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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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eine scharfe Gränze zwischen der Commandite und der stillen Gesellschaft
zu ziehen, wie sie dort eingeführt sind. Dennoch gibt es kein Recht
ohne eine solche scharfe Gränze, und diese besteht einzig und allein
darin, daß die Commandite nur dann als Form der Gesellschaft ver-
ständlich ist, wenn durch den Commanditenvertrag das Geschäft der
Commandite zum Eigenthum der Gesellschafter erklärt
wird
. Und erst dadurch wird das Folgende klar.

Eine solche Commandite kann nun die Antheile, welche der Einzelne
für das Kapital des neuen Unternehmens hergibt, entweder in der Form
einer einfachen Summe, oder in der Form einer Aktieneinzahlung leisten,
und daher seinen Antheil als bloße Buchforderung auf Grundlage des
Gesellschaftsvertrages, oder in der Form von Aktien darstellen. Es ist
das für den Begriff einer selbständigen gemeinschaftlichen Unterneh-
mung auf Antheile ganz gleichgültig, und rein eine Frage der Zweck-
mäßigkeit. Von diesem Standpunkt aus muß das Recht der Comman-
ditgesellschaft auf Aktien, das das Handelsgesetzbuch eingeführt hat, als
ein in jeder Beziehung verkehrtes betrachtet werden. Denn dadurch ver-
schwindet das Einzige, was die Aktien im volkswirthschaftlichen Leben
als zulässig erscheinen läßt, indem sie ihnen einen annähernd festen
Maßstab des Werthes gibt, die Beziehung auf ein festes, ihr eigenthüm-
liches Kapital. Dieser größte Fehler im deutschen Handelsgesetzbuch ist
wiederum nur erklärlich durch die Unklarheit über den wesentlichen
Unterschied zwischen stiller und Commanditgesellschaft, und wir halten
es für unmöglich, daß eine Regierung solche Commanditgesellschaften
auf Aktien jemals genehmigen wird, ohne sie zu förmlichen Aktiengesell-
schaften zu machen. Doch können wir hier nicht darauf weiter eingehen.
So viel leuchtet aber jedenfalls ein, daß die Aktie für den Begriff einer
selbständigen Gesellschaft unwesentlich ist; die Rechte derselben beruhen eben
auf dieser wirthschaftlichen Selbständigkeit, und die letztere bedingt nun
die folgenden Grundsätze, die für jede solche Gesellschaft Gültigkeit haben.

Indem nämlich in dieser eigentlichen Handelsgesellschaft, wie
wir dieselbe nennen, gleichviel ob sie durch das Hergeben des ganzen
Vermögens einiger und einzelner Summen anderer, oder bloß durch
das letztere entsteht, das Geschäft sich selbständig von den Unterneh-
mungen der Betheiligten trennt, und als selbständiges Gesammt-
geschäft dasteht, muß dieß selbständige Geschäft auch eine selbständige
Leitung
haben. In dieser Leitung muß jeder Theilnehmer einen
gewissen Antheil an der Thätigkeit des Ganzen besitzen, die letztere aber
von einem selbständigen Organe vollzogen werden. So entsteht mit der
eigentlichen Handelsgesellschaft zuerst ein selbständiger Organis-
mus
, der von den Theilnehmern getrennt, eben der Organismus der

eine ſcharfe Gränze zwiſchen der Commandite und der ſtillen Geſellſchaft
zu ziehen, wie ſie dort eingeführt ſind. Dennoch gibt es kein Recht
ohne eine ſolche ſcharfe Gränze, und dieſe beſteht einzig und allein
darin, daß die Commandite nur dann als Form der Geſellſchaft ver-
ſtändlich iſt, wenn durch den Commanditenvertrag das Geſchäft der
Commandite zum Eigenthum der Geſellſchafter erklärt
wird
. Und erſt dadurch wird das Folgende klar.

Eine ſolche Commandite kann nun die Antheile, welche der Einzelne
für das Kapital des neuen Unternehmens hergibt, entweder in der Form
einer einfachen Summe, oder in der Form einer Aktieneinzahlung leiſten,
und daher ſeinen Antheil als bloße Buchforderung auf Grundlage des
Geſellſchaftsvertrages, oder in der Form von Aktien darſtellen. Es iſt
das für den Begriff einer ſelbſtändigen gemeinſchaftlichen Unterneh-
mung auf Antheile ganz gleichgültig, und rein eine Frage der Zweck-
mäßigkeit. Von dieſem Standpunkt aus muß das Recht der Comman-
ditgeſellſchaft auf Aktien, das das Handelsgeſetzbuch eingeführt hat, als
ein in jeder Beziehung verkehrtes betrachtet werden. Denn dadurch ver-
ſchwindet das Einzige, was die Aktien im volkswirthſchaftlichen Leben
als zuläſſig erſcheinen läßt, indem ſie ihnen einen annähernd feſten
Maßſtab des Werthes gibt, die Beziehung auf ein feſtes, ihr eigenthüm-
liches Kapital. Dieſer größte Fehler im deutſchen Handelsgeſetzbuch iſt
wiederum nur erklärlich durch die Unklarheit über den weſentlichen
Unterſchied zwiſchen ſtiller und Commanditgeſellſchaft, und wir halten
es für unmöglich, daß eine Regierung ſolche Commanditgeſellſchaften
auf Aktien jemals genehmigen wird, ohne ſie zu förmlichen Aktiengeſell-
ſchaften zu machen. Doch können wir hier nicht darauf weiter eingehen.
So viel leuchtet aber jedenfalls ein, daß die Aktie für den Begriff einer
ſelbſtändigen Geſellſchaft unweſentlich iſt; die Rechte derſelben beruhen eben
auf dieſer wirthſchaftlichen Selbſtändigkeit, und die letztere bedingt nun
die folgenden Grundſätze, die für jede ſolche Geſellſchaft Gültigkeit haben.

