als oberaufsehendes Organ gedacht worden, indem man alle eigentlichen Be- schlüsse und Geschäfte der Direktion übergab. Allmählig aber zeigte es sich, daß diese Geschäfte, namentlich in ihrer rechtlichen Seite, oft sehr eingehender Erwägung bedurften, welche man den auf technische Thätigkeiten berechneten Direktionen nicht zumuthen konnte. Dazu kam dann die mit der Ausbreitung der Geschäfte steigende Nothwendigkeit einer ausgebreiteten Sachkunde, und das Streben der Direktionen, wenigstens einen Theil der großen Verantwortlichkeit bei großen Unternehmungen von sich abzuwälzen; endlich sogar der natürliche Wunsch der Regierungen, nicht bloß auf fachmännische Direktoren angewiesen zu sein, sowie der eben so berechtigte der Aktionäre, auf die wirkliche Verwal- tung der Geschäfte einen Einfluß durch Männer ihres Vertrauens, namentlich durch höchst betheiligte Aktionäre auszuüben. Aus allen diesen Elementen ist die Stellung des Verwaltungsrathes zusammengesetzt, und eben deßhalb bei großer formeller Gleichheit dennoch in Wirklichkeit bei den einzelnen Vereinen höchst verschieden. Es hat sich daraus der ziemlich feststehende Grundsatz ge- bildet, die Stellung und Thätigkeit des Verwaltungsrathes sich gleichsam durch sich selber bilden zu lassen; und das geschieht in der That. Die Gesetzgebungen sind in diesen Beziehungen sehr unbedeutend. Das Handelsgesetzbuch ist sich über die Natur des Verwaltungsrathes offenbar eben so wenig klar geworden, als über den Unterschied zwischen Verein und Gesellschaft überhaupt. Es hat die gonze Frage durchaus aus dem Gesichtspunkte des geschäftlichen Nutzens aufgefaßt, und daher bekanntlich in Art. 225 und 226 die Einsetzung des- selben als ganz fakultativ, und zwar eigentlich als einen dauernden Revisions- ausschuß aufgefaßt, während es in §. 209. 7. sich eben so unbestimmt über den "Vorstand" ausspricht; der §. 231 zeigt, daß der Verwaltungsrath im Grunde auch wieder mit dem Vorstand identisch genommen, und wieder neben den Auf- sichtsrath gestellt ist. Die Verhandlungen über die Sache zeigen, daß man nicht recht wußte, ob man sich auf die Sache einlassen solle oder nicht (Nürn- berger Protokoll S. 390 f.). Diese Unsicherheit beruht eben darauf, daß man nicht sah, wie die eigentliche Handelsgesellschaft eben durch die Aktie aus einer Gesellschaft ein Verein geworden ist. Ein Verein aber muß den Verwaltungs- rath nicht mehr als einen "schwerfälligen Apparat," sondern als ein nothwen- diges Organ auffassen. In diesem Sinn fordert auch das österreichische Vereinsgesetz von 1852, Art. 13, geradezu einen eigenen Ausschuß neben der Direktion. Es ist kein Zweifel, daß die Rechtslehre, welche sich an das Handelsgesetzbuch anschließen wird, die privatrechtlichen Verhältnisse des Verwaltungsrathes noch viel weiter entwickeln wird, als dieß bisher geschehen ist; aber erst die Bildung einer Theorie des Vereinswesens und einer Verwal- tungslehre wird die eigentliche Natur des Verwaltungsrathes zur rechten Gel- tung bringen. Auerbach hat demselben bereits eine freilich strenge, an das Handelsgesetzbuch anschließende Betrachtung gewidmet, ohne jedoch die von uns angeregten Punkte in's Auge zu fassen (Gesellschaftswesen §. 93). Stuben- rauch (Handbuch des Handelsrechts §. 126. 127) nimmt ihn fast ganz als Revisionsausschuß. Die territorialen Verwaltungslehrer sprechen noch gar nicht davon, indem sie überhaupt nur das öffentliche Recht des Vereinswesens
