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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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wie die ehelichen. Und in der That hätte auch jener Standpunkt nicht
durchgegriffen, wenn nicht die Exclusivität der bis in die neueste Zeit
bestandenen Zünfte und Innungen fast mehr noch die Niederlassung zum
Gewerbebetrieb, als die Verehelichung an sich zu verhindern getrachtet
hätte. Eben deßhalb behaupten wir, daß dieser Rest des mittelalter-
lichen Rechts erst dann ganz verschwinden wird, wenn das Gewerbe
ganz frei sein wird. Vor der Hand besteht dasselbe jedoch, und die
Hauptformen desselben sind, so viel wir sehen, folgende.

Was zuerst Oesterreich betrifft, so war die Ehe mit dem ge-
sammten Stande der Bauern bis 1848 unfrei; jetzt dagegen ist sie
frei, und Oesterreich steht daher jetzt auf demselben Standpunkte wie
Preußen, wo die Eheverweigerung wegen mangelnden Auskommens
den Eltern und Vormündern zugewiesen ist. Dabei hatten die Städte
neben den Landgemeinden meistens ihr besonderes Recht; doch behielten
sich stets die Beamten das Recht vor, eine endgültige Entscheidung dar-
über auszusprechen, die meist im Sinne der freieren Bewegung ausfiel.
Im Großen und Ganzen war nach Herzog (Systematische Gesetze über
den politischen Eheconsens 1829) und Stubenrauch (Verwaltungs-
gesetzkunde §. 339) der Gang der Gesetze folgender. Bis 1848 hatten
die Inhaber der Patrimonialgerichte als Gemeindepolizeibehörden das
Recht der Eheverbote, bis dieses Recht durch die Aufhebung der Unter-
thänigkeitsverhältnisse (Patent vom 7. Sept. 1848) aufgehoben ward.
Für diejenigen Reichstheile dagegen, welche in keinem solchen Abhängig-
keitsverhältnisse standen (Städte etc.), bestanden früher oft besondere
Rechte der städtischen Obrigkeiten, bis dieselben durch Verordnung vom
12. Januar 1815 zunächst für Wien geregelt und dann allgemein
ausgedehnt wurden. Darnach sind die Classen genau bezeichnet, welche
keines Eheconsenses von Seiten der Behörden bedürfen; die übrigen
müssen einen zur Ernährung der Familie ausreichenden Unterhalt nach-
weisen. Die Gültigkeit dieser Grundsätze ist durch Erlaß vom 21. Juni
erhalten worden. Specielle Vorschriften über die Verheirathung von
Gesellen schon seit dem 22. December 1796. Ebenso sollen Vaga-
bunden und Bettler vom Heirathen abgehalten werden. (Kopetz,
österreich. polit. Gesetzkunde 1807. I. §. 124.) Doch wird ein Recurs
an die höhern politischen Behörden zugelassen. -- Hier ist, wie man
sieht, noch der ehepolizeiliche Standpunkt speciell für Erwerblose fest-
gehalten, und zwar neben dem Standpunkt der Gemeindebewilligung.
Ein ganz ähnliches Verhältniß findet statt im Königreich Sachsen.
Hier sind alle Ehen vor dem 21. Jahre durch Mandat vom 20. Sept.
1826 verboten; ebenso Taubstummen, wenn sie nicht schreiben können
(Mandat von 1820); doch kann von beiden dispensirt werden (Funke,

wie die ehelichen. Und in der That hätte auch jener Standpunkt nicht
durchgegriffen, wenn nicht die Excluſivität der bis in die neueſte Zeit
beſtandenen Zünfte und Innungen faſt mehr noch die Niederlaſſung zum
Gewerbebetrieb, als die Verehelichung an ſich zu verhindern getrachtet
hätte. Eben deßhalb behaupten wir, daß dieſer Reſt des mittelalter-
lichen Rechts erſt dann ganz verſchwinden wird, wenn das Gewerbe
ganz frei ſein wird. Vor der Hand beſteht daſſelbe jedoch, und die
Hauptformen deſſelben ſind, ſo viel wir ſehen, folgende.

