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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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entspricht, daß die Gesetzgebung über Gesellschaftswesen im Gebiete des
Privatrechts, die über Vereinswesen im Gebiete des öffentlichen Rechts
liegt. Allerdings trägt dazu das Auftreten der sogenannten "politischen"
Vereine viel bei. Wir finden nirgends einen Versuch, die politischen
Vereine gegenüber den nichtpolitischen zu definiren, so wichtig auch die
Sache in einigen Gesetzgebungen erscheint. Denn wenn z. B. das öster-
reichische Vereinsgesetz vom 26. November 1852 sagt: "die Bildung von
Vereinen, welche sich Zwecke vorsetzen, die in den Bereich der Gesetz-
gebung oder der öffentlichen Verwaltung fallen, ist untersagt," so ist
damit keine Definition gegeben; denn jeder Verein hat es mit solchen
Zwecken zu thun. Es gibt nur eine durchgreifende Unterscheidung.
Politische Vereine können nur die sein, welche die Aenderung der be-
stehenden Verfassung oder des Organismus der vollziehenden Gewalt
durch ihre Thätigkeit herbeiführen wollen. Nichtpolitische Vereine haben
die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe im engern Sinne zum In-
halt, und können wieder reine Vereine sein, wie z. B. Armenvereine, oder
zugleich Gesellschaften. Hält man dieß fest, so ist es klar, daß dadurch
auch wieder ein verschiedenes Verhältniß des Vereins zur Regierung
bedingt wird. Wir werden dasselbe später charakterisiren. Hier ist zu-
nächst gewiß, daß, obwohl Verein und Gesellschaft in der Form ganz
gleichartig sind, dennoch eben durch die verschiedene Beziehung zum
Staate auch das Vereinsrecht ein verschiedenes vom Gesellschaftsrecht
sein wird. Und wir können daher schon hier sagen, daß wir unserer-
seits, indem wir vom Vereinswesen reden, das ganze Gesellschaftsrecht
der Lehre vom Handelsrecht überweisen.

Somit haben wir für den Verein eine feste Gränzbestimmung ge-
funden, welche wir dem Vereinsrecht zum Grunde legen. Es bleibt
uns aber ein zweites Gebiet, ohne welches, obgleich es nicht unbedingt
dem Vereinswesen gehört, dasselbe dennoch stets unvollendet bleiben
würde. Das ist die Lehre von der juristischen Persönlichkeit.

Es kann uns hier allerdings nicht einfallen, eine irgendwie eingehende
Kritik der bestehenden Gesetzgebung oder der Literatur über das Gesellschafts-
wesen zu geben. Wir wollen daher auch nur zwei Punkte anführen, die das
Verhältniß unserer Auffassung vielleicht klar machen werden. Wir müssen daran
festhalten, daß man die Namen der eigentlichen Handelsgesellschaft oder Comman-
dite nur auf diejenigen gewerblichen Vereinigungen anwenden darf, welche ein,
nicht mehr wie bei der stillen oder offenen Gesellschaft neuen oder alten Styls
einem Einzelnen, sondern eben der Vereinigung selbst gehöriges Unter-
nehmen zur Grundlage haben; eine Vorstellungsweise, welche dem Handels-
gesetzbuch fehlt, und der Grund seiner zum Theil ganz unpraktischen Bestim-
mungen ist. Leider hat auch Auerbach, der sonst sehr genau und sehr ge-
wandt die Sache von allen Seiten betrachtet, diesen Unterschied nicht erkannt,

entſpricht, daß die Geſetzgebung über Geſellſchaftsweſen im Gebiete des
Privatrechts, die über Vereinsweſen im Gebiete des öffentlichen Rechts
liegt. Allerdings trägt dazu das Auftreten der ſogenannten „politiſchen“
Vereine viel bei. Wir finden nirgends einen Verſuch, die politiſchen
Vereine gegenüber den nichtpolitiſchen zu definiren, ſo wichtig auch die
Sache in einigen Geſetzgebungen erſcheint. Denn wenn z. B. das öſter-
reichiſche Vereinsgeſetz vom 26. November 1852 ſagt: „die Bildung von
Vereinen, welche ſich Zwecke vorſetzen, die in den Bereich der Geſetz-
gebung oder der öffentlichen Verwaltung fallen, iſt unterſagt,“ ſo iſt
damit keine Definition gegeben; denn jeder Verein hat es mit ſolchen
Zwecken zu thun. Es gibt nur eine durchgreifende Unterſcheidung.
Politiſche Vereine können nur die ſein, welche die Aenderung der be-
ſtehenden Verfaſſung oder des Organismus der vollziehenden Gewalt
durch ihre Thätigkeit herbeiführen wollen. Nichtpolitiſche Vereine haben
die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe im engern Sinne zum In-
halt, und können wieder reine Vereine ſein, wie z. B. Armenvereine, oder
zugleich Geſellſchaften. Hält man dieß feſt, ſo iſt es klar, daß dadurch
auch wieder ein verſchiedenes Verhältniß des Vereins zur Regierung
bedingt wird. Wir werden daſſelbe ſpäter charakteriſiren. Hier iſt zu-
nächſt gewiß, daß, obwohl Verein und Geſellſchaft in der Form ganz
gleichartig ſind, dennoch eben durch die verſchiedene Beziehung zum
Staate auch das Vereinsrecht ein verſchiedenes vom Geſellſchaftsrecht
ſein wird. Und wir können daher ſchon hier ſagen, daß wir unſerer-
ſeits, indem wir vom Vereinsweſen reden, das ganze Geſellſchaftsrecht
der Lehre vom Handelsrecht überweiſen.

