fördern. Die wichtigste Verordnung, mit der diese Bewegung beginnt, ist die vom 13. Februar 1753. -- "Die Obrigkeiten sollen ihren Unterthanen die Erlaubniß zur Verehelichung willig ertheilen -- viel- mehr den Ehen alle Beförderung zuwenden;" es wird ihnen ausdrücklich vorgeschrieben, "die zum Unterhalt der Verehelichten bestimmten und von ihnen gekauften Grundstücke nicht an sich zu ziehen." In demselben Sinne werden die Heirathsabgaben an die Obrigkeiten (Grundherren) herabgesetzt, und der Aufwand bei Heirathen verboten (Verordnung vom 16. Januar 1756 u. a.), sowie vorgeschrieben, daß auch die verhei- ratheten Gesellen zur "vollen Arbeit" angenommen werden sollen (Ver- ordnung vom 1. September 1770). In Brandenburg (vergl. C. C. March, V. 3) wird Beschränkung des Trauerjahres unter Friedrich II. ver- ordnet (Preuß, Geschichte Friedrichs II. S. 337), wie Roscher a. a. O. referirt. Zugleich aber nahm die neu entstehende Bevölkerungslehre die Sache in die Hand, und zwar anfangs unbedingt für das direkte Eingreifen der Verwaltung, wie Süßmilch (Capitel X. §. 215), der das hier aufgestellte System in den folgenden Capiteln des Weiteren ausführt, und in Capitel XI. und XII. namentlich auch die allgemeinen Gesichtspunkte, gute Sitten, Verhinderung des Luxus, Herstellung von Hebammenschulen u. s. w. als Beförderungsmittel der "allgemeinen Fruchtbarkeit" aufführt, ohne jedoch von direkter Unterstützung zu reden. Justi, der auf gleichem Standpunkte steht, hat doch schon ernstliche Bedenken bei jener allgemeinen Fruchtbarkeit; er hat gesunden Sinn genug, zu begreifen, daß schon "sechs bis sieben lebendige Kinder lästig genug sind für den Vater, und daß die Fälle gar nicht so häufig sind, wo sich der Staat dadurch unerträgliche Lasten aufbürdet" (II. Buch, 7. Hauptstück, 2. Abschnitt, §. 252). Dagegen räth er sehr zur Her- stellung von Brautkassen, denen er ein weitläuftiges Capitel widmet (ib. Abschnitt 3). Berg (Polizeirecht, Bd. III. 2. 2. S. 32) sagt schon von den letzteren, daß die meisten auf eine für die Theilhaber höchst traurige und nachtheilige Weise wieder eingegangen sind. Statt derselben hatte schon Hohenthal (de Politia, p. 23) Wittwen- und Waisenversorgungen angerathen, dem Berg (ib. p. 34) zustimmt. Im Uebrigen ist er selbst schon sehr unsicher über den Werth und Erfolg direkter Beförderungsmittel der Ehe, und will höchstens durch Sorge für Schwangere die Kindererzeugung schützen (ib. p. 24 sq.). Kopetz hat die österreichischen Versuche für Brautkassen aufgezeichnet (I. §. 119 ff.). Bei Jacob und den Folgenden verschwindet das ganze Capitel, nachdem namentlich durch Malthus die ganze Bevölkerungstheorie auf die an sich wirksamen Gesetze der Bevölkerung zurückgeführt war. Man muß sich daher fast wundern, daß Mohl die Frage in seiner Polizei-
Stein, die Verwaltungslehre. II. 10
fördern. Die wichtigſte Verordnung, mit der dieſe Bewegung beginnt, iſt die vom 13. Februar 1753. — „Die Obrigkeiten ſollen ihren Unterthanen die Erlaubniß zur Verehelichung willig ertheilen — viel- mehr den Ehen alle Beförderung zuwenden;“ es wird ihnen ausdrücklich vorgeſchrieben, „die zum Unterhalt der Verehelichten beſtimmten und von ihnen gekauften Grundſtücke nicht an ſich zu ziehen.“ In demſelben Sinne werden die Heirathsabgaben an die Obrigkeiten (Grundherren) herabgeſetzt, und der Aufwand bei Heirathen verboten (Verordnung vom 16. Januar 1756 u. a.), ſowie vorgeſchrieben, daß auch die verhei- ratheten Geſellen zur „vollen Arbeit“ angenommen werden ſollen (Ver- ordnung vom 1. September 1770). In Brandenburg (vergl. C. C. March, V. 3) wird Beſchränkung des Trauerjahres unter Friedrich II. ver- ordnet (Preuß, Geſchichte Friedrichs II. S. 337), wie Roſcher a. a. O. referirt. Zugleich aber nahm die neu entſtehende Bevölkerungslehre die Sache in die Hand, und zwar anfangs unbedingt für das direkte Eingreifen der Verwaltung, wie Süßmilch (Capitel X. §. 215), der das hier aufgeſtellte Syſtem in den folgenden Capiteln des Weiteren ausführt, und in Capitel XI. und XII. namentlich auch die allgemeinen Geſichtspunkte, gute Sitten, Verhinderung des Luxus, Herſtellung von Hebammenſchulen u. ſ. w. als Beförderungsmittel der „allgemeinen Fruchtbarkeit“ aufführt, ohne jedoch von direkter Unterſtützung zu reden. Juſti, der auf gleichem Standpunkte ſteht, hat doch ſchon ernſtliche Bedenken bei jener allgemeinen Fruchtbarkeit; er hat geſunden Sinn genug, zu begreifen, daß ſchon „ſechs bis ſieben lebendige Kinder läſtig genug ſind für den Vater, und daß die Fälle gar nicht ſo häufig ſind, wo ſich der Staat dadurch unerträgliche Laſten aufbürdet“ (II. Buch, 7. Hauptſtück, 2. Abſchnitt, §. 