als oberaufſehendes Organ gedacht worden, indem man alle eigentlichen Be- ſchlüſſe und Geſchäfte der Direktion übergab. Allmählig aber zeigte es ſich, daß dieſe Geſchäfte, namentlich in ihrer rechtlichen Seite, oft ſehr eingehender Erwägung bedurften, welche man den auf techniſche Thätigkeiten berechneten Direktionen nicht zumuthen konnte. Dazu kam dann die mit der Ausbreitung der Geſchäfte ſteigende Nothwendigkeit einer ausgebreiteten Sachkunde, und das Streben der Direktionen, wenigſtens einen Theil der großen Verantwortlichkeit bei großen Unternehmungen von ſich abzuwälzen; endlich ſogar der natürliche Wunſch der Regierungen, nicht bloß auf fachmänniſche Direktoren angewieſen zu ſein, ſowie der eben ſo berechtigte der Aktionäre, auf die wirkliche Verwal- tung der Geſchäfte einen Einfluß durch Männer ihres Vertrauens, namentlich durch höchſt betheiligte Aktionäre auszuüben. Aus allen dieſen Elementen iſt die Stellung des Verwaltungsrathes zuſammengeſetzt, und eben deßhalb bei großer formeller Gleichheit dennoch in Wirklichkeit bei den einzelnen Vereinen höchſt verſchieden. Es hat ſich daraus der ziemlich feſtſtehende Grundſatz ge- bildet, die Stellung und Thätigkeit des Verwaltungsrathes ſich gleichſam durch ſich ſelber bilden zu laſſen; und das geſchieht in der That. Die Geſetzgebungen ſind in dieſen Beziehungen ſehr unbedeutend. Das Handelsgeſetzbuch iſt ſich über die Natur des Verwaltungsrathes offenbar eben ſo wenig klar geworden, als über den Unterſchied zwiſchen Verein und Geſellſchaft überhaupt. Es hat die gonze Frage durchaus aus dem Geſichtspunkte des geſchäftlichen Nutzens aufgefaßt, und daher bekanntlich in Art. 225 und 226 die Einſetzung des- ſelben als ganz fakultativ, und zwar eigentlich als einen dauernden Reviſions- ausſchuß aufgefaßt, während es in §. 209. 7. ſich eben ſo unbeſtimmt über den „Vorſtand“ ausſpricht; der §. 231 zeigt, daß der Verwaltungsrath im Grunde auch wieder mit dem Vorſtand identiſch genommen, und wieder neben den Auf- ſichtsrath geſtellt iſt. Die Verhandlungen über die Sache zeigen, daß man nicht recht wußte, ob man ſich auf die Sache einlaſſen ſolle oder nicht (Nürn- berger Protokoll S. 390 f.). Dieſe Unſicherheit beruht eben darauf, daß man nicht ſah, wie die eigentliche Handelsgeſellſchaft eben durch die Aktie aus einer Geſellſchaft ein Verein geworden iſt. Ein Verein aber muß den Verwaltungs- rath nicht mehr als einen „ſchwerfälligen Apparat,“ ſondern als ein nothwen- diges Organ auffaſſen. In dieſem Sinn fordert auch das öſterreichiſche Vereinsgeſetz von 1852, Art. 13, geradezu einen eigenen Ausſchuß neben der Direktion. Es iſt kein Zweifel, daß die Rechtslehre, welche ſich an das Handelsgeſetzbuch anſchließen wird, die privatrechtlichen Verhältniſſe des Verwaltungsrathes noch viel weiter entwickeln wird, als dieß bisher geſchehen iſt; aber erſt die Bildung einer Theorie des Vereinsweſens und einer Verwal- tungslehre wird die eigentliche Natur des Verwaltungsrathes zur rechten Gel- tung bringen. Auerbach hat demſelben bereits eine freilich ſtrenge, an das Handelsgeſetzbuch anſchließende Betrachtung gewidmet, ohne jedoch die von uns angeregten Punkte in’s Auge zu faſſen (Geſellſchaftsweſen §. 93). Stuben- rauch (Handbuch des Handelsrechts §. 126. 127) nimmt ihn faſt ganz als Reviſionsausſchuß. Die territorialen Verwaltungslehrer ſprechen noch gar nicht davon, indem ſie überhaupt nur das öffentliche Recht des Vereinsweſens
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als oberaufſehendes Organ gedacht worden, indem man alle eigentlichen Be-
