den der Verein durch die Nachläßigkeit desselben leidet. Eben so haftet der Direktor persönlich für jeden Schaden, der im Dienst durch Mangel an Thätigkeit von seiner Seite geschieht. Dieser Haftung entsprechen zwei Pflichten. Zuerst muß er den ganzen Zustand des Vereins genau kennen; ihn kann niemals die Unkenntniß gegebener Verhältnisse seiner Verantwortlichkeit entheben, wenn es überhaupt möglich war, die betreffende Kenntniß bei gehörigem Aufwande aller Mittel sich zu ver- schaffen. Schon das Unterlassen von Befehlen und Maßregeln, welche eine solche Kenntniß hervorbringen, macht ihn persönlich für jeden da- durch entstandenen Schaden verantwortlich, nicht bloß wenn sie durch die Vorsicht eines homo diligens, sondern auch dann, wenn sie durch fachmännische Kenntniß bedingt war. -- Zweitens muß der Direktor die bestehenden Gesetze und Vorschriften des Staats gleich- falls genau kennen. Er ist persönlich in Verantwortlichkeit und Haftung dafür, daß die Thätigkeit des Vereins ihnen gemäß geschehe, und ihn entschuldigt die Unkenntniß niemals. -- Es folgt drittens aus seiner ganzen Stellung, daß er den Verwaltungsrath beständig in Kenntniß von dem ganzen Gange des Geschäfts erhalte. Wenn der Verwaltungs- rath einen Beschluß faßt, der durch Unkenntniß der Verhältnisse von seiner Seite, oder gar durch eine mangelhafte -- um so mehr natürlich durch eine falsche Darstellung der Sachlage vom Direktor hervorgerufen ward, so hat der Verwaltungsrath keine Verantwortung, sondern die ganze Haftung fällt dem Direktor zu, so weit nicht bei gewöhnlicher Vor- sicht eines gebildeten Mannes ein Mißtrauen gegen die Aussprüche des Direktors von Seiten des Verwaltungsrathes hatte entstehen müssen.
Eine sehr wichtige Frage ist endlich die, ob der Direktor für die schädlichen Folgen seiner eigenen Unkenntniß haftet, das ist, ob er dafür verantwortlich ist, daß er wirklich alle für seine Funktion noth- wendigen Fachkenntnisse habe, so daß jeder Schade, welcher dem Verein aus Mangel an Fachkenntnissen entspringt, den Direktor zum Ersatze verpflichtet.
Man muß diese Frage in folgender Weise beantworten. Da die natürliche Stellung der Direktion die vollste Fachkenntniß voraussetzt, und da der Verwaltungsrath, der den Direktor anstellt, weder verpflichtet sein kann noch verpflichtet ist, diese Fachkenntniß zu haben oder auch nur beurtheilen zu können, so ist die Annahme der Stellung von Seite des Direktors der Erklärung gleich zu achten, daß er wirklich jene Fach- kenntnisse in einem für den Verein ausreichenden Maße besitze, und damit ist die persönliche Haftung des Direktors für jeden Nachtheil gegeben, der aus diesem Mangel entspringt. Allein das zweite Element der tüchtigen Geschäftsführung kann ein Direktor weder versprechen noch auch für
den der Verein durch die Nachläßigkeit deſſelben leidet. Eben ſo haftet der Direktor perſönlich für jeden Schaden, der im Dienſt durch Mangel an Thätigkeit von ſeiner Seite geſchieht. Dieſer Haftung entſprechen zwei Pflichten. Zuerſt muß er den ganzen Zuſtand des Vereins genau kennen; ihn kann niemals die Unkenntniß gegebener Verhältniſſe ſeiner Verantwortlichkeit entheben, wenn es überhaupt möglich war, die betreffende Kenntniß bei gehörigem Aufwande aller Mittel ſich zu ver- ſchaffen. Schon das Unterlaſſen von Befehlen und Maßregeln, welche eine ſolche Kenntniß hervorbringen, macht ihn perſönlich für jeden da- durch entſtandenen Schaden verantwortlich, nicht bloß wenn ſie durch die Vorſicht eines homo diligens, ſondern auch dann, wenn ſie durch fachmänniſche Kenntniß bedingt war. — Zweitens muß der Direktor die beſtehenden Geſetze und Vorſchriften des Staats gleich- falls genau kennen. Er iſt perſönlich in Verantwortlichkeit und Haftung dafür, daß die Thätigkeit des Vereins ihnen gemäß geſchehe, und ihn entſchuldigt die Unkenntniß niemals. — Es folgt drittens aus ſeiner ganzen Stellung, daß er den Verwaltungsrath beſtändig in Kenntniß von dem ganzen Gange des Geſchäfts erhalte. Wenn der Verwaltungs- rath einen Beſchluß faßt, der durch Unkenntniß der Verhältniſſe von ſeiner Seite, oder gar durch eine mangelhafte — um ſo mehr natürlich durch eine falſche Darſtellung der Sachlage vom Direktor hervorgerufen ward, ſo hat der Verwaltungsrath keine Verantwortung, ſondern die ganze Haftung fällt dem Direktor zu, ſo weit nicht bei gewöhnlicher Vor- ſicht eines gebildeten Mannes ein Mißtrauen gegen die Ausſprüche des Direktors von Seiten des Verwaltungsrathes hatte entſtehen müſſen.
