III. Neben dem Vereinswesen steht nun eine zweite Erscheinung, welche bei ganz gleichen Formen einen wesentlich andern Charakter hat, und daher auch einem ganz andern Recht unterliegt. Das ist das Verbin- dungswesen. Die Verbindung ist diejenige Art des Vereins, deren Zweck eine Umgestaltung nicht mehr der Verwaltung, sondern der Ver- fassung des Staats ist. Ihre Aufgabe ist es, durch die ihr zu Gebote stehenden Mittel eine von ihr selbst gesetzte Aenderung in der ver- fassungsmäßigen Ordnung des Staats hervorzurufen. Die Verbindung tritt dadurch in einen principiellen Gegensatz mit den Grundprincipien des Verfassungsrechts. Ihre Tendenz ist es, durch die Thätigkeit des- jenigen Theiles der Gesammtheit, welcher ihr angehört als Mitglieder, das Recht und die Ordnung der Gemeinschaft zu bestimmen; sie will daher, gleichviel in welcher Intention, eine Herrschaft eines Theiles über Alle, eine Unterwerfung des Staatswillens unter den Willen der Einzelnen, welche der Verbindung angehören. Das ist ein absoluter Widerspruch im Princip selbst, eine direkte Negation des Staats, der die persönliche Einheit Aller ist. Jede Verbindung ist daher an und für sich im Widerspruche mit der Staatsidee, und tritt dadurch in Widerspruch mit sich selbst; denn sie erlaubt nicht, daß neben ihr eine andere Verbindung eine andere Auffassung der Staatsverfassung mit denselben Mitteln wie sie verfolge, und ihr wird daher für Andere dasselbe zum Unrecht, was sie für sich als Recht anerkennt. Dieser, schon im Begriffe der Verbindung liegende unlösbare Widerspruch er- scheint nun stets in den Mitteln, vermöge deren sie ihre Zwecke zu erreichen trachtet. Denn sie will die Aenderung der Staatsordnung mit Gewalt in irgend einer Form erzielen; sie macht daher die äußere Gewalt zum bildenden Element der Verfassung, und tritt damit nicht bloß selbst als äußerer Feind des Staats auf, sondern negirt auch das innere organische Princip aller persönlichen Entwicklung, in welcher die gegebenen Ordnungen stets die Erzeugnisse geistig wirkender Elemente sind und sein sollen. Die Verbindung kennt ihrerseits dieß wider- sprechende Verhältniß zwischen sich und dem Staate recht wohl; sie weiß, daß sie geradezu ein innerer und zugleich ein äußerer Feind des bestehenden Staats ist, und daß ihre wirkliche Thätigkeit nichts ist, als ein organisirtes Verbrechen. Denn gewiß ist es das erste Princip aller Verbindungen, sich dem Staate und seiner Gewalt zu entziehen; jede Verbindung ist grundsätzlich eine geheime Verbindung.
Ihr zweites Princip ist ein zweiter Widerspruch mit dem Wesen des Vereins und der freien Staatsentwicklung, ja mit sich selber; es ist der Grundsatz des unbedingten Gehorsams der Glieder gegen die Leiter des Ganzen. Der unbedingte Gehorsam gehört qualitativ
III. Neben dem Vereinsweſen ſteht nun eine zweite Erſcheinung, welche bei ganz gleichen Formen einen weſentlich andern Charakter hat, und daher auch einem ganz andern Recht unterliegt. Das iſt das Verbin- dungsweſen. Die Verbindung iſt diejenige Art des Vereins, deren Zweck eine Umgeſtaltung nicht mehr der Verwaltung, ſondern der Ver- faſſung des Staats iſt. Ihre Aufgabe iſt es, durch die ihr zu Gebote ſtehenden Mittel eine von ihr ſelbſt geſetzte Aenderung in der ver- faſſungsmäßigen Ordnung des Staats hervorzurufen. Die Verbindung tritt dadurch in einen principiellen Gegenſatz mit den Grundprincipien des Verfaſſungsrechts. Ihre Tendenz iſt es, durch die Thätigkeit des- jenigen Theiles der Geſammtheit, welcher ihr angehört als Mitglieder, das Recht und die Ordnung der Gemeinſchaft zu beſtimmen; ſie will daher, gleichviel in welcher Intention, eine Herrſchaft eines Theiles über Alle, eine Unterwerfung des Staatswillens unter den Willen der Einzelnen, welche der Verbindung angehören. Das iſt ein abſoluter Widerſpruch im Princip ſelbſt, eine direkte Negation des Staats, der die perſönliche Einheit Aller iſt. Jede Verbindung iſt daher an und für ſich im Widerſpruche mit der Staatsidee, und tritt dadurch in Widerſpruch mit ſich ſelbſt; denn ſie erlaubt nicht, daß neben ihr eine andere Verbindung eine andere Auffaſſung der Staatsverfaſſung mit denſelben Mitteln wie ſie verfolge, und ihr wird daher für Andere daſſelbe zum Unrecht, was ſie für ſich als Recht anerkennt. Dieſer, ſchon im Begriffe der Verbindung liegende unlösbare Widerſpruch er- ſcheint nun ſtets in den Mitteln, vermöge deren ſie ihre Zwecke zu erreichen trachtet. Denn ſie will die Aenderung der Staatsordnung mit Gewalt in irgend einer Form erzielen; ſie macht daher die äußere Gewalt zum bildenden Element der Verfaſſung, und tritt damit nicht bloß ſelbſt als äußerer Feind des Staats auf, ſondern negirt auch das innere organiſche Princip aller perſönlichen Entwicklung, in welcher die gegebenen Ordnungen ſtets die Erzeugniſſe geiſtig wirkender Elemente ſind und ſein ſollen. Die Verbindung kennt ihrerſeits dieß wider- ſprechende Verhältniß zwiſchen ſich und dem Staate recht wohl; ſie weiß, daß ſie geradezu ein innerer und zugleich ein äußerer Feind des beſtehenden Staats iſt, und daß ihre wirkliche Thätigkeit nichts iſt, als ein organiſirtes Verbrechen. Denn gewiß iſt es das erſte Princip aller Verbindungen, ſich dem Staate und ſeiner Gewalt zu entziehen; jede Verbindung iſt grundſätzlich eine geheime Verbindung.