Somit haben wir für den Verein eine feſte Gränzbeſtimmung ge-
funden, welche wir dem Vereinsrecht zum Grunde legen. Es bleibt
uns aber ein zweites Gebiet, ohne welches, obgleich es nicht unbedingt
dem Vereinsweſen gehört, daſſelbe dennoch ſtets unvollendet bleiben
würde. Das iſt die Lehre von der juriſtiſchen Perſönlichkeit.

Es kann uns hier allerdings nicht einfallen, eine irgendwie eingehende
Kritik der beſtehenden Geſetzgebung oder der Literatur über das Geſellſchafts-
weſen zu geben. Wir wollen daher auch nur zwei Punkte anführen, die das
Verhältniß unſerer Auffaſſung vielleicht klar machen werden. Wir müſſen daran
feſthalten, daß man die Namen der eigentlichen Handelsgeſellſchaft oder Comman-
dite nur auf diejenigen gewerblichen Vereinigungen anwenden darf, welche ein,
nicht mehr wie bei der ſtillen oder offenen Geſellſchaft neuen oder alten Styls
einem Einzelnen, ſondern eben der Vereinigung ſelbſt gehöriges Unter-
nehmen zur Grundlage haben; eine Vorſtellungsweiſe, welche dem Handels-
geſetzbuch fehlt, und der Grund ſeiner zum Theil ganz unpraktiſchen Beſtim-
mungen iſt. Leider hat auch Auerbach, der ſonſt ſehr genau und ſehr ge-
wandt die Sache von allen Seiten betrachtet, dieſen Unterſchied nicht erkannt,

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[574/0598] entſpricht, daß die Geſetzgebung über Geſellſchaftsweſen im Gebiete des Privatrechts, die über Vereinsweſen im Gebiete des öffentlichen Rechts liegt. Allerdings trägt dazu das Auftreten der ſogenannten „politiſchen“ Vereine viel bei. Wir finden nirgends einen Verſuch, die politiſchen Vereine gegenüber den nichtpolitiſchen zu definiren, ſo wichtig auch die Sache in einigen Geſetzgebungen erſcheint. Denn wenn z. B. das öſter- reichiſche Vereinsgeſetz vom 26. November 1852 ſagt: „die Bildung von Vereinen, welche ſich Zwecke vorſetzen, die in den Bereich der Geſetz- gebung oder der öffentlichen Verwaltung fallen, iſt unterſagt,“ ſo iſt damit keine Definition gegeben; denn jeder Verein hat es mit ſolchen Zwecken zu thun. Es gibt nur eine durchgreifende Unterſcheidung. Politiſche Vereine können nur die ſein, welche die Aenderung der be- ſtehenden Verfaſſung oder des Organismus der vollziehenden Gewalt durch ihre Thätigkeit herbeiführen wollen. Nichtpolitiſche Vereine haben die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe im engern Sinne zum In- halt, und können wieder reine Vereine ſein, wie z. B. Armenvereine, oder zugleich Geſellſchaften. Hält man dieß feſt, ſo iſt es klar, daß dadurch auch wieder ein verſchiedenes Verhältniß des Vereins zur Regierung bedingt wird. Wir werden daſſelbe ſpäter charakteriſiren. Hier iſt zu- nächſt gewiß, daß, obwohl Verein und Geſellſchaft in der Form ganz gleichartig ſind, dennoch eben durch die verſchiedene Beziehung zum Staate auch das Vereinsrecht ein verſchiedenes vom Geſellſchaftsrecht ſein wird. Und wir können daher ſchon hier ſagen, daß wir unſerer- ſeits, indem wir vom Vereinsweſen reden, das ganze Geſellſchaftsrecht der Lehre vom Handelsrecht überweiſen. Somit haben wir für den Verein eine feſte Gränzbeſtimmung ge- funden, welche wir dem Vereinsrecht zum Grunde legen. Es bleibt uns aber ein zweites Gebiet, ohne welches, obgleich es nicht unbedingt dem Vereinsweſen gehört, daſſelbe dennoch ſtets unvollendet bleiben würde. Das iſt die Lehre von der juriſtiſchen Perſönlichkeit. Es kann uns hier allerdings nicht einfallen, eine irgendwie eingehende Kritik der beſtehenden Geſetzgebung oder der Literatur über das Geſellſchafts- weſen zu geben. Wir wollen daher auch nur zwei Punkte anführen, die das Verhältniß unſerer Auffaſſung vielleicht klar machen werden. Wir müſſen daran feſthalten, daß man die Namen der eigentlichen Handelsgeſellſchaft oder Comman- dite nur auf diejenigen gewerblichen Vereinigungen anwenden darf, welche ein, nicht mehr wie bei der ſtillen oder offenen Geſellſchaft neuen oder alten Styls einem Einzelnen, ſondern eben der Vereinigung ſelbſt gehöriges Unter- nehmen zur Grundlage haben; eine Vorſtellungsweiſe, welche dem Handels- geſetzbuch fehlt, und der Grund ſeiner zum Theil ganz unpraktiſchen Beſtim- mungen iſt. Leider hat auch Auerbach, der ſonſt ſehr genau und ſehr ge- wandt die Sache von allen Seiten betrachtet, dieſen Unterſchied nicht erkannt,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/598>, abgerufen am 22.11.2024.