festzuhalten, daß die Staatsgewalt in dem Sinne nicht bloß an sich, son- dern auch organisch untheilbar ist und sein muß, in welchem das deutsche Recht es annimmt, daß alle einzelnen Gewalten niemals absolut selb- ständig, sondern nur Momente an der einheitlichen Persönlichkeit des Staats -- die Staatsgewalten Momente der Staatsgewalt sind. Und damit ergibt sich jetzt auch das Verhältniß der vollziehenden Gewalt.
Die Staatsgewalt erscheint nämlich zuerst als die Kraft, vermöge deren die Persönlichkeit des Staats als solche sich zur Erscheinung und Geltung bringt, noch ohne eine Beziehung auf den Willen und die Thätigkeiten, welche das Leben des Staats erfüllen. Diese reine Staats- gewalt ist daher weder ein Moment in der Gesetzgebung noch in der Verwaltung; sie ist die Erscheinung des Staats an und für sich. Man muß nicht glauben, daß das eine Abstraktion ist. Die Verfassungen der verschiedenen Staaten haben diese reine Staatsgewalt nicht bloß sehr klar erkannt, sondern auch zum Theil mit großer Schärfe diejeni- gen einzelnen Funktionen nachgewiesen und anerkannt, welche in der- selben liegen, indem sie diese Funktionen als Rechte des Königthums feststellen. Man kann sie mit dem Begriffe der Vertretung des Staats umfassen; nach Innen als Inhaber der höchsten Würden, nach Außen als Inhaber des Rechts, Krieg, Frieden und Verträge zu schließen.
Die Staatsgewalt erscheint zweitens als höchste Spitze der gesetz- gebenden Gewalt. Die Funktion des Staatsoberhaupts ist hier die, durch seine Zustimmung das Wollen der Vertretung des Volkes zum individuellen Willen des Staats zu machen, und durch seine Erklärung demselben die Geltung dieses persönlichen Willens zu geben. Das drücken die meisten Verfassungen dadurch aus, daß sie dem Fürsten die Sanktion und die Verkündigung der Gesetze zuerkennen.
Die Staatsgewalt erscheint aber auch drittens als das Haupt der Verwaltung im weitern Sinn; das heißt, jede That des Staats muß unbedingt als eine That der Staatsgewalt, das ist des Staats- oberhaupts erscheinen. Dieß Princip wird so ausgedrückt, daß alle Vollziehung und Verwaltung nur im Namen des Staatsober- haupts geschehen kann -- (oder "der König vereinigt in sich alle Gewalt, und übt sie in verfassungsmäßiger Weise aus"). Dieß Princip ist mithin kein Princip der vollziehenden, sondern vielmehr ein Princip der Staatsgewalt; durch dasselbe ist die vollziehende Gewalt das was sie sein soll, ein Moment an der Staatsgewalt. In diesem richtigen Verständniß aber liegt nun auch der Begriff des Rechts dieser voll- ziehenden Gewalt; denn sie steht damit in einem organischen Verhältniß zu der gesetzgebenden in dem Willen, in dem Begriff der Staatsgewalt selbst, welche ja zugleich das Haupt der Gesetzgebung ist, und so
feſtzuhalten, daß die Staatsgewalt in dem Sinne nicht bloß an ſich, ſon- dern auch organiſch untheilbar iſt und ſein muß, in welchem das deutſche Recht es annimmt, daß alle einzelnen Gewalten niemals abſolut ſelb- ſtändig, ſondern nur Momente an der einheitlichen Perſönlichkeit des Staats — die Staatsgewalten Momente der Staatsgewalt ſind. Und damit ergibt ſich jetzt auch das Verhältniß der vollziehenden Gewalt.
Die Staatsgewalt erſcheint nämlich zuerſt als die Kraft, vermöge deren die Perſönlichkeit des Staats als ſolche ſich zur Erſcheinung und Geltung bringt, noch ohne eine Beziehung auf den Willen und die Thätigkeiten, welche das Leben des Staats erfüllen. Dieſe reine Staats- gewalt iſt daher weder ein Moment in der Geſetzgebung noch in der Verwaltung; ſie iſt die Erſcheinung des Staats an und für ſich. Man muß nicht glauben, daß das eine Abſtraktion iſt. Die Verfaſſungen der verſchiedenen Staaten haben dieſe reine Staatsgewalt nicht bloß ſehr klar erkannt, ſondern auch zum Theil mit großer Schärfe diejeni- gen einzelnen Funktionen nachgewieſen und anerkannt, welche in der- ſelben liegen, indem ſie dieſe Funktionen als Rechte des Königthums feſtſtellen. Man kann ſie mit dem Begriffe der Vertretung des Staats umfaſſen; nach Innen als Inhaber der höchſten Würden, nach Außen als Inhaber des Rechts, Krieg, Frieden und Verträge zu ſchließen.
