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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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derselben in dem Satze gegeben ist, daß der Staat nicht mehr fordern
darf, als was das allgemeine Interesse als zu wissen nothwendig er-
scheinen läßt.

Die polizeiliche Kenntnißnahme und Ueberwachung bezieht sich
wesentlich auf die einzelnen Akte des Vereinslebens. Die Polizei hat
nicht bloß das Recht, die Statuten und Beschlüsse des Vereins sich mit-
theilen zu lassen, sowie die Zahl, und da wo der Verein auf persön-
lichen Leistungen beruht, auch die Namen der Mitglieder von der Ver-
einsleitung, sondern auch jede Auskunft über den Zweck des Vereins
zu fordern. Aus demselben Grunde muß der Polizei das Recht zu-
stehen, die Versammlungen und Sitzungen des Vereins durch Abgeord-
nete zu beschicken. Es versteht sich, daß diese Abgeordneten nicht wie
das Vereinskommissariat, an der Debatte Theil nehmen, sondern
höchstens bei ungesetzlichen Vorgängen ein Verbot einlegen können. Die
Verpflichtungen, die Generalversammlungen anzuzeigen, fällt schon
unter die Pflicht, jede Versammlung als solche anzugeben.

Die statistische Ueberwachung der Vereine beruht auf dem Werth,
den statistische Angaben aller einzelnen Thatsachen für die gesammte
Beurtheilung öffentlicher Zustände im Ganzen, und damit für die ver-
ordnende Thätigkeit der Regierung, eventuell für die Gesetzgebung selbst
haben. Dieser Werth ist nun allerdings sehr verschieden nach den ver-
schiedenen Arten der Vereine; daher ist auch der Umfang der Verpflichtung,
statistische Angaben mitzutheilen, durchaus keine gleiche. Auch hier kann
man im Allgemeinen zwischen dem wirthschaftlichen und dem öffentlich
rechtlichen Moment scheiden. Das Recht, statistische Angaben zu fordern,
kann an sich allerdings nicht auf das erstere angewendet werden, da
die Einnahmen und Ausgaben private Angelegenheiten der Vereinsmit-
glieder sind, und nur der Zweck dem Staate angehört. Allein da, wo
diese Einnahmen und Ausgaben den Aufgaben der gesellschaftlichen Ver-
waltung angehören, also namentlich dem Armen- und Hülfswesen, oder
der Werthordnung, also dem Creditwesen, wird das Verhältniß beider
zu einer Bedingung der guten Verwaltung, und die Vereine haben hier
dieselbe Pflicht, wie die Gesellschaften, der Staatsverwaltung auf Ver-
langen ihre wirthschaftlichen Verhältnisse mittheilen zu müssen. Daraus
ergibt sich allerdings, daß die darauf bezüglichen Anordnungen zwar
aus der Verordnungsgewalt hervorgehen können, daß es aber weit ratio-
neller ist, für die betreffenden Gruppen eigene Vereinsgesetze zu erlassen,
welche dann bei der Bildung der Vereine und bei der Genehmigung
ihrer Statuten maßgebend werden. Soweit dieß der Fall ist, gehört
das Einzelne unter das eigentliche Verwaltungsrecht, wie die betreffenden
Vereinsgesetze über Sparkassen, Versicherungsgesellschaften, Banken u. s. w.


derſelben in dem Satze gegeben iſt, daß der Staat nicht mehr fordern
darf, als was das allgemeine Intereſſe als zu wiſſen nothwendig er-
ſcheinen läßt.

Die polizeiliche Kenntnißnahme und Ueberwachung bezieht ſich
weſentlich auf die einzelnen Akte des Vereinslebens. Die Polizei hat
nicht bloß das Recht, die Statuten und Beſchlüſſe des Vereins ſich mit-
theilen zu laſſen, ſowie die Zahl, und da wo der Verein auf perſön-
lichen Leiſtungen beruht, auch die Namen der Mitglieder von der Ver-
einsleitung, ſondern auch jede Auskunft über den Zweck des Vereins
zu fordern. Aus demſelben Grunde muß der Polizei das Recht zu-
ſtehen, die Verſammlungen und Sitzungen des Vereins durch Abgeord-
nete zu beſchicken. Es verſteht ſich, daß dieſe Abgeordneten nicht wie
das Vereinskommiſſariat, an der Debatte Theil nehmen, ſondern
höchſtens bei ungeſetzlichen Vorgängen ein Verbot einlegen können. Die
Verpflichtungen, die Generalverſammlungen anzuzeigen, fällt ſchon
unter die Pflicht, jede Verſammlung als ſolche anzugeben.