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daß dieſe Geſchäfte, namentlich in ihrer rechtlichen Seite, oft ſehr eingehender
Erwägung bedurften, welche man den auf techniſche Thätigkeiten berechneten
Direktionen nicht zumuthen konnte. Dazu kam dann die mit der Ausbreitung
der Geſchäfte ſteigende Nothwendigkeit einer ausgebreiteten Sachkunde, und das
Streben der Direktionen, wenigſtens einen Theil der großen Verantwortlichkeit
bei großen Unternehmungen von ſich abzuwälzen; endlich ſogar der natürliche
Wunſch der Regierungen, nicht bloß auf fachmänniſche Direktoren angewieſen
zu ſein, ſowie der eben ſo berechtigte der Aktionäre, auf die wirkliche Verwal-
tung der Geſchäfte einen Einfluß durch Männer ihres Vertrauens, namentlich
durch höchſt betheiligte Aktionäre auszuüben. Aus allen dieſen Elementen iſt
die Stellung des Verwaltungsrathes zuſammengeſetzt, und eben deßhalb bei
großer formeller Gleichheit dennoch in Wirklichkeit bei den einzelnen Vereinen
höchſt verſchieden. Es hat ſich daraus der ziemlich feſtſtehende Grundſatz ge-
bildet, die Stellung und Thätigkeit des Verwaltungsrathes ſich gleichſam durch
ſich ſelber bilden zu laſſen; und das geſchieht in der That. Die Geſetzgebungen
ſind in dieſen Beziehungen ſehr unbedeutend. Das Handelsgeſetzbuch iſt ſich
über die Natur des Verwaltungsrathes offenbar eben ſo wenig klar geworden,
als über den Unterſchied zwiſchen Verein und Geſellſchaft überhaupt. Es hat
die gonze Frage durchaus aus dem Geſichtspunkte des geſchäftlichen Nutzens
aufgefaßt, und daher bekanntlich in Art. 225 und 226 die Einſetzung des-
ſelben als ganz fakultativ, und zwar eigentlich als einen dauernden Reviſions-
ausſchuß aufgefaßt, während es in §. 209. 7. ſich eben ſo unbeſtimmt über den
„Vorſtand“ ausſpricht; der §. 231 zeigt, daß der Verwaltungsrath im Grunde
auch wieder mit dem Vorſtand identiſch genommen, und wieder neben den Auf-
ſichtsrath geſtellt iſt. Die Verhandlungen über die Sache zeigen, daß man
nicht recht wußte, ob man ſich auf die Sache einlaſſen ſolle oder nicht (Nürn-
berger Protokoll S. 390 f.). Dieſe Unſicherheit beruht eben darauf, daß man
nicht ſah, wie die eigentliche Handelsgeſellſchaft eben durch die Aktie aus einer
Geſellſchaft ein Verein geworden iſt. Ein Verein aber muß den Verwaltungs-
rath nicht mehr als einen „ſchwerfälligen Apparat,“ ſondern als ein nothwen-
diges Organ auffaſſen. In dieſem Sinn fordert auch das öſterreichiſche
Vereinsgeſetz von 1852, Art. 13, geradezu einen eigenen Ausſchuß neben
der Direktion. Es iſt kein Zweifel, daß die Rechtslehre, welche ſich an
das Handelsgeſetzbuch anſchließen wird, die privatrechtlichen Verhältniſſe des
Verwaltungsrathes noch viel weiter entwickeln wird, als dieß bisher geſchehen
iſt; aber erſt die Bildung einer Theorie des Vereinsweſens und einer Verwal-
tungslehre wird die eigentliche Natur des Verwaltungsrathes zur rechten Gel-
tung bringen. Auerbach hat demſelben bereits eine freilich ſtrenge, an das
Handelsgeſetzbuch anſchließende Betrachtung gewidmet, ohne jedoch die von uns
angeregten Punkte in’s Auge zu faſſen (Geſellſchaftsweſen §. 93). Stuben-
rauch (Handbuch des Handelsrechts §. 126. 127) nimmt ihn faſt ganz als
Reviſionsausſchuß. Die territorialen Verwaltungslehrer ſprechen noch gar nicht
davon, indem ſie überhaupt nur das öffentliche Recht des Vereinsweſens
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/628>, abgerufen am 25.11.2024.
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