eine einzelne Persönlichkeit einer andern einzelnen, sondern der allge- meinen Persönlichkeit entgegen, und es wird daher von der Corporation niemals ein Privatrecht auf die bestimmte Ordnung in der Vollziehung und Selbstverwaltung ihres Berufes gewonnen. Das Wesen des Staats fordert daher, daß der Staat auch die Verwendung des Besitzes der Corporation für ihre Berufserfüllung zu allen Zeiten nach seinem Willen bestimme; selbst in dem Falle, wo die corporativen Mittel ohne Staats- hülfe für den Beruf ausreichen, um so entschiedener, wo der Staat diese Mittel ergänzen muß. Es kann daher kein Zweifel sein, daß die Funktion der Corporationen in Bezug auf die Selbstverwaltung des Berufes im Grunde die Uebertragung einer staatlichen Zuständig- keit auf die Organe der Corporation enthalten, daß dieß, wenn auch nicht klar empfunden und noch weniger gesagt, schon als bei der Grün- dung der Corporation gedacht angenommen werden muß, und daß daher das Gesetz des Staates trotz der gesetzlichen Anerkennung der corpora- tiven Selbstverwaltung die letztere in jedem Augenblick eben so gut ändern kann, wie jedes andere Gesetz über die staatliche Organisation. An dieses Rechtsprincip der corporativen Selbstverwaltung schließt sich allerdings das zweite, politische Princip, daß es naturgemäß ist, diese Verwaltung, wenn auch im Namen des Staats, doch immer durch die Organe der Corporation vollziehen zu lassen, welche Wesen und Aufgabe des Berufes natürlich am besten kennen. Und man muß daher im Ganzen das organische Verhältniß der corporativen Selbstverwaltung nunmehr dahin bestimmen, daß es nur noch Corporationen des Berufes gibt, und daß in der Selbstverwaltung derselben der Staat naturgemäß die gesetzgebende, die Corporation die vollziehende Gewalt im weitesten Sinne des Wortes, also die organisatorische, die Verordnungs- und die Polizeigewalt für alle die Vollziehung des Gesetzes über die Berufserfüllung betreffenden Verhältnisse habe.
Im Großen und Ganzen ist dieser aus der Natur der Sache sich ergebende Grundsatz nun auch der, den wohl so ziemlich alle Gesetz- gebungen und Verwaltungen faktisch und rechtlich anerkannt haben und durchführen. Nur ist es sehr schwer ein rechtbegründetes Urtheil dar- über zu haben, weil überhaupt das Wesen der Corporationen noch keiner wissenschaftlichen Untersuchung unterworfen ist, und eben daher das Material mit Ausnahme eines Gebietes, der Universitäten, fast gänzlich fehlt. Dennoch dürfte die Stellung derselben kaum wesentlich von dieser organischen Stellung dieses Gebietes der Selbstverwaltung abweichen. Ein ganz anderes Verhältniß dagegen tritt bei den Stiftungen ein, in welchen das Moment der Verwaltung dem Einzelwillen gegenüber fast ganz verschwindet und der erstern nur noch ein Recht der Ober-
eine einzelne Perſönlichkeit einer andern einzelnen, ſondern der allge- meinen Perſönlichkeit entgegen, und es wird daher von der Corporation niemals ein Privatrecht auf die beſtimmte Ordnung in der Vollziehung und Selbſtverwaltung ihres Berufes gewonnen. Das Weſen des Staats fordert daher, daß der Staat auch die Verwendung des Beſitzes der Corporation für ihre Berufserfüllung zu allen Zeiten nach ſeinem Willen beſtimme; ſelbſt in dem Falle, wo die corporativen Mittel ohne Staats- hülfe für den Beruf ausreichen, um ſo entſchiedener, wo der Staat dieſe Mittel ergänzen muß. Es kann daher kein Zweifel ſein, daß die Funktion der Corporationen in Bezug auf die Selbſtverwaltung des Berufes im Grunde die Uebertragung einer ſtaatlichen Zuſtändig- keit auf die Organe der Corporation enthalten, daß dieß, wenn auch nicht klar empfunden und noch weniger geſagt, ſchon als bei der Grün- dung der Corporation gedacht angenommen werden muß, und daß daher das Geſetz des Staates trotz der geſetzlichen Anerkennung der corpora- tiven Selbſtverwaltung die letztere in jedem Augenblick eben ſo gut ändern kann, wie jedes andere Geſetz über die ſtaatliche Organiſation. An dieſes Rechtsprincip der corporativen Selbſtverwaltung ſchließt ſich allerdings das zweite, politiſche Princip, daß es naturgemäß iſt, dieſe Verwaltung, wenn auch im Namen des Staats, doch immer durch die Organe der Corporation vollziehen zu laſſen, welche Weſen und Aufgabe des Berufes natürlich am beſten kennen. Und man muß daher im Ganzen das organiſche Verhältniß der corporativen Selbſtverwaltung nunmehr dahin beſtimmen, daß es nur noch Corporationen des Berufes gibt, und daß in der Selbſtverwaltung derſelben der Staat naturgemäß die geſetzgebende, die Corporation die vollziehende Gewalt im weiteſten Sinne des Wortes, alſo die organiſatoriſche, die Verordnungs- und die Polizeigewalt für alle die Vollziehung des Geſetzes über die Berufserfüllung betreffenden Verhältniſſe habe.
