Gesellschaften gleich, und weicht von demselben nur so weit ab, als der öffentliche Zweck des Vereins es fordert.
Die Aufgabe des öffentlichen Vereinsrechts dagegen entsteht aus dem Wesen des Vereins, vermöge dessen derselbe nicht mehr eine Form der Gesellschaft, sondern ein Organ der Verwaltung und mithin des Staates ist. Dieß ist daher das Gebiet, in welchem das Vereinsrecht sich in Princip und Inhalt vom Gesellschaftsrecht scheidet. Im Princip dadurch, daß dasselbe nicht mehr einfach der Majorität seiner Mitglieder unterliegt, sondern nur unter Zustimmung des Staats geändert werden kann; im Inhalt dadurch, daß die wirkliche Thätigkeit des Vereins durch die Forderungen der Verwaltung bestimmt wird, zum Theil nur unter ihrer direkten Mitwirkung geschehen kann, zum Theil sogar das Recht der amtlichen Verwaltung annimmt. In diesem Sinne müssen wir das Vereinsrecht als ein vom Gesellschaftsrecht geschiedenes selb- ständiges Rechtsgebiet betrachten, das dann allerdings auch das Gesell- schaftsrecht da in sich aufnimmt, wo die Gesellschaft zugleich ein Verein ist.
Der Inhalt des Vereinsrechts zerfällt nun in zwei Theile, und zwar nach demselben Princip, wie das Recht der Selbstverwaltungs- körper. Dasselbe besteht zuerst in dem Verfassungsrecht als der Gesammtheit von Bestimmungen, nach welchen die organische Einheit der Mitglieder gebildet wird; dann aus dem Verwaltungsrecht, welches wieder die Organisation der Vereine und ihre wirkliche Verwaltung enthält. Dieser Inhalt ist sowohl für das innere als für das öffentliche Vereinsrecht gegeben, und bietet die Grundverhältnisse, auf welche alle Verschiedenheiten der Vereinsrechte zurückgeführt werden müssen.
Denn so einfach diese Grundbegriffe des Vereinsrechts sind, so verschieden sind die wirklichen Rechte der Vereine. Und zwar sind sie es in doppelter Beziehung.
Zuerst stehen die Vereine unter demselben Gesetze, wie alle leben- digen Wesen. Auch sie zeigen in innerer Ausbildung und äußerem Umfang die verschiedensten Grade der Entwicklung. Wie die Gesell- schaften von der, kaum noch als Gesellschaft erkennbaren Form der stillen Gesellschaft zu den größten Handelscompagnien hinaufsteigen, so beginnen auch die Vereine bei den untersten Formen des Lebens, und gehen von da bis zu den gewaltigsten, ganze Länder und Völker um- fassenden Erscheinungen, wie die großen Banken, Eisenbahnvereine und andere. Es ist daher natürlich unmöglich, daß alle Formen und Organe des Vereinswesens und Vereinsrechts bei allen gleichmäßig ausgebildet sein sollten. Im Gegentheil sind in den untersten Stufen dieser Ent- wicklung ganze Theile des Vereinsorganismus und seines Rechts gar
Geſellſchaften gleich, und weicht von demſelben nur ſo weit ab, als der öffentliche Zweck des Vereins es fordert.
Die Aufgabe des öffentlichen Vereinsrechts dagegen entſteht aus dem Weſen des Vereins, vermöge deſſen derſelbe nicht mehr eine Form der Geſellſchaft, ſondern ein Organ der Verwaltung und mithin des Staates iſt. Dieß iſt daher das Gebiet, in welchem das Vereinsrecht ſich in Princip und Inhalt vom Geſellſchaftsrecht ſcheidet. Im Princip dadurch, daß daſſelbe nicht mehr einfach der Majorität ſeiner Mitglieder unterliegt, ſondern nur unter Zuſtimmung des Staats geändert werden kann; im Inhalt dadurch, daß die wirkliche Thätigkeit des Vereins durch die Forderungen der Verwaltung beſtimmt wird, zum Theil nur unter ihrer direkten Mitwirkung geſchehen kann, zum Theil ſogar das Recht der amtlichen Verwaltung annimmt. In dieſem Sinne müſſen wir das Vereinsrecht als ein vom Geſellſchaftsrecht geſchiedenes ſelb- ſtändiges Rechtsgebiet betrachten, das dann allerdings auch das Geſell- ſchaftsrecht da in ſich aufnimmt, wo die Geſellſchaft zugleich ein Verein iſt.