Indem nämlich in dieſer eigentlichen Handelsgeſellſchaft, wie
wir dieſelbe nennen, gleichviel ob ſie durch das Hergeben des ganzen
Vermögens einiger und einzelner Summen anderer, oder bloß durch
das letztere entſteht, das Geſchäft ſich ſelbſtändig von den Unterneh-
mungen der Betheiligten trennt, und als ſelbſtändiges Geſammt-
geſchäft daſteht, muß dieß ſelbſtändige Geſchäft auch eine ſelbſtändige
Leitung
haben. In dieſer Leitung muß jeder Theilnehmer einen
gewiſſen Antheil an der Thätigkeit des Ganzen beſitzen, die letztere aber
von einem ſelbſtändigen Organe vollzogen werden. So entſteht mit der
eigentlichen Handelsgeſellſchaft zuerſt ein ſelbſtändiger Organis-
mus
, der von den Theilnehmern getrennt, eben der Organismus der

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[571/0595] eine ſcharfe Gränze zwiſchen der Commandite und der ſtillen Geſellſchaft zu ziehen, wie ſie dort eingeführt ſind. Dennoch gibt es kein Recht ohne eine ſolche ſcharfe Gränze, und dieſe beſteht einzig und allein darin, daß die Commandite nur dann als Form der Geſellſchaft ver- ſtändlich iſt, wenn durch den Commanditenvertrag das Geſchäft der Commandite zum Eigenthum der Geſellſchafter erklärt wird. Und erſt dadurch wird das Folgende klar. Eine ſolche Commandite kann nun die Antheile, welche der Einzelne für das Kapital des neuen Unternehmens hergibt, entweder in der Form einer einfachen Summe, oder in der Form einer Aktieneinzahlung leiſten, und daher ſeinen Antheil als bloße Buchforderung auf Grundlage des Geſellſchaftsvertrages, oder in der Form von Aktien darſtellen. Es iſt das für den Begriff einer ſelbſtändigen gemeinſchaftlichen Unterneh- mung auf Antheile ganz gleichgültig, und rein eine Frage der Zweck- mäßigkeit. Von dieſem Standpunkt aus muß das Recht der Comman- ditgeſellſchaft auf Aktien, das das Handelsgeſetzbuch eingeführt hat, als ein in jeder Beziehung verkehrtes betrachtet werden. Denn dadurch ver- ſchwindet das Einzige, was die Aktien im volkswirthſchaftlichen Leben als zuläſſig erſcheinen läßt, indem ſie ihnen einen annähernd feſten Maßſtab des Werthes gibt, die Beziehung auf ein feſtes, ihr eigenthüm- liches Kapital. Dieſer größte Fehler im deutſchen Handelsgeſetzbuch iſt wiederum nur erklärlich durch die Unklarheit über den weſentlichen Unterſchied zwiſchen ſtiller und Commanditgeſellſchaft, und wir halten es für unmöglich, daß eine Regierung ſolche Commanditgeſellſchaften auf Aktien jemals genehmigen wird, ohne ſie zu förmlichen Aktiengeſell- ſchaften zu machen. Doch können wir hier nicht darauf weiter eingehen. So viel leuchtet aber jedenfalls ein, daß die Aktie für den Begriff einer ſelbſtändigen Geſellſchaft unweſentlich iſt; die Rechte derſelben beruhen eben auf dieſer wirthſchaftlichen Selbſtändigkeit, und die letztere bedingt nun die folgenden Grundſätze, die für jede ſolche Geſellſchaft Gültigkeit haben. Indem nämlich in dieſer eigentlichen Handelsgeſellſchaft, wie wir dieſelbe nennen, gleichviel ob ſie durch das Hergeben des ganzen Vermögens einiger und einzelner Summen anderer, oder bloß durch das letztere entſteht, das Geſchäft ſich ſelbſtändig von den Unterneh- mungen der Betheiligten trennt, und als ſelbſtändiges Geſammt- geſchäft daſteht, muß dieß ſelbſtändige Geſchäft auch eine ſelbſtändige Leitung haben. In dieſer Leitung muß jeder Theilnehmer einen gewiſſen Antheil an der Thätigkeit des Ganzen beſitzen, die letztere aber von einem ſelbſtändigen Organe vollzogen werden. So entſteht mit der eigentlichen Handelsgeſellſchaft zuerſt ein ſelbſtändiger Organis- mus, der von den Theilnehmern getrennt, eben der Organismus der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/595>, abgerufen am 22.11.2024.