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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Der erste Blick auf die bisherige Staats- und Polizeiwissenschaft zeigt, daß
es ganz unmöglich ist zu sagen, wie dieselbe bisher dieß weite Gebiet aufgefaßt
hat, da sie es als Ganzes eben gar nicht kennt. Der Gedanke, daß die Ord-
nung der Bevölkerung als solche Gegenstand der Verwaltung sei, liegt allen
fern. Dennoch ist das vorige Jahrhundert darin weiter als das gegenwärtige,
indem die Alten, wie Justi, Süßmilch u. a., mit richtigem Verständniß wenig-
stens Zählung, Standesregister und Paßwesen in das Bevölkerungswesen auf-
genommen haben, während die Neueren, und selbst die Lehrer der sogenannten
Polizeiwissenschaft, über der Bevölkerungspolitik es durchaus vergessen, daß die
Verwaltung in Beziehung auf die Bevölkerung auch noch andere sehr wichtige
Functionen habe. Es bleibt uns daher nichts übrig für die Geschichte des Sy-
stems, als die Stellung anzugeben, welche die einzelnen Theile bei den Haupt-
vertretern der Staatswissenschaft gefunden haben.

I.
Das Zählungswesen.
1) Begriff und Bedeutung des Zählungswesens im
Allgemeinen
.

Die Verwaltungslehre hat von der Bevölkerungslehre die entschei-
dende Wichtigkeit der Zahl der Bevölkerung, die theils das Ergebniß
der Gesammtentwicklung, theils die quantitative Kraft des Gesammt-
lebens bedeutet, und die Gesetze, nach welchen sie sich bewegt, als
anerkannte Wahrheit anzunehmen. Sie hat zwar in der Bevölkerungs-
politik den Standpunkt verlassen, als könne der Staat mit seiner Ver-
waltung auf diese Zahl einen unmittelbaren Einfluß gewinnen. Allein
diese Zahl als Thatsache ist von hoher Bedeutung für die gesammte
Thätigkeit der Verwaltung. Daß und in welchen Hauptbeziehungen
dieß der Fall ist, wird vom Verwaltungsrecht der Bevölkerung gleich-
falls als anerkannt vorausgesetzt. Die Verwaltung hat daher, diesem
ihrem eigentlichen Objekt gegenüber, nur eine, aber eine nothwendige
Aufgabe. Sie muß die quantitativen Verhältnisse des ersten und letzten
Substrats all ihrer Wirksamkeit, der Bevölkerung, kennen. Diese
Kenntniß gewinnt sie durch ihre darauf gerichtete Thätigkeit; und diese
Thätigkeit ist die Zählung. Diese Zählung der Bevölkerung ist dem-
nach die Feststellung nicht bloß der Zahl, sondern aller quantitativen
Verhältnisse der Bevölkerung durch die Organe der vollziehenden Gewalt
und nach den dafür von der letzteren bestimmten Vorschriften. Und
die Gesammtheit dieser Vorschriften nennen wir das Zählungs-
wesen
.

Der erſte Blick auf die bisherige Staats- und Polizeiwiſſenſchaft zeigt, daß
es ganz unmöglich iſt zu ſagen, wie dieſelbe bisher dieß weite Gebiet aufgefaßt
hat, da ſie es als Ganzes eben gar nicht kennt. Der Gedanke, daß die Ord-
nung der Bevölkerung als ſolche Gegenſtand der Verwaltung ſei, liegt allen
fern. Dennoch iſt das vorige Jahrhundert darin weiter als das gegenwärtige,
indem die Alten, wie Juſti, Süßmilch u. a., mit richtigem Verſtändniß wenig-
ſtens Zählung, Standesregiſter und Paßweſen in das Bevölkerungsweſen auf-
genommen haben, während die Neueren, und ſelbſt die Lehrer der ſogenannten
Polizeiwiſſenſchaft, über der Bevölkerungspolitik es durchaus vergeſſen, daß die
Verwaltung in Beziehung auf die Bevölkerung auch noch andere ſehr wichtige
Functionen habe. Es bleibt uns daher nichts übrig für die Geſchichte des Sy-
ſtems, als die Stellung anzugeben, welche die einzelnen Theile bei den Haupt-
vertretern der Staatswiſſenſchaft gefunden haben.