Die ſtatiſtiſche Ueberwachung der Vereine beruht auf dem Werth,
den ſtatiſtiſche Angaben aller einzelnen Thatſachen für die geſammte
Beurtheilung öffentlicher Zuſtände im Ganzen, und damit für die ver-
ordnende Thätigkeit der Regierung, eventuell für die Geſetzgebung ſelbſt
haben. Dieſer Werth iſt nun allerdings ſehr verſchieden nach den ver-
ſchiedenen Arten der Vereine; daher iſt auch der Umfang der Verpflichtung,
ſtatiſtiſche Angaben mitzutheilen, durchaus keine gleiche. Auch hier kann
man im Allgemeinen zwiſchen dem wirthſchaftlichen und dem öffentlich
rechtlichen Moment ſcheiden. Das Recht, ſtatiſtiſche Angaben zu fordern,
kann an ſich allerdings nicht auf das erſtere angewendet werden, da
die Einnahmen und Ausgaben private Angelegenheiten der Vereinsmit-
glieder ſind, und nur der Zweck dem Staate angehört. Allein da, wo
dieſe Einnahmen und Ausgaben den Aufgaben der geſellſchaftlichen Ver-
waltung angehören, alſo namentlich dem Armen- und Hülfsweſen, oder
der Werthordnung, alſo dem Creditweſen, wird das Verhältniß beider
zu einer Bedingung der guten Verwaltung, und die Vereine haben hier
dieſelbe Pflicht, wie die Geſellſchaften, der Staatsverwaltung auf Ver-
langen ihre wirthſchaftlichen Verhältniſſe mittheilen zu müſſen. Daraus
ergibt ſich allerdings, daß die darauf bezüglichen Anordnungen zwar
aus der Verordnungsgewalt hervorgehen können, daß es aber weit ratio-
neller iſt, für die betreffenden Gruppen eigene Vereinsgeſetze zu erlaſſen,
welche dann bei der Bildung der Vereine und bei der Genehmigung
ihrer Statuten maßgebend werden. Soweit dieß der Fall iſt, gehört
das Einzelne unter das eigentliche Verwaltungsrecht, wie die betreffenden
Vereinsgeſetze über Sparkaſſen, Verſicherungsgeſellſchaften, Banken u. ſ. w.


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[639/0663] derſelben in dem Satze gegeben iſt, daß der Staat nicht mehr fordern darf, als was das allgemeine Intereſſe als zu wiſſen nothwendig er- ſcheinen läßt. Die polizeiliche Kenntnißnahme und Ueberwachung bezieht ſich weſentlich auf die einzelnen Akte des Vereinslebens. Die Polizei hat nicht bloß das Recht, die Statuten und Beſchlüſſe des Vereins ſich mit- theilen zu laſſen, ſowie die Zahl, und da wo der Verein auf perſön- lichen Leiſtungen beruht, auch die Namen der Mitglieder von der Ver- einsleitung, ſondern auch jede Auskunft über den Zweck des Vereins zu fordern. Aus demſelben Grunde muß der Polizei das Recht zu- ſtehen, die Verſammlungen und Sitzungen des Vereins durch Abgeord- nete zu beſchicken. Es verſteht ſich, daß dieſe Abgeordneten nicht wie das Vereinskommiſſariat, an der Debatte Theil nehmen, ſondern höchſtens bei ungeſetzlichen Vorgängen ein Verbot einlegen können. Die Verpflichtungen, die Generalverſammlungen anzuzeigen, fällt ſchon unter die Pflicht, jede Verſammlung als ſolche anzugeben. Die ſtatiſtiſche Ueberwachung der Vereine beruht auf dem Werth, den ſtatiſtiſche Angaben aller einzelnen Thatſachen für die geſammte Beurtheilung öffentlicher Zuſtände im Ganzen, und damit für die ver- ordnende Thätigkeit der Regierung, eventuell für die Geſetzgebung ſelbſt haben. Dieſer Werth iſt nun allerdings ſehr verſchieden nach den ver- ſchiedenen Arten der Vereine; daher iſt auch der Umfang der Verpflichtung, ſtatiſtiſche Angaben mitzutheilen, durchaus keine gleiche. Auch hier kann man im Allgemeinen zwiſchen dem wirthſchaftlichen und dem öffentlich rechtlichen Moment ſcheiden. Das Recht, ſtatiſtiſche Angaben zu fordern, kann an ſich allerdings nicht auf das erſtere angewendet werden, da die Einnahmen und Ausgaben private Angelegenheiten der Vereinsmit- glieder ſind, und nur der Zweck dem Staate angehört. Allein da, wo dieſe Einnahmen und Ausgaben den Aufgaben der geſellſchaftlichen Ver- waltung angehören, alſo namentlich dem Armen- und Hülfsweſen, oder der Werthordnung, alſo dem Creditweſen, wird das Verhältniß beider zu einer Bedingung der guten Verwaltung, und die Vereine haben hier dieſelbe Pflicht, wie die Geſellſchaften, der Staatsverwaltung auf Ver- langen ihre wirthſchaftlichen Verhältniſſe mittheilen zu müſſen. Daraus ergibt ſich allerdings, daß die darauf bezüglichen Anordnungen zwar aus der Verordnungsgewalt hervorgehen können, daß es aber weit ratio- neller iſt, für die betreffenden Gruppen eigene Vereinsgeſetze zu erlaſſen, welche dann bei der Bildung der Vereine und bei der Genehmigung ihrer Statuten maßgebend werden. Soweit dieß der Fall iſt, gehört das Einzelne unter das eigentliche Verwaltungsrecht, wie die betreffenden Vereinsgeſetze über Sparkaſſen, Verſicherungsgeſellſchaften, Banken u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/663>, abgerufen am 24.11.2024.