Ueberwachung zurückzuführen trachtet. Die innere Gränze zwischen bei- den Principien und ihren entsprechenden Rechtssystemen war offenbar die Fähigkeit zum eigenen Erwerb; jeder Erwerbsfähige sollte einwandern; jeder Erwerbslose sollte von der Einwanderung abgehalten werden. Diese Gränze bedurfte aber eines äußeren Kriteriums, und dieß Krite- rium fand man namentlich in Deutschland darin, ob der Einwandernde ein Ausländer oder ein Inländer war. Im Allgemeinen hat die Verwaltung der großen deutschen Staaten den Grundsatz zur Durch- führung gebracht, daß die Einwanderung von Ausländern mit allen Mitteln zu befördern sei, während sie der innern Bewegung der Einwanderung, der Wanderung von Provinz zu Provinz und von Stadt zu Stadt, die größten Hemmnisse entgegensetzte. Dieser Wider- spruch hatte seinen guten historischen Grund. Bei der Strenge des meistens auf Zunftinteressen oder auf der Gutshörigkeit beruhenden Heimathsrechts war es von vornherein wahrscheinlich, daß ein wandern- der Inländer besitz- und erwerblos sein werde, während namentlich die religiösen Verfolgungen in Frankreich und später die Entwicklung der Technik es als fast gewiß erscheinen ließen, daß der einwandernde Aus- länder entweder ein ehrenhaster Mann oder ein tüchtiger und werth- voller Arbeiter sei. So entstanden mit diesen beiden Ansichten auch zwei gesetzliche Verwaltungssysteme. Das erste, negative, schrieb sich noch zum Theil aus dem Heimathswesen der ständischen Epoche her (siehe unten) und erzeugte einerseits eine strenge und systematische Ver- folgung der heimathlosen Herumzieher, auf dem richtigen Instinkt be- ruhend, daß man auch keine Einwanderung ohne die Wahrscheinlichkeit der Niederlassung zulassen wolle. Das zweite dagegen theilt sich in zwei große, jedoch auf derselben Grundlage beruhende Zweige. Das erste, was die Regierungen versuchten, war die Hervorrufung von eigenen Ansiedlungen oder die regelmäßige Herstellung der oben bezeichneten innern Colonisation, namentlich auf den wenig bevölkerten Staats- domänen als "Colonistendörfer." Das zweite dagegen enthielt eine ganze Reihe von Vorschriften über die indirekte Unterstützung der ein- wandernden Fremden, Vorschriften, durch welche sich namentlich Preußen und Oesterreich auszeichneten. Es ist nicht zu verkennen, daß die Be- völkerungstheorie mit ihrem Anpreisen der Zunahme der Bevölkerung einen nicht geringen Antheil an diesen Bestrebungen hatte. -- Der Satz Süßmilch's namentlich, den wir bereits citirt, daß jeder Arbeiter einen Werth habe, erzeugte als Consequenz den Versuch der Verwaltung, die Ansiedlungen auch von Einzelnen mit direkten Capitals- anlagen zu unterstützen, wobei jedoch stets festgehalten werden muß, daß diese Sorge für die Einwanderung eben so sehr eine Förderung der
Ueberwachung zurückzuführen trachtet. Die innere Gränze zwiſchen bei- den Principien und ihren entſprechenden Rechtsſyſtemen war offenbar die Fähigkeit zum eigenen Erwerb; jeder Erwerbsfähige ſollte einwandern; jeder Erwerbsloſe ſollte von der Einwanderung abgehalten werden. Dieſe Gränze bedurfte aber eines äußeren Kriteriums, und dieß Krite- rium fand man namentlich in Deutſchland darin, ob der Einwandernde ein Ausländer oder ein Inländer war. Im Allgemeinen hat die Verwaltung der großen deutſchen Staaten den Grundſatz zur Durch- führung gebracht, daß die Einwanderung von Ausländern mit allen Mitteln zu befördern ſei, während ſie der innern Bewegung der Einwanderung, der Wanderung von Provinz zu Provinz und von Stadt zu Stadt, die größten Hemmniſſe entgegenſetzte. Dieſer Wider- ſpruch hatte ſeinen guten hiſtoriſchen Grund. Bei der Strenge des meiſtens auf Zunftintereſſen oder auf der Gutshörigkeit beruhenden Heimathsrechts war es von vornherein wahrſcheinlich, daß ein wandern- der Inländer beſitz- und erwerblos ſein werde, während namentlich die religiöſen Verfolgungen in Frankreich und ſpäter die Entwicklung der Technik es als faſt gewiß erſcheinen ließen, daß der einwandernde Aus- länder entweder ein ehrenhaſter Mann oder ein tüchtiger und werth- voller Arbeiter ſei. So entſtanden mit dieſen beiden Anſichten auch zwei geſetzliche Verwaltungsſyſteme. Das erſte, negative, ſchrieb ſich noch zum Theil aus dem Heimathsweſen der ſtändiſchen Epoche her (ſiehe unten) und erzeugte einerſeits eine ſtrenge und ſyſtematiſche Ver- folgung der heimathloſen Herumzieher, auf dem richtigen Inſtinkt be- ruhend, daß man auch keine Einwanderung ohne die Wahrſcheinlichkeit der Niederlaſſung zulaſſen wolle. Das zweite dagegen theilt ſich in zwei große, jedoch auf derſelben Grundlage beruhende Zweige. Das erſte, was die Regierungen verſuchten, war die Hervorrufung von eigenen Anſiedlungen oder die regelmäßige Herſtellung der oben bezeichneten innern Coloniſation, namentlich auf den wenig bevölkerten Staats- domänen als „Coloniſtendörfer.