252). Dagegen räth er ſehr zur Her- ſtellung von Brautkaſſen, denen er ein weitläuftiges Capitel widmet (ib. Abſchnitt 3). Berg (Polizeirecht, Bd. III. 2. 2. S. 32) ſagt ſchon von den letzteren, daß die meiſten auf eine für die Theilhaber höchſt traurige und nachtheilige Weiſe wieder eingegangen ſind. Statt derſelben hatte ſchon Hohenthal (de Politia, p. 23) Wittwen- und Waiſenverſorgungen angerathen, dem Berg (ib. p. 34) zuſtimmt. Im Uebrigen iſt er ſelbſt ſchon ſehr unſicher über den Werth und Erfolg direkter Beförderungsmittel der Ehe, und will höchſtens durch Sorge für Schwangere die Kindererzeugung ſchützen (ib. p. 24 sq.). Kopetz hat die öſterreichiſchen Verſuche für Brautkaſſen aufgezeichnet (I. §. 119 ff.). Bei Jacob und den Folgenden verſchwindet das ganze Capitel, nachdem namentlich durch Malthus die ganze Bevölkerungstheorie auf die an ſich wirkſamen Geſetze der Bevölkerung zurückgeführt war. Man muß ſich daher faſt wundern, daß Mohl die Frage in ſeiner Polizei-
Stein, die Verwaltungslehre. II. 10
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fördern. Die wichtigſte Verordnung, mit der dieſe Bewegung beginnt,
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Unterthanen die Erlaubniß zur Verehelichung willig ertheilen — viel-
mehr den Ehen alle Beförderung zuwenden;“ es wird ihnen ausdrücklich
vorgeſchrieben, „die zum Unterhalt der Verehelichten beſtimmten und
von ihnen gekauften Grundſtücke nicht an ſich zu ziehen.“ In demſelben
Sinne werden die Heirathsabgaben an die Obrigkeiten (Grundherren)
herabgeſetzt, und der Aufwand bei Heirathen verboten (Verordnung vom
16. Januar 1756 u. a.), ſowie vorgeſchrieben, daß auch die verhei-
ratheten Geſellen zur „vollen Arbeit“ angenommen werden ſollen (Ver-
ordnung vom 1. September 1770). In Brandenburg (vergl. C. C.
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ordnet (Preuß, Geſchichte Friedrichs II. S. 337), wie Roſcher a. a. O.
referirt. Zugleich aber nahm die neu entſtehende Bevölkerungslehre die
Sache in die Hand, und zwar anfangs unbedingt für das direkte
Eingreifen der Verwaltung, wie Süßmilch (Capitel X. §. 215), der
das hier aufgeſtellte Syſtem in den folgenden Capiteln des Weiteren
ausführt, und in Capitel XI. und XII. namentlich auch die allgemeinen
Geſichtspunkte, gute Sitten, Verhinderung des Luxus, Herſtellung von
Hebammenſchulen u. ſ. w. als Beförderungsmittel der „allgemeinen
Fruchtbarkeit“ aufführt, ohne jedoch von direkter Unterſtützung zu reden.
Juſti, der auf gleichem Standpunkte ſteht, hat doch ſchon ernſtliche
Bedenken bei jener allgemeinen Fruchtbarkeit; er hat geſunden Sinn
genug, zu begreifen, daß ſchon „ſechs bis ſieben lebendige Kinder läſtig
genug ſind für den Vater, und daß die Fälle gar nicht ſo häufig ſind,
wo ſich der Staat dadurch unerträgliche Laſten aufbürdet“ (II. Buch,
7. Hauptſtück, 2. Abſchnitt, §. 252). Dagegen räth er ſehr zur Her-
ſtellung von Brautkaſſen, denen er ein weitläuftiges Capitel widmet
(ib. Abſchnitt 3). Berg (Polizeirecht, Bd. III. 2. 2. S. 32) ſagt
ſchon von den letzteren, daß die meiſten auf eine für die Theilhaber
höchſt traurige und nachtheilige Weiſe wieder eingegangen ſind. Statt
derſelben hatte ſchon Hohenthal (de Politia, p. 23) Wittwen- und
Waiſenverſorgungen angerathen, dem Berg (ib. p. 34) zuſtimmt. Im
Uebrigen iſt er ſelbſt ſchon ſehr unſicher über den Werth und Erfolg
direkter Beförderungsmittel der Ehe, und will höchſtens durch Sorge
für Schwangere die Kindererzeugung ſchützen (ib. p. 24 sq.). Kopetz
hat die öſterreichiſchen Verſuche für Brautkaſſen aufgezeichnet (I. §. 119 ff.).
Bei Jacob und den Folgenden verſchwindet das ganze Capitel, nachdem
namentlich durch Malthus die ganze Bevölkerungstheorie auf die an
ſich wirkſamen Geſetze der Bevölkerung zurückgeführt war. Man muß
ſich daher faſt wundern, daß Mohl die Frage in ſeiner Polizei-
Stein, die Verwaltungslehre. II. 10
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/167>, abgerufen am 27.07.2024.
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