Körper, Landtag, Landtafel, was dann wieder als Rest des Einwan- derungsrechts der Geschlechterordnung betrachtet werden muß, die ja be- kanntlich in allen Beziehungen mit der Grundherrlichkeit verschmilzt.
b) Die Geistlichkeit, als Vertreterin des an sich freien geistigen Elements der ständischen Ordnung des Berufes, ist principiell gleich- gültig gegen den Besitz des Einzelnen. Bei ihr fällt zuerst die Hei- math mit der örtlichen Ausübung des Berufes zusammen, und mit diesem Satze hat sie dem heutigen freien Heimathswesen vor- gearbeitet. Sie kennt daher als solche den örtlichen Begriff der Hei- math nicht, und an die Stelle der Niederlassung des Einzelnen tritt die Pflicht, seinen Beruf auszuüben, wohin er gesendet wird. Er ist überhaupt als Einzelner rechtlich nur Mitglied der geistlichen Körper- schaft, und bei dieser kann man weder von Niederlassung noch von Ein- wanderung reden, sondern die Körperschaft selbst, die Kirche, das Klo- ster, wird errichtet und bildet damit einen Körper für sich, der nach eigenen Gesetzen lebt. Hätte Roscher seinen Begriff der Colonie nicht nach der traditionellen Auffassung zu sehr beschränkt, so würde er ge- sehen haben, daß nicht eben bloß die Eroberungscolonien, sondern viel- mehr die Berufscolonien "die bürgerliche Gesellschaft in Kasten zu zersplittern pflegen" (Seite 7. 8). Andererseits ist die wirthschaftliche Geschichte dieser geistlichen Berufscolonie, namentlich der Klöster, noch zu schreiben. Denn es ist kein Zweifel, daß gerade die Klöster in den meisten Fällen die Mittelpunkte und Lehrschulen der geordneten Land- wirthschaft gewesen sind, und daß sie für die Entwicklung der letztern namentlich an den Gränzen Deutschlands dasselbe geleistet haben, was die römischen Militärcolonien für die römische Waffenherrschaft, einseitig wie diese, aber auch mächtig und vielfach höchst förderlich wirkend. -- In jedem Falle ist es jene Stellung der Geistlichkeit, welche dann auch auf die Universitäten und die berufsmäßige Einwanderung zuerst der Gelehrten und dann der berufsmäßigen Stände, Advokaten und Aerzte überging, und diesen die freie Bewegung möglich gemacht haben. Klar ist es aber, daß auf diese Weise die Einwanderung und ihr Recht für den Beruf der ständischen Epoche als ein selbständiges Ganze erscheint, dessen Princip es war und noch gegenwärtig gilt (Niederlassung fremder Aerzte, Nostrification von Doctoren), daß die rechtliche Be- dingung der Einwanderung und Niederlassung weder Geschlecht noch Besitz, sondern die Anerkennung der berufsmäßigen Bil- dung (wesentlich durch eine Niederlassungsprüfung) geworden ist.
c) Wieder anders ist das Einwanderungsrecht in dem dritten Stande. Die Natur der Städte bringt es mit sich, daß hier die Ein- wanderung nur von Einzelnen möglich ist, und daß sie andererseits
Körper, Landtag, Landtafel, was dann wieder als Reſt des Einwan- derungsrechts der Geſchlechterordnung betrachtet werden muß, die ja be- kanntlich in allen Beziehungen mit der Grundherrlichkeit verſchmilzt.
b) Die Geiſtlichkeit, als Vertreterin des an ſich freien geiſtigen Elements der ſtändiſchen Ordnung des Berufes, iſt principiell gleich- gültig gegen den Beſitz des Einzelnen. Bei ihr fällt zuerſt die Hei- math mit der örtlichen Ausübung des Berufes zuſammen, und mit dieſem Satze hat ſie dem heutigen freien Heimathsweſen vor- gearbeitet. Sie kennt daher als ſolche den örtlichen Begriff der Hei- math nicht, und an die Stelle der Niederlaſſung des Einzelnen tritt die Pflicht, ſeinen Beruf auszuüben, wohin er geſendet wird. Er iſt überhaupt als Einzelner rechtlich nur Mitglied der geiſtlichen Körper- ſchaft, und bei dieſer kann man weder von Niederlaſſung noch von Ein- wanderung reden, ſondern die Körperſchaft ſelbſt, die Kirche, das Klo- ſter, wird errichtet und bildet damit einen Körper für ſich, der nach eigenen Geſetzen lebt. Hätte Roſcher ſeinen Begriff der Colonie nicht nach der traditionellen Auffaſſung zu ſehr beſchränkt, ſo würde er ge- ſehen haben, daß nicht eben bloß die Eroberungscolonien, ſondern viel- mehr die Berufscolonien „die bürgerliche Geſellſchaft in Kaſten zu zerſplittern pflegen“ (Seite 7. 8). Andererſeits iſt die wirthſchaftliche Geſchichte dieſer geiſtlichen Berufscolonie, namentlich der Klöſter, noch zu ſchreiben. Denn es iſt kein Zweifel, daß gerade die Klöſter in den meiſten Fällen die Mittelpunkte und Lehrſchulen der geordneten Land- wirthſchaft geweſen ſind, und daß ſie für die Entwicklung der letztern namentlich an den Gränzen Deutſchlands daſſelbe geleiſtet haben, was die römiſchen Militärcolonien für die römiſche Waffenherrſchaft, einſeitig wie dieſe, aber auch mächtig und vielfach höchſt förderlich wirkend. — In jedem Falle iſt es jene Stellung der Geiſtlichkeit, welche dann auch auf die Univerſitäten und die berufsmäßige Einwanderung zuerſt der Gelehrten und dann der berufsmäßigen Stände, Advokaten und Aerzte überging, und dieſen die freie Bewegung möglich gemacht haben. Klar iſt es aber, daß auf dieſe Weiſe die Einwanderung und ihr Recht für den Beruf der ſtändiſchen Epoche als ein ſelbſtändiges Ganze erſcheint, deſſen Princip es war und noch gegenwärtig gilt (Niederlaſſung fremder Aerzte, Noſtrification von Doctoren), daß die rechtliche Be- dingung der Einwanderung und Niederlaſſung weder Geſchlecht noch Beſitz, ſondern die Anerkennung der berufsmäßigen Bil- dung (weſentlich durch eine Niederlaſſungsprüfung) geworden iſt.