Was zuerſt Oeſterreich betrifft, ſo war die Ehe mit dem ge-
ſammten Stande der Bauern bis 1848 unfrei; jetzt dagegen iſt ſie
frei, und Oeſterreich ſteht daher jetzt auf demſelben Standpunkte wie
Preußen, wo die Eheverweigerung wegen mangelnden Auskommens
den Eltern und Vormündern zugewieſen iſt. Dabei hatten die Städte
neben den Landgemeinden meiſtens ihr beſonderes Recht; doch behielten
ſich ſtets die Beamten das Recht vor, eine endgültige Entſcheidung dar-
über auszuſprechen, die meiſt im Sinne der freieren Bewegung ausfiel.
Im Großen und Ganzen war nach Herzog (Syſtematiſche Geſetze über
den politiſchen Eheconſens 1829) und Stubenrauch (Verwaltungs-
geſetzkunde §. 339) der Gang der Geſetze folgender. Bis 1848 hatten
die Inhaber der Patrimonialgerichte als Gemeindepolizeibehörden das
Recht der Eheverbote, bis dieſes Recht durch die Aufhebung der Unter-
thänigkeitsverhältniſſe (Patent vom 7. Sept. 1848) aufgehoben ward.
Für diejenigen Reichstheile dagegen, welche in keinem ſolchen Abhängig-
keitsverhältniſſe ſtanden (Städte ꝛc.), beſtanden früher oft beſondere
Rechte der ſtädtiſchen Obrigkeiten, bis dieſelben durch Verordnung vom
12. Januar 1815 zunächſt für Wien geregelt und dann allgemein
ausgedehnt wurden. Darnach ſind die Claſſen genau bezeichnet, welche
keines Eheconſenſes von Seiten der Behörden bedürfen; die übrigen
müſſen einen zur Ernährung der Familie ausreichenden Unterhalt nach-
weiſen. Die Gültigkeit dieſer Grundſätze iſt durch Erlaß vom 21. Juni
erhalten worden. Specielle Vorſchriften über die Verheirathung von
Geſellen ſchon ſeit dem 22. December 1796. Ebenſo ſollen Vaga-
bunden und Bettler vom Heirathen abgehalten werden. (Kopetz,
öſterreich. polit. Geſetzkunde 1807. I. §. 124.) Doch wird ein Recurs
an die höhern politiſchen Behörden zugelaſſen. — Hier iſt, wie man
ſieht, noch der ehepolizeiliche Standpunkt ſpeciell für Erwerbloſe feſt-
gehalten, und zwar neben dem Standpunkt der Gemeindebewilligung.
Ein ganz ähnliches Verhältniß findet ſtatt im Königreich Sachſen.
Hier ſind alle Ehen vor dem 21. Jahre durch Mandat vom 20. Sept.
1826 verboten; ebenſo Taubſtummen, wenn ſie nicht ſchreiben können
(Mandat von 1820); doch kann von beiden dispenſirt werden (Funke,

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[153/0175] wie die ehelichen. Und in der That hätte auch jener Standpunkt nicht durchgegriffen, wenn nicht die Excluſivität der bis in die neueſte Zeit beſtandenen Zünfte und Innungen faſt mehr noch die Niederlaſſung zum Gewerbebetrieb, als die Verehelichung an ſich zu verhindern getrachtet hätte. Eben deßhalb behaupten wir, daß dieſer Reſt des mittelalter- lichen Rechts erſt dann ganz verſchwinden wird, wenn das Gewerbe ganz frei ſein wird. Vor der Hand beſteht daſſelbe jedoch, und die Hauptformen deſſelben ſind, ſo viel wir ſehen, folgende. Was zuerſt Oeſterreich betrifft, ſo war die Ehe mit dem ge- ſammten Stande der Bauern bis 1848 unfrei; jetzt dagegen iſt ſie frei, und Oeſterreich ſteht daher jetzt auf demſelben Standpunkte wie Preußen, wo die Eheverweigerung wegen mangelnden Auskommens den Eltern und Vormündern zugewieſen iſt. Dabei hatten die Städte neben den Landgemeinden meiſtens ihr beſonderes Recht; doch behielten ſich ſtets die Beamten das Recht vor, eine endgültige Entſcheidung dar- über auszuſprechen, die meiſt im Sinne der freieren Bewegung ausfiel. Im Großen und Ganzen war nach Herzog (Syſtematiſche Geſetze über den politiſchen Eheconſens 1829) und Stubenrauch (Verwaltungs- geſetzkunde §. 339) der Gang der Geſetze folgender. Bis 1848 hatten die Inhaber der Patrimonialgerichte als Gemeindepolizeibehörden das Recht der Eheverbote, bis dieſes Recht durch die Aufhebung der Unter- thänigkeitsverhältniſſe (Patent vom 7. Sept. 1848) aufgehoben ward. Für diejenigen Reichstheile dagegen, welche in keinem ſolchen Abhängig- keitsverhältniſſe ſtanden (Städte ꝛc.), beſtanden früher oft beſondere Rechte der ſtädtiſchen Obrigkeiten, bis dieſelben durch Verordnung vom 12. Januar 1815 zunächſt für Wien geregelt und dann allgemein ausgedehnt wurden. Darnach ſind die Claſſen genau bezeichnet, welche keines Eheconſenſes von Seiten der Behörden bedürfen; die übrigen müſſen einen zur Ernährung der Familie ausreichenden Unterhalt nach- weiſen. Die Gültigkeit dieſer Grundſätze iſt durch Erlaß vom 21. Juni erhalten worden. Specielle Vorſchriften über die Verheirathung von Geſellen ſchon ſeit dem 22. December 1796. Ebenſo ſollen Vaga- bunden und Bettler vom Heirathen abgehalten werden. (Kopetz, öſterreich. polit. Geſetzkunde 1807. I. §. 124.) Doch wird ein Recurs an die höhern politiſchen Behörden zugelaſſen. — Hier iſt, wie man ſieht, noch der ehepolizeiliche Standpunkt ſpeciell für Erwerbloſe feſt- gehalten, und zwar neben dem Standpunkt der Gemeindebewilligung. Ein ganz ähnliches Verhältniß findet ſtatt im Königreich Sachſen. Hier ſind alle Ehen vor dem 21. Jahre durch Mandat vom 20. Sept. 1826 verboten; ebenſo Taubſtummen, wenn ſie nicht ſchreiben können (Mandat von 1820); doch kann von beiden dispenſirt werden (Funke,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/175>, abgerufen am 25.11.2024.