Eine ſehr wichtige Frage iſt endlich die, ob der Direktor für die ſchädlichen Folgen ſeiner eigenen Unkenntniß haftet, das iſt, ob er dafür verantwortlich iſt, daß er wirklich alle für ſeine Funktion noth- wendigen Fachkenntniſſe habe, ſo daß jeder Schade, welcher dem Verein aus Mangel an Fachkenntniſſen entſpringt, den Direktor zum Erſatze verpflichtet.
Man muß dieſe Frage in folgender Weiſe beantworten. Da die natürliche Stellung der Direktion die vollſte Fachkenntniß vorausſetzt, und da der Verwaltungsrath, der den Direktor anſtellt, weder verpflichtet ſein kann noch verpflichtet iſt, dieſe Fachkenntniß zu haben oder auch nur beurtheilen zu können, ſo iſt die Annahme der Stellung von Seite des Direktors der Erklärung gleich zu achten, daß er wirklich jene Fach- kenntniſſe in einem für den Verein ausreichenden Maße beſitze, und damit iſt die perſönliche Haftung des Direktors für jeden Nachtheil gegeben, der aus dieſem Mangel entſpringt. Allein das zweite Element der tüchtigen Geſchäftsführung kann ein Direktor weder verſprechen noch auch für
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den der Verein durch die Nachläßigkeit deſſelben leidet. Eben ſo haftet
der Direktor perſönlich für jeden Schaden, der im Dienſt durch Mangel
an Thätigkeit von ſeiner Seite geſchieht. Dieſer Haftung entſprechen
zwei Pflichten. Zuerſt muß er den ganzen Zuſtand des Vereins
genau kennen; ihn kann niemals die Unkenntniß gegebener Verhältniſſe
ſeiner Verantwortlichkeit entheben, wenn es überhaupt möglich war, die
betreffende Kenntniß bei gehörigem Aufwande aller Mittel ſich zu ver-
ſchaffen. Schon das Unterlaſſen von Befehlen und Maßregeln, welche
eine ſolche Kenntniß hervorbringen, macht ihn perſönlich für jeden da-
durch entſtandenen Schaden verantwortlich, nicht bloß wenn ſie durch
die Vorſicht eines homo diligens, ſondern auch dann, wenn ſie durch
fachmänniſche Kenntniß bedingt war. — Zweitens muß der Direktor
die beſtehenden Geſetze und Vorſchriften des Staats gleich-
falls genau kennen. Er iſt perſönlich in Verantwortlichkeit und Haftung
dafür, daß die Thätigkeit des Vereins ihnen gemäß geſchehe, und ihn
entſchuldigt die Unkenntniß niemals. — Es folgt drittens aus ſeiner
ganzen Stellung, daß er den Verwaltungsrath beſtändig in Kenntniß
von dem ganzen Gange des Geſchäfts erhalte. Wenn der Verwaltungs-
rath einen Beſchluß faßt, der durch Unkenntniß der Verhältniſſe von
ſeiner Seite, oder gar durch eine mangelhafte — um ſo mehr natürlich
durch eine falſche Darſtellung der Sachlage vom Direktor hervorgerufen
ward, ſo hat der Verwaltungsrath keine Verantwortung, ſondern die
ganze Haftung fällt dem Direktor zu, ſo weit nicht bei gewöhnlicher Vor-
ſicht eines gebildeten Mannes ein Mißtrauen gegen die Ausſprüche des
Direktors von Seiten des Verwaltungsrathes hatte entſtehen müſſen.
Eine ſehr wichtige Frage iſt endlich die, ob der Direktor für die
ſchädlichen Folgen ſeiner eigenen Unkenntniß haftet, das iſt, ob er
dafür verantwortlich iſt, daß er wirklich alle für ſeine Funktion noth-
wendigen Fachkenntniſſe habe, ſo daß jeder Schade, welcher dem
Verein aus Mangel an Fachkenntniſſen entſpringt, den Direktor zum
Erſatze verpflichtet.
Man muß dieſe Frage in folgender Weiſe beantworten. Da die
natürliche Stellung der Direktion die vollſte Fachkenntniß vorausſetzt,
und da der Verwaltungsrath, der den Direktor anſtellt, weder verpflichtet
ſein kann noch verpflichtet iſt, dieſe Fachkenntniß zu haben oder auch
nur beurtheilen zu können, ſo iſt die Annahme der Stellung von Seite
des Direktors der Erklärung gleich zu achten, daß er wirklich jene Fach-
kenntniſſe in einem für den Verein ausreichenden Maße beſitze, und damit
iſt die perſönliche Haftung des Direktors für jeden Nachtheil gegeben, der
aus dieſem Mangel entſpringt. Allein das zweite Element der tüchtigen
Geſchäftsführung kann ein Direktor weder verſprechen noch auch für
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/631>, abgerufen am 22.11.2024.
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