Ihr zweites Princip iſt ein zweiter Widerſpruch mit dem Weſen des Vereins und der freien Staatsentwicklung, ja mit ſich ſelber; es iſt der Grundſatz des unbedingten Gehorſams der Glieder gegen die Leiter des Ganzen. Der unbedingte Gehorſam gehört qualitativ
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III. Neben dem Vereinsweſen ſteht nun eine zweite Erſcheinung, welche
bei ganz gleichen Formen einen weſentlich andern Charakter hat, und
daher auch einem ganz andern Recht unterliegt. Das iſt das Verbin-
dungsweſen. Die Verbindung iſt diejenige Art des Vereins, deren
Zweck eine Umgeſtaltung nicht mehr der Verwaltung, ſondern der Ver-
faſſung des Staats iſt. Ihre Aufgabe iſt es, durch die ihr zu Gebote
ſtehenden Mittel eine von ihr ſelbſt geſetzte Aenderung in der ver-
faſſungsmäßigen Ordnung des Staats hervorzurufen. Die Verbindung
tritt dadurch in einen principiellen Gegenſatz mit den Grundprincipien
des Verfaſſungsrechts. Ihre Tendenz iſt es, durch die Thätigkeit des-
jenigen Theiles der Geſammtheit, welcher ihr angehört als Mitglieder,
das Recht und die Ordnung der Gemeinſchaft zu beſtimmen; ſie will
daher, gleichviel in welcher Intention, eine Herrſchaft eines Theiles
über Alle, eine Unterwerfung des Staatswillens unter den Willen der
Einzelnen, welche der Verbindung angehören. Das iſt ein abſoluter
Widerſpruch im Princip ſelbſt, eine direkte Negation des Staats, der
die perſönliche Einheit Aller iſt. Jede Verbindung iſt daher an und
für ſich im Widerſpruche mit der Staatsidee, und tritt dadurch in
Widerſpruch mit ſich ſelbſt; denn ſie erlaubt nicht, daß neben ihr eine
andere Verbindung eine andere Auffaſſung der Staatsverfaſſung mit
denſelben Mitteln wie ſie verfolge, und ihr wird daher für Andere
daſſelbe zum Unrecht, was ſie für ſich als Recht anerkennt. Dieſer,
ſchon im Begriffe der Verbindung liegende unlösbare Widerſpruch er-
ſcheint nun ſtets in den Mitteln, vermöge deren ſie ihre Zwecke zu
erreichen trachtet. Denn ſie will die Aenderung der Staatsordnung
mit Gewalt in irgend einer Form erzielen; ſie macht daher die äußere
Gewalt zum bildenden Element der Verfaſſung, und tritt damit nicht
bloß ſelbſt als äußerer Feind des Staats auf, ſondern negirt auch das
innere organiſche Princip aller perſönlichen Entwicklung, in welcher die
gegebenen Ordnungen ſtets die Erzeugniſſe geiſtig wirkender Elemente
ſind und ſein ſollen. Die Verbindung kennt ihrerſeits dieß wider-
ſprechende Verhältniß zwiſchen ſich und dem Staate recht wohl; ſie
weiß, daß ſie geradezu ein innerer und zugleich ein äußerer Feind des
beſtehenden Staats iſt, und daß ihre wirkliche Thätigkeit nichts iſt, als
ein organiſirtes Verbrechen. Denn gewiß iſt es das erſte Princip aller
Verbindungen, ſich dem Staate und ſeiner Gewalt zu entziehen; jede
Verbindung iſt grundſätzlich eine geheime Verbindung.
Ihr zweites Princip iſt ein zweiter Widerſpruch mit dem Weſen
des Vereins und der freien Staatsentwicklung, ja mit ſich ſelber; es
iſt der Grundſatz des unbedingten Gehorſams der Glieder gegen
die Leiter des Ganzen. Der unbedingte Gehorſam gehört qualitativ
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/549>, abgerufen am 22.11.2024.
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