bild Europa’s ſtatt eines Theiles deſſelben zu geben.
Oeſterreich. Die erſten Verſuche, die Kirchenregiſter über Geburt, Ehe und Tod zu organiſiren, rühren von Maria Thereſia her (Dekret vom 10. Mai 1774); allein das eigentliche organiſche Geſetz für dieſel- ben, das noch gegenwärtig gilt, iſt das Patent vom 20. Februar 1784 von Joſeph II. Die Grundgedanken dieſes Geſetzes ſind ſehr klar. Die Regiſter (die hier amtlich Matriken heißen) ſollen von den Geiſt- lichen geführt werden, und zwar ſowohl bei den Katholiken als bei den Akatholiken. Für dieſe Regiſter ſind geſetzliche Rubriken vorge- ſchrieben, und die Art und Weiſe der Eintragung genau beſtimmt. Die Führung der Regiſter ſteht aber, obwohl ſie den Geiſtlichen obliegt, unter doppelter Oberaufſicht; einerſeits unter der der geiſtlichen Behörden, andrerſeits ſollen auch die weltlichen Behörden ſich von Zeit zu Zeit von der richtigen Führung überzeugen. Namentlich haben die Bezirks- behörden den Geiſtlichen aller Confeſſionen die (foliirten und beſiegelten) vorſchriftsmäßig rubricirten Kirchenbücher einzuhändigen; die Eintragung dagegen iſt Sache der Geiſtlichen. Geburt, Tod und Ehe haben ihre beſondern Rubriken. Die Aufſtellung von Copien iſt ſpeciell durch Dekret vom 27. Juni 1835 angeordnet. Die Matrikenführer müſſen jährlich eine Jahrestabelle zuſammenſtellen, für welche 1828 eigene Formularien vorgeſchrieben worden, die mit einem Berichte be- gleitet ſein ſollen; auf Grundlage dieſer Einſendungen werden dann jährliche Summarien verfaßt. (Das Geſetz ſelbſt bei Kropatſchek, Geſetzſammlung VI. 358. Der Inhalt deſſelben nebſt den dazu ge- hörigen ſpätern Verordnungen bei Kopetz, Polizeigeſetze von Oeſterreich, Hauptſt. II. §. 74—86. Ausführlicher und beſſer bei Stubenrauch, Verwaltungs-Geſetzkunde §. 167—176, nebſt allen neueren Verordnun- gen und der darauf bezüglichen Literatur.)
Preußen. Das Syſtem des preußiſchen Rechts in Beziehung
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nicht von weltlichen Organen geführt werden. Preußen hat auf dieſem
Punkte, wie in ſo vielen Gebieten des öffentlichen Rechts, zwei Syſteme;
das eine iſt das Oeſterreichs und der meiſten deutſchen Staaten, wor-
nach dieſe Regiſter Kirchenregiſter ſind, das zweite iſt das förmliche
Standesregiſter. Jenes gilt im Oſten, dieſes aus nahe liegenden Grün-
den am Rhein. Frankreich hat mit ſeiner revolutionären Geſetzgebung
den Sprung aus dem alten Kirchenbücherſyſtem unvermittelt in die
reinen Standesregiſter gemacht, und England endlich iſt ihm, freilich
nach manchen unklaren Verſuchen, darin gefolgt. Für die poſitiven
Geſetze der übrigen Staaten fehlen mir noch die Quellen. Auch hier
wird es die Aufgabe der Zukunft ſein, ein Bild Europa’s ſtatt eines
Theiles deſſelben zu geben.
Oeſterreich. Die erſten Verſuche, die Kirchenregiſter über Geburt,
Ehe und Tod zu organiſiren, rühren von Maria Thereſia her (Dekret
vom 10. Mai 1774); allein das eigentliche organiſche Geſetz für dieſel-
ben, das noch gegenwärtig gilt, iſt das Patent vom 20. Februar
1784 von Joſeph II. Die Grundgedanken dieſes Geſetzes ſind ſehr klar.
Die Regiſter (die hier amtlich Matriken heißen) ſollen von den Geiſt-
lichen geführt werden, und zwar ſowohl bei den Katholiken als bei
den Akatholiken. Für dieſe Regiſter ſind geſetzliche Rubriken vorge-
ſchrieben, und die Art und Weiſe der Eintragung genau beſtimmt.
Die Führung der Regiſter ſteht aber, obwohl ſie den Geiſtlichen obliegt,
unter doppelter Oberaufſicht; einerſeits unter der der geiſtlichen Behörden,
andrerſeits ſollen auch die weltlichen Behörden ſich von Zeit zu Zeit
von der richtigen Führung überzeugen. Namentlich haben die Bezirks-
behörden den Geiſtlichen aller Confeſſionen die (foliirten und beſiegelten)
vorſchriftsmäßig rubricirten Kirchenbücher einzuhändigen; die Eintragung
dagegen iſt Sache der Geiſtlichen. Geburt, Tod und Ehe haben ihre
beſondern Rubriken. Die Aufſtellung von Copien iſt ſpeciell durch
Dekret vom 27. Juni 1835 angeordnet. Die Matrikenführer müſſen
jährlich eine Jahrestabelle zuſammenſtellen, für welche 1828 eigene
Formularien vorgeſchrieben worden, die mit einem Berichte be-
gleitet ſein ſollen; auf Grundlage dieſer Einſendungen werden dann
jährliche Summarien verfaßt. (Das Geſetz ſelbſt bei Kropatſchek,
Geſetzſammlung VI. 358. Der Inhalt deſſelben nebſt den dazu ge-
hörigen ſpätern Verordnungen bei Kopetz, Polizeigeſetze von Oeſterreich,
Hauptſt. II. §. 74—86. Ausführlicher und beſſer bei Stubenrauch,
Verwaltungs-Geſetzkunde §. 167—176, nebſt allen neueren Verordnun-
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Preußen. Das Syſtem des preußiſchen Rechts in Beziehung
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/260>, abgerufen am 27.07.2024.
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