I.
Das Zählungsweſen.
1) Begriff und Bedeutung des Zählungsweſens im
Allgemeinen
.

Die Verwaltungslehre hat von der Bevölkerungslehre die entſchei-
dende Wichtigkeit der Zahl der Bevölkerung, die theils das Ergebniß
der Geſammtentwicklung, theils die quantitative Kraft des Geſammt-
lebens bedeutet, und die Geſetze, nach welchen ſie ſich bewegt, als
anerkannte Wahrheit anzunehmen. Sie hat zwar in der Bevölkerungs-
politik den Standpunkt verlaſſen, als könne der Staat mit ſeiner Ver-
waltung auf dieſe Zahl einen unmittelbaren Einfluß gewinnen. Allein
dieſe Zahl als Thatſache iſt von hoher Bedeutung für die geſammte
Thätigkeit der Verwaltung. Daß und in welchen Hauptbeziehungen
dieß der Fall iſt, wird vom Verwaltungsrecht der Bevölkerung gleich-
falls als anerkannt vorausgeſetzt. Die Verwaltung hat daher, dieſem
ihrem eigentlichen Objekt gegenüber, nur eine, aber eine nothwendige
Aufgabe. Sie muß die quantitativen Verhältniſſe des erſten und letzten
Subſtrats all ihrer Wirkſamkeit, der Bevölkerung, kennen. Dieſe
Kenntniß gewinnt ſie durch ihre darauf gerichtete Thätigkeit; und dieſe
Thätigkeit iſt die Zählung. Dieſe Zählung der Bevölkerung iſt dem-
nach die Feſtſtellung nicht bloß der Zahl, ſondern aller quantitativen
Verhältniſſe der Bevölkerung durch die Organe der vollziehenden Gewalt
und nach den dafür von der letzteren beſtimmten Vorſchriften. Und
die Geſammtheit dieſer Vorſchriften nennen wir das Zählungs-
weſen
.

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[213/0235] Der erſte Blick auf die bisherige Staats- und Polizeiwiſſenſchaft zeigt, daß es ganz unmöglich iſt zu ſagen, wie dieſelbe bisher dieß weite Gebiet aufgefaßt hat, da ſie es als Ganzes eben gar nicht kennt. Der Gedanke, daß die Ord- nung der Bevölkerung als ſolche Gegenſtand der Verwaltung ſei, liegt allen fern. Dennoch iſt das vorige Jahrhundert darin weiter als das gegenwärtige, indem die Alten, wie Juſti, Süßmilch u. a., mit richtigem Verſtändniß wenig- ſtens Zählung, Standesregiſter und Paßweſen in das Bevölkerungsweſen auf- genommen haben, während die Neueren, und ſelbſt die Lehrer der ſogenannten Polizeiwiſſenſchaft, über der Bevölkerungspolitik es durchaus vergeſſen, daß die Verwaltung in Beziehung auf die Bevölkerung auch noch andere ſehr wichtige Functionen habe. Es bleibt uns daher nichts übrig für die Geſchichte des Sy- ſtems, als die Stellung anzugeben, welche die einzelnen Theile bei den Haupt- vertretern der Staatswiſſenſchaft gefunden haben. I. Das Zählungsweſen. 1) Begriff und Bedeutung des Zählungsweſens im Allgemeinen. Die Verwaltungslehre hat von der Bevölkerungslehre die entſchei- dende Wichtigkeit der Zahl der Bevölkerung, die theils das Ergebniß der Geſammtentwicklung, theils die quantitative Kraft des Geſammt- lebens bedeutet, und die Geſetze, nach welchen ſie ſich bewegt, als anerkannte Wahrheit anzunehmen. Sie hat zwar in der Bevölkerungs- politik den Standpunkt verlaſſen, als könne der Staat mit ſeiner Ver- waltung auf dieſe Zahl einen unmittelbaren Einfluß gewinnen. Allein dieſe Zahl als Thatſache iſt von hoher Bedeutung für die geſammte Thätigkeit der Verwaltung. Daß und in welchen Hauptbeziehungen dieß der Fall iſt, wird vom Verwaltungsrecht der Bevölkerung gleich- falls als anerkannt vorausgeſetzt. Die Verwaltung hat daher, dieſem ihrem eigentlichen Objekt gegenüber, nur eine, aber eine nothwendige Aufgabe. Sie muß die quantitativen Verhältniſſe des erſten und letzten Subſtrats all ihrer Wirkſamkeit, der Bevölkerung, kennen. Dieſe Kenntniß gewinnt ſie durch ihre darauf gerichtete Thätigkeit; und dieſe Thätigkeit iſt die Zählung. Dieſe Zählung der Bevölkerung iſt dem- nach die Feſtſtellung nicht bloß der Zahl, ſondern aller quantitativen Verhältniſſe der Bevölkerung durch die Organe der vollziehenden Gewalt und nach den dafür von der letzteren beſtimmten Vorſchriften. Und die Geſammtheit dieſer Vorſchriften nennen wir das Zählungs- weſen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/235>, abgerufen am 24.11.2024.