Im Großen und Ganzen iſt dieſer aus der Natur der Sache ſich ergebende Grundſatz nun auch der, den wohl ſo ziemlich alle Geſetz- gebungen und Verwaltungen faktiſch und rechtlich anerkannt haben und durchführen. Nur iſt es ſehr ſchwer ein rechtbegründetes Urtheil dar- über zu haben, weil überhaupt das Weſen der Corporationen noch keiner wiſſenſchaftlichen Unterſuchung unterworfen iſt, und eben daher das Material mit Ausnahme eines Gebietes, der Univerſitäten, faſt gänzlich fehlt. Dennoch dürfte die Stellung derſelben kaum weſentlich von dieſer organiſchen Stellung dieſes Gebietes der Selbſtverwaltung abweichen. Ein ganz anderes Verhältniß dagegen tritt bei den Stiftungen ein, in welchen das Moment der Verwaltung dem Einzelwillen gegenüber faſt ganz verſchwindet und der erſtern nur noch ein Recht der Ober-
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[515/0539]
eine einzelne Perſönlichkeit einer andern einzelnen, ſondern der allge-
meinen Perſönlichkeit entgegen, und es wird daher von der Corporation
niemals ein Privatrecht auf die beſtimmte Ordnung in der Vollziehung
und Selbſtverwaltung ihres Berufes gewonnen. Das Weſen des Staats
fordert daher, daß der Staat auch die Verwendung des Beſitzes der
Corporation für ihre Berufserfüllung zu allen Zeiten nach ſeinem Willen
beſtimme; ſelbſt in dem Falle, wo die corporativen Mittel ohne Staats-
hülfe für den Beruf ausreichen, um ſo entſchiedener, wo der Staat
dieſe Mittel ergänzen muß. Es kann daher kein Zweifel ſein, daß die
Funktion der Corporationen in Bezug auf die Selbſtverwaltung des
Berufes im Grunde die Uebertragung einer ſtaatlichen Zuſtändig-
keit auf die Organe der Corporation enthalten, daß dieß, wenn auch
nicht klar empfunden und noch weniger geſagt, ſchon als bei der Grün-
dung der Corporation gedacht angenommen werden muß, und daß daher
das Geſetz des Staates trotz der geſetzlichen Anerkennung der corpora-
tiven Selbſtverwaltung die letztere in jedem Augenblick eben ſo gut
ändern kann, wie jedes andere Geſetz über die ſtaatliche Organiſation.
An dieſes Rechtsprincip der corporativen Selbſtverwaltung ſchließt ſich
allerdings das zweite, politiſche Princip, daß es naturgemäß iſt, dieſe
Verwaltung, wenn auch im Namen des Staats, doch immer durch die
Organe der Corporation vollziehen zu laſſen, welche Weſen und
Aufgabe des Berufes natürlich am beſten kennen. Und man muß daher
im Ganzen das organiſche Verhältniß der corporativen Selbſtverwaltung
nunmehr dahin beſtimmen, daß es nur noch Corporationen des
Berufes gibt, und daß in der Selbſtverwaltung derſelben der Staat
naturgemäß die geſetzgebende, die Corporation die vollziehende
Gewalt im weiteſten Sinne des Wortes, alſo die organiſatoriſche,
die Verordnungs- und die Polizeigewalt für alle die Vollziehung
des Geſetzes über die Berufserfüllung betreffenden Verhältniſſe habe.
Im Großen und Ganzen iſt dieſer aus der Natur der Sache ſich
ergebende Grundſatz nun auch der, den wohl ſo ziemlich alle Geſetz-
gebungen und Verwaltungen faktiſch und rechtlich anerkannt haben und
durchführen. Nur iſt es ſehr ſchwer ein rechtbegründetes Urtheil dar-
über zu haben, weil überhaupt das Weſen der Corporationen noch keiner
wiſſenſchaftlichen Unterſuchung unterworfen iſt, und eben daher das
Material mit Ausnahme eines Gebietes, der Univerſitäten, faſt gänzlich
fehlt. Dennoch dürfte die Stellung derſelben kaum weſentlich von dieſer
organiſchen Stellung dieſes Gebietes der Selbſtverwaltung abweichen.
Ein ganz anderes Verhältniß dagegen tritt bei den Stiftungen ein,
in welchen das Moment der Verwaltung dem Einzelwillen gegenüber
faſt ganz verſchwindet und der erſtern nur noch ein Recht der Ober-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/539>, abgerufen am 23.11.2024.
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