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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Das dritte Gebiet ist die Gesundheit des Einzelnen, und zwar
theils als Moment des Gesammtlebens, theils als Gegenstand der Hülfe
von andern oder der Heilung. Aus ihr geht die Verwaltung des Ge-
sundheitswesens
hervor.

Das vierte Gebiet endlich ist der Mangel des geistigen Elements
in der Persönlichkeit, welche Vertretung und Hülfe von Seiten der
Verwaltung fordert, und damit das Pflegschaftswesen erzeugt.

Damit ist das große Gebiet der Verwaltung des persönlichen
Lebens erschöpft. Es ist jetzt die Aufgabe, die organische Gestalt jedes
einzelnen Theiles zu untersuchen.

Dem früher aufgestellten Begriffe des Verwaltungsrechts gemäß
sagen wir nun, daß die Gesammtheit der durch den Staatswillen ge-
setzten Vorschriften für alle diese Gebiete das Verwaltungsrecht des
persönlichen Lebens
bildet. Das geltende Verwaltungsrecht erscheint
bei so äußerst verschiedenen Verhältnissen schon hier einer gemeinsamen
Codifikation, und eben so sehr einer inneren und äußerlichen Gleichheit
unfähig. Dennoch ist die Bildung und Entwicklung auch dieses Gebietes
des Verwaltungsrechts von einem gemeinsamen Elemente zu allen Zeiten
beherrscht, eben so wohl wie das der geistigen Welt. Da nämlich die
persönlichen Berührungen unter den Menschen naturgemäß mit der
Zahl derselben steigen, so wird das Verhalten jeder Person den übrigen
in dem Grade wichtiger, je mehr diese Zahl zunimmt. Es ergibt sich
daher der allgemeine Grundsatz, daß die Ausbildung des Verwaltungs-
rechts des persönlichen Lebens von der Dichtigkeit der Bevölkerung
abhängt
, indem dieselbe mit ihr zunimmt und abnimmt. In stark
bevölkerten Staaten ist eine genaue Ausbildung jenes Rechts ein unab-
weisbares Bedürfniß; in schwach bevölkerten Staaten dagegen wird
man es stets wenig entwickelt finden. Demgemäß erklärt sich auch eine
zweite bekannte Erscheinung. Wie nämlich die Dichtigkeit der Bevölke-
rung in einem Lande selbst verschieden vertheilt ist, so ist auch die
Ausbildung jenes Rechts verschieden vertheilt. Es ist dasselbe, und
mit ihr die wirkliche Verwaltung, auch örtlich, und zwar je nach der
Dichtigkeit der Bevölkerung mehr oder weniger entwickelt. Und da nun
die beiden Grundformen dieser Dichtigkeit durch Stadt und Land ge-
geben sind, so gilt auch als Regel, daß die Gesammtheit aller Bestim-
mungen dieses persönliche Verwaltungsrecht stets viel stärker und schärfer
in den Städten als auf dem Lande ausgebildet ist. Daran
schließt sich weiter die Folge, daß die amtliche Verwaltung zwar allge-
mein gilt, daß aber in den Städten stets vorzugsweise die Selbstver-
waltung jener Aufgaben ausgebildet ist, so daß gewisse Theile fast
nur den Städten angehören (Meldungswesen u. a.), während andere

Das dritte Gebiet iſt die Geſundheit des Einzelnen, und zwar
theils als Moment des Geſammtlebens, theils als Gegenſtand der Hülfe
von andern oder der Heilung. Aus ihr geht die Verwaltung des Ge-
ſundheitsweſens
hervor.

Das vierte Gebiet endlich iſt der Mangel des geiſtigen Elements
in der Perſönlichkeit, welche Vertretung und Hülfe von Seiten der
Verwaltung fordert, und damit das Pflegſchaftsweſen erzeugt.

Damit iſt das große Gebiet der Verwaltung des perſönlichen
Lebens erſchöpft. Es iſt jetzt die Aufgabe, die organiſche Geſtalt jedes
einzelnen Theiles zu unterſuchen.