c) Wieder anders iſt das Einwanderungsrecht in dem dritten Stande. Die Natur der Städte bringt es mit ſich, daß hier die Ein- wanderung nur von Einzelnen möglich iſt, und daß ſie andererſeits
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Körper, Landtag, Landtafel, was dann wieder als Reſt des Einwan-
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kanntlich in allen Beziehungen mit der Grundherrlichkeit verſchmilzt.
b) Die Geiſtlichkeit, als Vertreterin des an ſich freien geiſtigen
Elements der ſtändiſchen Ordnung des Berufes, iſt principiell gleich-
gültig gegen den Beſitz des Einzelnen. Bei ihr fällt zuerſt die Hei-
math mit der örtlichen Ausübung des Berufes zuſammen,
und mit dieſem Satze hat ſie dem heutigen freien Heimathsweſen vor-
gearbeitet. Sie kennt daher als ſolche den örtlichen Begriff der Hei-
math nicht, und an die Stelle der Niederlaſſung des Einzelnen tritt
die Pflicht, ſeinen Beruf auszuüben, wohin er geſendet wird. Er iſt
überhaupt als Einzelner rechtlich nur Mitglied der geiſtlichen Körper-
ſchaft, und bei dieſer kann man weder von Niederlaſſung noch von Ein-
wanderung reden, ſondern die Körperſchaft ſelbſt, die Kirche, das Klo-
ſter, wird errichtet und bildet damit einen Körper für ſich, der nach
eigenen Geſetzen lebt. Hätte Roſcher ſeinen Begriff der Colonie nicht
nach der traditionellen Auffaſſung zu ſehr beſchränkt, ſo würde er ge-
ſehen haben, daß nicht eben bloß die Eroberungscolonien, ſondern viel-
mehr die Berufscolonien „die bürgerliche Geſellſchaft in Kaſten zu
zerſplittern pflegen“ (Seite 7. 8). Andererſeits iſt die wirthſchaftliche
Geſchichte dieſer geiſtlichen Berufscolonie, namentlich der Klöſter, noch
zu ſchreiben. Denn es iſt kein Zweifel, daß gerade die Klöſter in den
meiſten Fällen die Mittelpunkte und Lehrſchulen der geordneten Land-
wirthſchaft geweſen ſind, und daß ſie für die Entwicklung der letztern
namentlich an den Gränzen Deutſchlands daſſelbe geleiſtet haben, was
die römiſchen Militärcolonien für die römiſche Waffenherrſchaft, einſeitig
wie dieſe, aber auch mächtig und vielfach höchſt förderlich wirkend. —
In jedem Falle iſt es jene Stellung der Geiſtlichkeit, welche dann auch
auf die Univerſitäten und die berufsmäßige Einwanderung zuerſt der
Gelehrten und dann der berufsmäßigen Stände, Advokaten und Aerzte
überging, und dieſen die freie Bewegung möglich gemacht haben. Klar
iſt es aber, daß auf dieſe Weiſe die Einwanderung und ihr Recht für
den Beruf der ſtändiſchen Epoche als ein ſelbſtändiges Ganze erſcheint,
deſſen Princip es war und noch gegenwärtig gilt (Niederlaſſung
fremder Aerzte, Noſtrification von Doctoren), daß die rechtliche Be-
dingung der Einwanderung und Niederlaſſung weder Geſchlecht
noch Beſitz, ſondern die Anerkennung der berufsmäßigen Bil-
dung (weſentlich durch eine Niederlaſſungsprüfung) geworden iſt.
c) Wieder anders iſt das Einwanderungsrecht in dem dritten
Stande. Die Natur der Städte bringt es mit ſich, daß hier die Ein-
wanderung nur von Einzelnen möglich iſt, und daß ſie andererſeits
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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