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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Die wirkliche Verwaltung.
Erstes Hauptgebiet.
Die Verwaltung und das persönliche Leben.

Das erste Element alles Lebens der menschlichen Gemeinschaft ist
ohne Zweifel die Person, diese Wirklichkeit des Begriffs der Persön-
lichkeit. Sie ist ein kleiner Organismus, eine kleine Welt für sich. Sie
ist einerseits ein physisches, andererseits ein geistiges Dasein. Sie ist
zwar die innigste Verschmelzung beider; aber beide sind in ihr dennoch
nicht dasselbe. Der Körper und der Geist leben in ihr nach eigenen
Gesetzen, entwickeln und bilden sich, und beherrschen sich gegenseitig. Es
gibt keine äußerliche Gränze zwischen beiden, aber es ist fast noch
weniger möglich, sie zu verwechseln oder ganz zu verschmelzen. So wie
man die Menschen genauer betrachtet, scheiden sie sich als die beiden
selbständigen Seiten oder Faktoren seines Daseins, von denen jeder sein
eigenes Leben hat.

Daher hat auch jeder derselben seine eigene Wissenschaft, sofern
man sie eben für sich betrachtet. Die Wissenschaft vom menschlichen
und körperlichen Dasein nennen wir die Physiologie, die von dem
geistigen Dasein die Psychologie.

Es ist daher kein Zweifel, daß auch das Verhalten beider Elemente
ein verschiedenes ist in Bezug auf die menschliche Gemeinschaft und die
Berührung mit derselben. Allerdings kann jeder Einzelne sich durch
eigene Kraft aus dieser Gemeinschaft die Elemente seiner eigenen Ent-
wicklung theils bilden, theils finden und gewinnen. Allein die Ge-
meinschaft ist in vielen und wichtigen Beziehungen mächtiger als er
selber. Außer ihm stehend, beherrscht sie ihn. Wenn sie sich nicht
selbst in denjenigen Punkten, wo sie zur Bedingung des individuellen
Fortschrittes wird, so gestaltet, daß der Einzelne ihr und ihrem Einfluß
unterliegt -- er seinerseits kann sich allein nicht helfen, und zwar

Die wirkliche Verwaltung.
Erſtes Hauptgebiet.
Die Verwaltung und das perſönliche Leben.

Das erſte Element alles Lebens der menſchlichen Gemeinſchaft iſt
ohne Zweifel die Perſon, dieſe Wirklichkeit des Begriffs der Perſön-
lichkeit. Sie iſt ein kleiner Organismus, eine kleine Welt für ſich. Sie
iſt einerſeits ein phyſiſches, andererſeits ein geiſtiges Daſein. Sie iſt
zwar die innigſte Verſchmelzung beider; aber beide ſind in ihr dennoch
nicht daſſelbe. Der Körper und der Geiſt leben in ihr nach eigenen
Geſetzen, entwickeln und bilden ſich, und beherrſchen ſich gegenſeitig. Es
gibt keine äußerliche Gränze zwiſchen beiden, aber es iſt faſt noch
weniger möglich, ſie zu verwechſeln oder ganz zu verſchmelzen. So wie
man die Menſchen genauer betrachtet, ſcheiden ſie ſich als die beiden
ſelbſtändigen Seiten oder Faktoren ſeines Daſeins, von denen jeder ſein
eigenes Leben hat.

Daher hat auch jeder derſelben ſeine eigene Wiſſenſchaft, ſofern
man ſie eben für ſich betrachtet. Die Wiſſenſchaft vom menſchlichen
und körperlichen Daſein nennen wir die Phyſiologie, die von dem
geiſtigen Daſein die Pſychologie.

Es iſt daher kein Zweifel, daß auch das Verhalten beider Elemente
ein verſchiedenes iſt in Bezug auf die menſchliche Gemeinſchaft und die
Berührung mit derſelben. Allerdings kann jeder Einzelne ſich durch
eigene Kraft aus dieſer Gemeinſchaft die Elemente ſeiner eigenen Ent-
wicklung theils bilden, theils finden und gewinnen. Allein die Ge-
meinſchaft iſt in vielen und wichtigen Beziehungen mächtiger als er
ſelber. Außer ihm ſtehend, beherrſcht ſie ihn. Wenn ſie ſich nicht
ſelbſt in denjenigen Punkten, wo ſie zur Bedingung des individuellen
Fortſchrittes wird, ſo geſtaltet, daß der Einzelne ihr und ihrem Einfluß
unterliegt — er ſeinerſeits kann ſich allein nicht helfen, und zwar

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[[101]/0123] Die wirkliche Verwaltung. Erſtes Hauptgebiet. Die Verwaltung und das perſönliche Leben. Das erſte Element alles Lebens der menſchlichen Gemeinſchaft iſt ohne Zweifel die Perſon, dieſe Wirklichkeit des Begriffs der Perſön- lichkeit. Sie iſt ein kleiner Organismus, eine kleine Welt für ſich. Sie iſt einerſeits ein phyſiſches, andererſeits ein geiſtiges Daſein. Sie iſt zwar die innigſte Verſchmelzung beider; aber beide ſind in ihr dennoch nicht daſſelbe. Der Körper und der Geiſt leben in ihr nach eigenen Geſetzen, entwickeln und bilden ſich, und beherrſchen ſich gegenſeitig. Es gibt keine äußerliche Gränze zwiſchen beiden, aber es iſt faſt noch weniger möglich, ſie zu verwechſeln oder ganz zu verſchmelzen. So wie man die Menſchen genauer betrachtet, ſcheiden ſie ſich als die beiden ſelbſtändigen Seiten oder Faktoren ſeines Daſeins, von denen jeder ſein eigenes Leben hat. Daher hat auch jeder derſelben ſeine eigene Wiſſenſchaft, ſofern man ſie eben für ſich betrachtet. Die Wiſſenſchaft vom menſchlichen und körperlichen Daſein nennen wir die Phyſiologie, die von dem geiſtigen Daſein die Pſychologie. Es iſt daher kein Zweifel, daß auch das Verhalten beider Elemente ein verſchiedenes iſt in Bezug auf die menſchliche Gemeinſchaft und die Berührung mit derſelben. Allerdings kann jeder Einzelne ſich durch eigene Kraft aus dieſer Gemeinſchaft die Elemente ſeiner eigenen Ent- wicklung theils bilden, theils finden und gewinnen. Allein die Ge- meinſchaft iſt in vielen und wichtigen Beziehungen mächtiger als er ſelber. Außer ihm ſtehend, beherrſcht ſie ihn. Wenn ſie ſich nicht ſelbſt in denjenigen Punkten, wo ſie zur Bedingung des individuellen Fortſchrittes wird, ſo geſtaltet, daß der Einzelne ihr und ihrem Einfluß unterliegt — er ſeinerſeits kann ſich allein nicht helfen, und zwar

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. [101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/123>, abgerufen am 12.12.2024.