Dem früher aufgeſtellten Begriffe des Verwaltungsrechts gemäß
ſagen wir nun, daß die Geſammtheit der durch den Staatswillen ge-
ſetzten Vorſchriften für alle dieſe Gebiete das Verwaltungsrecht des
perſönlichen Lebens
bildet. Das geltende Verwaltungsrecht erſcheint
bei ſo äußerſt verſchiedenen Verhältniſſen ſchon hier einer gemeinſamen
Codifikation, und eben ſo ſehr einer inneren und äußerlichen Gleichheit
unfähig. Dennoch iſt die Bildung und Entwicklung auch dieſes Gebietes
des Verwaltungsrechts von einem gemeinſamen Elemente zu allen Zeiten
beherrſcht, eben ſo wohl wie das der geiſtigen Welt. Da nämlich die
perſönlichen Berührungen unter den Menſchen naturgemäß mit der
Zahl derſelben ſteigen, ſo wird das Verhalten jeder Perſon den übrigen
in dem Grade wichtiger, je mehr dieſe Zahl zunimmt. Es ergibt ſich
daher der allgemeine Grundſatz, daß die Ausbildung des Verwaltungs-
rechts des perſönlichen Lebens von der Dichtigkeit der Bevölkerung
abhängt
, indem dieſelbe mit ihr zunimmt und abnimmt. In ſtark
bevölkerten Staaten iſt eine genaue Ausbildung jenes Rechts ein unab-
weisbares Bedürfniß; in ſchwach bevölkerten Staaten dagegen wird
man es ſtets wenig entwickelt finden. Demgemäß erklärt ſich auch eine
zweite bekannte Erſcheinung. Wie nämlich die Dichtigkeit der Bevölke-
rung in einem Lande ſelbſt verſchieden vertheilt iſt, ſo iſt auch die
Ausbildung jenes Rechts verſchieden vertheilt. Es iſt daſſelbe, und
mit ihr die wirkliche Verwaltung, auch örtlich, und zwar je nach der
Dichtigkeit der Bevölkerung mehr oder weniger entwickelt. Und da nun
die beiden Grundformen dieſer Dichtigkeit durch Stadt und Land ge-
geben ſind, ſo gilt auch als Regel, daß die Geſammtheit aller Beſtim-
mungen dieſes perſönliche Verwaltungsrecht ſtets viel ſtärker und ſchärfer
in den Städten als auf dem Lande ausgebildet iſt. Daran
ſchließt ſich weiter die Folge, daß die amtliche Verwaltung zwar allge-
mein gilt, daß aber in den Städten ſtets vorzugsweiſe die Selbſtver-
waltung jener Aufgaben ausgebildet iſt, ſo daß gewiſſe Theile faſt
nur den Städten angehören (Meldungsweſen u. a.), während andere

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[105/0127] Das dritte Gebiet iſt die Geſundheit des Einzelnen, und zwar theils als Moment des Geſammtlebens, theils als Gegenſtand der Hülfe von andern oder der Heilung. Aus ihr geht die Verwaltung des Ge- ſundheitsweſens hervor. Das vierte Gebiet endlich iſt der Mangel des geiſtigen Elements in der Perſönlichkeit, welche Vertretung und Hülfe von Seiten der Verwaltung fordert, und damit das Pflegſchaftsweſen erzeugt. Damit iſt das große Gebiet der Verwaltung des perſönlichen Lebens erſchöpft. Es iſt jetzt die Aufgabe, die organiſche Geſtalt jedes einzelnen Theiles zu unterſuchen. Dem früher aufgeſtellten Begriffe des Verwaltungsrechts gemäß ſagen wir nun, daß die Geſammtheit der durch den Staatswillen ge- ſetzten Vorſchriften für alle dieſe Gebiete das Verwaltungsrecht des perſönlichen Lebens bildet. Das geltende Verwaltungsrecht erſcheint bei ſo äußerſt verſchiedenen Verhältniſſen ſchon hier einer gemeinſamen Codifikation, und eben ſo ſehr einer inneren und äußerlichen Gleichheit unfähig. Dennoch iſt die Bildung und Entwicklung auch dieſes Gebietes des Verwaltungsrechts von einem gemeinſamen Elemente zu allen Zeiten beherrſcht, eben ſo wohl wie das der geiſtigen Welt. Da nämlich die perſönlichen Berührungen unter den Menſchen naturgemäß mit der Zahl derſelben ſteigen, ſo wird das Verhalten jeder Perſon den übrigen in dem Grade wichtiger, je mehr dieſe Zahl zunimmt. Es ergibt ſich daher der allgemeine Grundſatz, daß die Ausbildung des Verwaltungs- rechts des perſönlichen Lebens von der Dichtigkeit der Bevölkerung abhängt, indem dieſelbe mit ihr zunimmt und abnimmt. In ſtark bevölkerten Staaten iſt eine genaue Ausbildung jenes Rechts ein unab- weisbares Bedürfniß; in ſchwach bevölkerten Staaten dagegen wird man es ſtets wenig entwickelt finden. Demgemäß erklärt ſich auch eine zweite bekannte Erſcheinung. Wie nämlich die Dichtigkeit der Bevölke- rung in einem Lande ſelbſt verſchieden vertheilt iſt, ſo iſt auch die Ausbildung jenes Rechts verſchieden vertheilt. Es iſt daſſelbe, und mit ihr die wirkliche Verwaltung, auch örtlich, und zwar je nach der Dichtigkeit der Bevölkerung mehr oder weniger entwickelt. Und da nun die beiden Grundformen dieſer Dichtigkeit durch Stadt und Land ge- geben ſind, ſo gilt auch als Regel, daß die Geſammtheit aller Beſtim- mungen dieſes perſönliche Verwaltungsrecht ſtets viel ſtärker und ſchärfer in den Städten als auf dem Lande ausgebildet iſt. Daran ſchließt ſich weiter die Folge, daß die amtliche Verwaltung zwar allge- mein gilt, daß aber in den Städten ſtets vorzugsweiſe die Selbſtver- waltung jener Aufgaben ausgebildet iſt, ſo daß gewiſſe Theile faſt nur den Städten angehören (Meldungsweſen u. a.), während andere

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/127>, abgerufen am 12.12.2024.