Der Inhalt des Vereinsrechts zerfällt nun in zwei Theile, und zwar nach demſelben Princip, wie das Recht der Selbſtverwaltungs- körper. Daſſelbe beſteht zuerſt in dem Verfaſſungsrecht als der Geſammtheit von Beſtimmungen, nach welchen die organiſche Einheit der Mitglieder gebildet wird; dann aus dem Verwaltungsrecht, welches wieder die Organiſation der Vereine und ihre wirkliche Verwaltung enthält. Dieſer Inhalt iſt ſowohl für das innere als für das öffentliche Vereinsrecht gegeben, und bietet die Grundverhältniſſe, auf welche alle Verſchiedenheiten der Vereinsrechte zurückgeführt werden müſſen.
Denn ſo einfach dieſe Grundbegriffe des Vereinsrechts ſind, ſo verſchieden ſind die wirklichen Rechte der Vereine. Und zwar ſind ſie es in doppelter Beziehung.
Zuerſt ſtehen die Vereine unter demſelben Geſetze, wie alle leben- digen Weſen. Auch ſie zeigen in innerer Ausbildung und äußerem Umfang die verſchiedenſten Grade der Entwicklung. Wie die Geſell- ſchaften von der, kaum noch als Geſellſchaft erkennbaren Form der ſtillen Geſellſchaft zu den größten Handelscompagnien hinaufſteigen, ſo beginnen auch die Vereine bei den unterſten Formen des Lebens, und gehen von da bis zu den gewaltigſten, ganze Länder und Völker um- faſſenden Erſcheinungen, wie die großen Banken, Eiſenbahnvereine und andere. Es iſt daher natürlich unmöglich, daß alle Formen und Organe des Vereinsweſens und Vereinsrechts bei allen gleichmäßig ausgebildet ſein ſollten. Im Gegentheil ſind in den unterſten Stufen dieſer Ent- wicklung ganze Theile des Vereinsorganismus und ſeines Rechts gar
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0608"n="584"/>
Geſellſchaften gleich, und weicht von demſelben nur ſo weit ab, als der<lb/>
öffentliche Zweck des Vereins es fordert.</p><lb/><p>Die Aufgabe des öffentlichen Vereinsrechts dagegen entſteht aus<lb/>
dem Weſen des Vereins, vermöge deſſen derſelbe nicht mehr eine Form<lb/>
der Geſellſchaft, ſondern ein Organ der Verwaltung und mithin des<lb/>
Staates iſt. Dieß iſt daher das Gebiet, in welchem das Vereinsrecht<lb/>ſich in Princip und Inhalt vom Geſellſchaftsrecht ſcheidet. Im Princip<lb/>
dadurch, daß daſſelbe nicht mehr einfach der Majorität ſeiner Mitglieder<lb/>
unterliegt, ſondern nur unter Zuſtimmung des Staats geändert werden<lb/>
kann; im Inhalt dadurch, daß die wirkliche Thätigkeit des Vereins<lb/>
durch die Forderungen der Verwaltung beſtimmt wird, zum Theil nur<lb/>
unter ihrer direkten Mitwirkung geſchehen kann, zum Theil ſogar das<lb/>
Recht der amtlichen Verwaltung annimmt. In dieſem Sinne müſſen<lb/>
wir das Vereinsrecht als ein vom Geſellſchaftsrecht geſchiedenes ſelb-<lb/>ſtändiges Rechtsgebiet betrachten, das dann allerdings auch das Geſell-<lb/>ſchaftsrecht da in ſich aufnimmt, wo die Geſellſchaft zugleich ein Verein iſt.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Inhalt</hi> des Vereinsrechts zerfällt nun in zwei Theile, und<lb/>
zwar nach demſelben Princip, wie das Recht der Selbſtverwaltungs-<lb/>
körper. Daſſelbe beſteht zuerſt in dem <hirendition="#g">Verfaſſungsrecht</hi> als der<lb/>
Geſammtheit von Beſtimmungen, nach welchen die organiſche Einheit<lb/>
der Mitglieder gebildet wird; dann aus dem <hirendition="#g">Verwaltungsrecht</hi>,<lb/>
welches wieder die <hirendition="#g">Organiſation</hi> der Vereine und ihre <hirendition="#g">wirkliche</hi><lb/>
Verwaltung enthält. Dieſer Inhalt iſt ſowohl für das innere als für<lb/>
das öffentliche Vereinsrecht gegeben, und bietet die Grundverhältniſſe,<lb/>
auf welche alle Verſchiedenheiten der Vereinsrechte zurückgeführt werden<lb/>
müſſen.</p><lb/><p>Denn ſo einfach dieſe Grundbegriffe des Vereinsrechts ſind, ſo<lb/>
verſchieden ſind die wirklichen Rechte der Vereine. Und zwar ſind ſie<lb/>
es in doppelter Beziehung.</p><lb/><p>Zuerſt ſtehen die Vereine unter demſelben Geſetze, wie alle leben-<lb/>
digen Weſen. Auch ſie zeigen in innerer Ausbildung und äußerem<lb/>
Umfang die verſchiedenſten Grade der Entwicklung. Wie die Geſell-<lb/>ſchaften von der, kaum noch als Geſellſchaft erkennbaren Form der<lb/>ſtillen Geſellſchaft zu den größten Handelscompagnien hinaufſteigen, ſo<lb/>
beginnen auch die Vereine bei den unterſten Formen des Lebens, und<lb/>
gehen von da bis zu den gewaltigſten, ganze Länder und Völker um-<lb/>
faſſenden Erſcheinungen, wie die großen Banken, Eiſenbahnvereine und<lb/>
andere. Es iſt daher natürlich unmöglich, daß alle Formen und Organe<lb/>
des Vereinsweſens und Vereinsrechts bei allen gleichmäßig ausgebildet<lb/>ſein ſollten. Im Gegentheil ſind in den unterſten Stufen dieſer Ent-<lb/>
wicklung ganze Theile des Vereinsorganismus und ſeines Rechts gar<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[584/0608]
Geſellſchaften gleich, und weicht von demſelben nur ſo weit ab, als der
öffentliche Zweck des Vereins es fordert.
