Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.entwickeln, so ist es ganz natürlich und ja doch auch historisch unbe- Daher ist nutzlos, darüber im Allgemeinen zu reden. Vielleicht Da nämlich jede Gesellschaftsordnung ihre Auswanderung hat, so entwickeln, ſo iſt es ganz natürlich und ja doch auch hiſtoriſch unbe- Daher iſt nutzlos, darüber im Allgemeinen zu reden. Vielleicht Da nämlich jede Geſellſchaftsordnung ihre Auswanderung hat, ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0207" n="185"/> entwickeln, ſo iſt es ganz natürlich und ja doch auch hiſtoriſch unbe-<lb/> zweifelt, daß in jeder Geſellſchaftsordnung der Kampf der Niederen mit<lb/> den Höheren zur Erſcheinung gelangt. Ja, das iſt nicht bloß ſo im<lb/> Allgemeinen wahr, ſondern der wahre Inhalt der innern Geſchichte aller<lb/> Zeiten und Völker beſteht immer ſeiner einen Seite nach in dem wun-<lb/> derbar großen und reichen Bilde, das ſich uns entfaltet, wenn wir den<lb/><hi rendition="#g">doppelten</hi> Kampf, einerſeits den Kampf der einen Geſellſchaftsordnung<lb/> mit der andern, der Geſchlechterwelt mit der ſtändiſchen, der ſtändiſchen<lb/> mit der ſtaatsbürgerlichen, und der letzteren wieder mit den erſteren<lb/> betrachten, andererſeits aber den Kampf der drei Claſſen <hi rendition="#g">innerhalb</hi><lb/> jeder dieſer Ordnungen unter einander und mit den Claſſen der andern<lb/> Ordnung. <hi rendition="#g">Das</hi> iſt es, was dem Menſchenleben ſeinen unerſchöpflichen<lb/> Reichthum gibt, neben dem der Reichthum der Natur faſt als Armuth<lb/> erſcheint, namentlich wenn man ſich nun noch die Individualität des<lb/> Einzelnen und die mächtige Erſcheinung der werdenden Staatsperſön-<lb/> lichkeit hinzudenkt, die ihrerſeits wieder wirkend eingreifen. Und immer<lb/> und immer kommen wir darauf zurück, daß das Menſchenleben und die<lb/> Geſchichte nur auf dieſem Wege verſtanden werden kann. Unendlich iſt<lb/> die Mannigfaltigkeit der Beziehungen, die ſich daraus ergeben, und das<lb/> menſchliche Auge vermag ſie weder je zu erſchöpfen, noch auch nur zu<lb/> verfolgen; aber die Aufgabe unſeres Erkennens liegt hier, und nirgends<lb/> anders. Und wenn wir an der Stelle ernſter organiſcher Forſchungen<lb/> in dieſer Richtung ein mehr oder weniger geiſtreiches Auffaſſen ſubjek-<lb/> tiver Eindrücke, ein ſich Genügen in der Theorie, die ſich auf eigner<lb/> Fauſt die Welt zurecht macht, ſehen, ſo läugnen wir ja nicht die Be-<lb/> haglichkeit, die daraus für die Schreibenden und Leſenden entſteht; aber<lb/> wir läugnen die <hi rendition="#g">Wiſſenſchaft</hi>. Wie — in der ganzen Welt ſo weit<lb/> das menſchliche Auge reicht, herrſcht die feſte Ordnung gegebener,<lb/> unwandelbarer Kategorien, und im Leben der Menſchheit ſollte ſie <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> herrſchen? —</p><lb/> <p>Daher iſt nutzlos, darüber im Allgemeinen zu reden. Vielleicht<lb/> daß die ganz praktiſche, concrete Anwendung dieſer elementaren Grund-<lb/> begriffe uns weiter bringt, als die tiefſte Philoſophie. Kehren wir<lb/> unmittelbar zum Auswanderungsweſen zurück.</p><lb/> <p>Da nämlich jede Geſellſchaftsordnung <hi rendition="#g">ihre</hi> Auswanderung hat, ſo<lb/> wird das Auswandern als ſolches ja wohl auf demjenigen Verhältniß<lb/> beruhen, das allen Geſellſchaftsordnungen gemeinſam iſt. Und das iſt<lb/> der Beſitz mit ſeinem Claſſenunterſchied. Und in der That kann es<lb/> auch hiſtoriſch gar kein Zweifel ſein, daß im Allgemeinen alle Aus-<lb/> wanderungen von der, <hi rendition="#g">von der höheren Claſſe bedrängten<lb/> niedern nichtbeſitzenden Claſſe</hi> ausgehen und ſich eben deßhalb<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0207]