Die Staatsgewalt erſcheint zweitens als höchſte Spitze der geſetz- gebenden Gewalt. Die Funktion des Staatsoberhaupts iſt hier die, durch ſeine Zuſtimmung das Wollen der Vertretung des Volkes zum individuellen Willen des Staats zu machen, und durch ſeine Erklärung demſelben die Geltung dieſes perſönlichen Willens zu geben. Das drücken die meiſten Verfaſſungen dadurch aus, daß ſie dem Fürſten die Sanktion und die Verkündigung der Geſetze zuerkennen.
Die Staatsgewalt erſcheint aber auch drittens als das Haupt der Verwaltung im weitern Sinn; das heißt, jede That des Staats muß unbedingt als eine That der Staatsgewalt, das iſt des Staats- oberhaupts erſcheinen. Dieß Princip wird ſo ausgedrückt, daß alle Vollziehung und Verwaltung nur im Namen des Staatsober- haupts geſchehen kann — (oder „der König vereinigt in ſich alle Gewalt, und übt ſie in verfaſſungsmäßiger Weiſe aus“). Dieß Princip iſt mithin kein Princip der vollziehenden, ſondern vielmehr ein Princip der Staatsgewalt; durch daſſelbe iſt die vollziehende Gewalt das was ſie ſein ſoll, ein Moment an der Staatsgewalt. In dieſem richtigen Verſtändniß aber liegt nun auch der Begriff des Rechts dieſer voll- ziehenden Gewalt; denn ſie ſteht damit in einem organiſchen Verhältniß zu der geſetzgebenden in dem Willen, in dem Begriff der Staatsgewalt ſelbſt, welche ja zugleich das Haupt der Geſetzgebung iſt, und ſo
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feſtzuhalten, daß die Staatsgewalt in dem Sinne nicht bloß an ſich, ſon-
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Recht es annimmt, daß alle einzelnen Gewalten niemals abſolut ſelb-
ſtändig, ſondern nur Momente an der einheitlichen Perſönlichkeit des
Staats — die Staatsgewalten Momente der Staatsgewalt ſind. Und
damit ergibt ſich jetzt auch das Verhältniß der vollziehenden Gewalt.
Die Staatsgewalt erſcheint nämlich zuerſt als die Kraft, vermöge
deren die Perſönlichkeit des Staats als ſolche ſich zur Erſcheinung und
Geltung bringt, noch ohne eine Beziehung auf den Willen und die
Thätigkeiten, welche das Leben des Staats erfüllen. Dieſe reine Staats-
gewalt iſt daher weder ein Moment in der Geſetzgebung noch in der
Verwaltung; ſie iſt die Erſcheinung des Staats an und für ſich. Man
muß nicht glauben, daß das eine Abſtraktion iſt. Die Verfaſſungen
der verſchiedenen Staaten haben dieſe reine Staatsgewalt nicht bloß
ſehr klar erkannt, ſondern auch zum Theil mit großer Schärfe diejeni-
gen einzelnen Funktionen nachgewieſen und anerkannt, welche in der-
ſelben liegen, indem ſie dieſe Funktionen als Rechte des Königthums
feſtſtellen. Man kann ſie mit dem Begriffe der Vertretung des Staats
umfaſſen; nach Innen als Inhaber der höchſten Würden, nach Außen
als Inhaber des Rechts, Krieg, Frieden und Verträge zu ſchließen.
Die Staatsgewalt erſcheint zweitens als höchſte Spitze der geſetz-
gebenden Gewalt. Die Funktion des Staatsoberhaupts iſt hier die,
durch ſeine Zuſtimmung das Wollen der Vertretung des Volkes zum
individuellen Willen des Staats zu machen, und durch ſeine Erklärung
demſelben die Geltung dieſes perſönlichen Willens zu geben. Das
drücken die meiſten Verfaſſungen dadurch aus, daß ſie dem Fürſten die
Sanktion und die Verkündigung der Geſetze zuerkennen.
Die Staatsgewalt erſcheint aber auch drittens als das Haupt
der Verwaltung im weitern Sinn; das heißt, jede That des Staats
muß unbedingt als eine That der Staatsgewalt, das iſt des Staats-
oberhaupts erſcheinen. Dieß Princip wird ſo ausgedrückt, daß alle
Vollziehung und Verwaltung nur im Namen des Staatsober-
haupts geſchehen kann — (oder „der König vereinigt in ſich alle
Gewalt, und übt ſie in verfaſſungsmäßiger Weiſe aus“). Dieß Princip
iſt mithin kein Princip der vollziehenden, ſondern vielmehr ein Princip
der Staatsgewalt; durch daſſelbe iſt die vollziehende Gewalt das was
ſie ſein ſoll, ein Moment an der Staatsgewalt. In dieſem richtigen
Verſtändniß aber liegt nun auch der Begriff des Rechts dieſer voll-
ziehenden Gewalt; denn ſie ſteht damit in einem organiſchen Verhältniß
zu der geſetzgebenden in dem Willen, in dem Begriff der Staatsgewalt
ſelbſt, welche ja zugleich das Haupt der Geſetzgebung iſt, und ſo
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/65>, abgerufen am 25.11.2024.
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