Die Aufgabe des öffentlichen Vereinsrechts dagegen entſteht aus
dem Weſen des Vereins, vermöge deſſen derſelbe nicht mehr eine Form
der Geſellſchaft, ſondern ein Organ der Verwaltung und mithin des
Staates iſt. Dieß iſt daher das Gebiet, in welchem das Vereinsrecht
ſich in Princip und Inhalt vom Geſellſchaftsrecht ſcheidet. Im Princip
dadurch, daß daſſelbe nicht mehr einfach der Majorität ſeiner Mitglieder
unterliegt, ſondern nur unter Zuſtimmung des Staats geändert werden
kann; im Inhalt dadurch, daß die wirkliche Thätigkeit des Vereins
durch die Forderungen der Verwaltung beſtimmt wird, zum Theil nur
unter ihrer direkten Mitwirkung geſchehen kann, zum Theil ſogar das
Recht der amtlichen Verwaltung annimmt. In dieſem Sinne müſſen
wir das Vereinsrecht als ein vom Geſellſchaftsrecht geſchiedenes ſelb-
ſtändiges Rechtsgebiet betrachten, das dann allerdings auch das Geſell-
ſchaftsrecht da in ſich aufnimmt, wo die Geſellſchaft zugleich ein Verein iſt.
Der Inhalt des Vereinsrechts zerfällt nun in zwei Theile, und
zwar nach demſelben Princip, wie das Recht der Selbſtverwaltungs-
körper. Daſſelbe beſteht zuerſt in dem Verfaſſungsrecht als der
Geſammtheit von Beſtimmungen, nach welchen die organiſche Einheit
der Mitglieder gebildet wird; dann aus dem Verwaltungsrecht,
welches wieder die Organiſation der Vereine und ihre wirkliche
Verwaltung enthält. Dieſer Inhalt iſt ſowohl für das innere als für
das öffentliche Vereinsrecht gegeben, und bietet die Grundverhältniſſe,
auf welche alle Verſchiedenheiten der Vereinsrechte zurückgeführt werden
müſſen.
Denn ſo einfach dieſe Grundbegriffe des Vereinsrechts ſind, ſo
verſchieden ſind die wirklichen Rechte der Vereine. Und zwar ſind ſie
es in doppelter Beziehung.
Zuerſt ſtehen die Vereine unter demſelben Geſetze, wie alle leben-
digen Weſen. Auch ſie zeigen in innerer Ausbildung und äußerem
Umfang die verſchiedenſten Grade der Entwicklung. Wie die Geſell-
ſchaften von der, kaum noch als Geſellſchaft erkennbaren Form der
ſtillen Geſellſchaft zu den größten Handelscompagnien hinaufſteigen, ſo
beginnen auch die Vereine bei den unterſten Formen des Lebens, und
gehen von da bis zu den gewaltigſten, ganze Länder und Völker um-
faſſenden Erſcheinungen, wie die großen Banken, Eiſenbahnvereine und
andere. Es iſt daher natürlich unmöglich, daß alle Formen und Organe
des Vereinsweſens und Vereinsrechts bei allen gleichmäßig ausgebildet
ſein ſollten. Im Gegentheil ſind in den unterſten Stufen dieſer Ent-
wicklung ganze Theile des Vereinsorganismus und ſeines Rechts gar
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/608>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.