“ Das zweite dagegen enthielt eine ganze Reihe von Vorſchriften über die indirekte Unterſtützung der ein- wandernden Fremden, Vorſchriften, durch welche ſich namentlich Preußen und Oeſterreich auszeichneten. Es iſt nicht zu verkennen, daß die Be- völkerungstheorie mit ihrem Anpreiſen der Zunahme der Bevölkerung einen nicht geringen Antheil an dieſen Beſtrebungen hatte. — Der Satz Süßmilch’s namentlich, den wir bereits citirt, daß jeder Arbeiter einen Werth habe, erzeugte als Conſequenz den Verſuch der Verwaltung, die Anſiedlungen auch von Einzelnen mit direkten Capitals- anlagen zu unterſtützen, wobei jedoch ſtets feſtgehalten werden muß, daß dieſe Sorge für die Einwanderung eben ſo ſehr eine Förderung der
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Ueberwachung zurückzuführen trachtet. Die innere Gränze zwiſchen bei-
den Principien und ihren entſprechenden Rechtsſyſtemen war offenbar die
Fähigkeit zum eigenen Erwerb; jeder Erwerbsfähige ſollte einwandern;
jeder Erwerbsloſe ſollte von der Einwanderung abgehalten werden.
Dieſe Gränze bedurfte aber eines äußeren Kriteriums, und dieß Krite-
rium fand man namentlich in Deutſchland darin, ob der Einwandernde
ein Ausländer oder ein Inländer war. Im Allgemeinen hat die
Verwaltung der großen deutſchen Staaten den Grundſatz zur Durch-
führung gebracht, daß die Einwanderung von Ausländern mit
allen Mitteln zu befördern ſei, während ſie der innern Bewegung
der Einwanderung, der Wanderung von Provinz zu Provinz und von
Stadt zu Stadt, die größten Hemmniſſe entgegenſetzte. Dieſer Wider-
ſpruch hatte ſeinen guten hiſtoriſchen Grund. Bei der Strenge des
meiſtens auf Zunftintereſſen oder auf der Gutshörigkeit beruhenden
Heimathsrechts war es von vornherein wahrſcheinlich, daß ein wandern-
der Inländer beſitz- und erwerblos ſein werde, während namentlich die
religiöſen Verfolgungen in Frankreich und ſpäter die Entwicklung der
Technik es als faſt gewiß erſcheinen ließen, daß der einwandernde Aus-
länder entweder ein ehrenhaſter Mann oder ein tüchtiger und werth-
voller Arbeiter ſei. So entſtanden mit dieſen beiden Anſichten auch
zwei geſetzliche Verwaltungsſyſteme. Das erſte, negative, ſchrieb ſich
noch zum Theil aus dem Heimathsweſen der ſtändiſchen Epoche her
(ſiehe unten) und erzeugte einerſeits eine ſtrenge und ſyſtematiſche Ver-
folgung der heimathloſen Herumzieher, auf dem richtigen Inſtinkt be-
ruhend, daß man auch keine Einwanderung ohne die Wahrſcheinlichkeit
der Niederlaſſung zulaſſen wolle. Das zweite dagegen theilt ſich in zwei
große, jedoch auf derſelben Grundlage beruhende Zweige. Das erſte,
was die Regierungen verſuchten, war die Hervorrufung von eigenen
Anſiedlungen oder die regelmäßige Herſtellung der oben bezeichneten
innern Coloniſation, namentlich auf den wenig bevölkerten Staats-
domänen als „Coloniſtendörfer.“ Das zweite dagegen enthielt eine
ganze Reihe von Vorſchriften über die indirekte Unterſtützung der ein-
wandernden Fremden, Vorſchriften, durch welche ſich namentlich Preußen
und Oeſterreich auszeichneten. Es iſt nicht zu verkennen, daß die Be-
völkerungstheorie mit ihrem Anpreiſen der Zunahme der Bevölkerung
einen nicht geringen Antheil an dieſen Beſtrebungen hatte. —
Der Satz Süßmilch’s namentlich, den wir bereits citirt, daß jeder
Arbeiter einen Werth habe, erzeugte als Conſequenz den Verſuch der
Verwaltung, die Anſiedlungen auch von Einzelnen mit direkten Capitals-
anlagen zu unterſtützen, wobei jedoch ſtets feſtgehalten werden muß,
daß dieſe Sorge für die Einwanderung eben ſo ſehr eine Förderung der
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/197>, abgerufen am 24.11.2024.
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