entwickeln, ſo iſt es ganz natürlich und ja doch auch hiſtoriſch unbe-
zweifelt, daß in jeder Geſellſchaftsordnung der Kampf der Niederen mit
den Höheren zur Erſcheinung gelangt. Ja, das iſt nicht bloß ſo im
Allgemeinen wahr, ſondern der wahre Inhalt der innern Geſchichte aller
Zeiten und Völker beſteht immer ſeiner einen Seite nach in dem wun-
derbar großen und reichen Bilde, das ſich uns entfaltet, wenn wir den
doppelten Kampf, einerſeits den Kampf der einen Geſellſchaftsordnung
mit der andern, der Geſchlechterwelt mit der ſtändiſchen, der ſtändiſchen
mit der ſtaatsbürgerlichen, und der letzteren wieder mit den erſteren
betrachten, andererſeits aber den Kampf der drei Claſſen innerhalb
jeder dieſer Ordnungen unter einander und mit den Claſſen der andern
Ordnung. Das iſt es, was dem Menſchenleben ſeinen unerſchöpflichen
Reichthum gibt, neben dem der Reichthum der Natur faſt als Armuth
erſcheint, namentlich wenn man ſich nun noch die Individualität des
Einzelnen und die mächtige Erſcheinung der werdenden Staatsperſön-
lichkeit hinzudenkt, die ihrerſeits wieder wirkend eingreifen. Und immer
und immer kommen wir darauf zurück, daß das Menſchenleben und die
Geſchichte nur auf dieſem Wege verſtanden werden kann. Unendlich iſt
die Mannigfaltigkeit der Beziehungen, die ſich daraus ergeben, und das
menſchliche Auge vermag ſie weder je zu erſchöpfen, noch auch nur zu
verfolgen; aber die Aufgabe unſeres Erkennens liegt hier, und nirgends
anders. Und wenn wir an der Stelle ernſter organiſcher Forſchungen
in dieſer Richtung ein mehr oder weniger geiſtreiches Auffaſſen ſubjek-
tiver Eindrücke, ein ſich Genügen in der Theorie, die ſich auf eigner
Fauſt die Welt zurecht macht, ſehen, ſo läugnen wir ja nicht die Be-
haglichkeit, die daraus für die Schreibenden und Leſenden entſteht; aber
wir läugnen die Wiſſenſchaft. Wie — in der ganzen Welt ſo weit
das menſchliche Auge reicht, herrſcht die feſte Ordnung gegebener,
unwandelbarer Kategorien, und im Leben der Menſchheit ſollte ſie nicht
herrſchen? —
Daher iſt nutzlos, darüber im Allgemeinen zu reden. Vielleicht
daß die ganz praktiſche, concrete Anwendung dieſer elementaren Grund-
begriffe uns weiter bringt, als die tiefſte Philoſophie. Kehren wir
unmittelbar zum Auswanderungsweſen zurück.
Da nämlich jede Geſellſchaftsordnung ihre Auswanderung hat, ſo
wird das Auswandern als ſolches ja wohl auf demjenigen Verhältniß
beruhen, das allen Geſellſchaftsordnungen gemeinſam iſt. Und das iſt
der Beſitz mit ſeinem Claſſenunterſchied. Und in der That kann es
auch hiſtoriſch gar kein Zweifel ſein, daß im Allgemeinen alle Aus-
wanderungen von der, von der höheren Claſſe bedrängten
niedern nichtbeſitzenden Claſſe ausgehen und ſich eben deßhalb
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