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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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im Grunde schon durch die Verfassung des Mittelorgans angebahnt erscheint.
Siehe Pötzl, Verfassungsrecht. Von den Ortsgemeinden §. 94 ff. Von den
gutsherrlichen Rechten §. 61 ff. Die Ortsgemeinden erscheinen selbst als
Gutsherren §. 97.

B. Mittelorgan. Die Distriktsgemeinde. Die Distriktsgemeinde
ist die Einheit dieser Ortsgemeinden, dem preußischen Communal- und Kreistage
entsprechend. Höchst bezeichnend ist es, daß die "unmittelbaren Städte" -- der
Rest der ständischen Stadtgemeinde -- in diesen Distriktsgemeinden nicht mit
vertreten sind, sondern nur in den Kreisgemeinden erscheinen. Sie bestand
schon vor 1848, aber nicht als Corporation; das Gesetz vom 28. Mai 1852
hat sie zu dauernden Körperschaften gemacht. Ihre Composition zeigt auf
ständischer Grundlage doch schon die Geltung staatsbürgerlicher Anschauung;
sie hat die drei in Preußen offen anerkannten Stände vermieden, aber dennoch
wird sie gebildet aus den Gemeinden, den höchstbesteuerten Grundbesitzern, und
aus einer dritten Kategorie, in welcher wir die Kategorie der Standesherr-
schaften verdeckt sehen. Das Recht dieser Distriktsgemeinde ist ein sehr eng
beschränktes; sie hat nur ihr Vermögen selbst zu verwalten, und sonst nur
Gutachten zu geben. Sie ist daher durchaus nicht geeignet, die Selbstverwal-
tung der Ortsgemeinden zu entwickeln; doch sehen wir in dem Distriktsaus-
schusse, der ständig wirkt, ein wesentliches Element des Fortschrittes, obwohl
merkwürdigerweise von einer Theilnahme an den Gemeindeangelegenheiten keine
Rede ist. (Pötzl, Verfassung §. 113.)

C. Das Hauptorgan der örtlichen Selbstverwaltung ist die sogenannte
Kreisgemeinde, die nichts anderes ist, als eine -- noch unklare -- For-
mation der Provinziallandtage. Sie bildet aus den Distriktsgemeinden, den
unmittelbaren Städten, den höchstbesteuerten Grundbesitzern, drei Vertretern der
Pfarrer und einem Abgeordneten der Universität durch Wahl den Landrath,
der neben der Verwaltung des Vermögens des Kreises ein eigenthümlich rich-
terliches Organ für die Gemeindestreitigkeiten bildet. Daneben ist er berathen-
des
Organ für Kreisangelegenheiten. -- Man sieht auch in diesem bayerischen
System keine rechte Selbstverwaltung; das Amt ist und bleibt das Hauptorgan
der wirklichen Verwaltung für alle, mehrere Gemeinden umfassenden Aufgaben.
(Pötzl, Verfassungsrecht §. 123 ff.)

Württemberg. Württemberg ist zu klein, um für die örtliche Selbst-
verwaltung alle drei Organe enthalten zu können. Es hat daher zwischen
Ortsgemeinde und Volksvertretung nur ein Zwischenorgan. Die Orts-
gemeinde
bestand nach dem Edikt von 1822 aus den beiden Gruppen der
staatsbürgerlichen Gemeinden, Stadt- und Landgemeinden, von denen die ersteren
wieder in drei Klassen getheilt sind, während der Unterschied zwischen diesen
Klassen sowohl, wie zwischen Stadt und Land ein sehr geringer, nur auf die
Competenz bezüglicher ist -- und den ständischen Gemeinden, den Standes-
herrschaften, die aber durch das Gesetz vom 6. Juli 1849, welches alle Güter
in die Gemeinden einverleibte und die Patrimonialjurisdiktion aufhob, fast ver-
schwunden sind. Das Mittelorgan ist die sogenannte Amtskörperschaft,
welche eben die ursprüngliche Einheit der beiden Arten der Gemeinden war

im Grunde ſchon durch die Verfaſſung des Mittelorgans angebahnt erſcheint.
Siehe Pötzl, Verfaſſungsrecht. Von den Ortsgemeinden §. 94 ff. Von den
gutsherrlichen Rechten §. 61 ff. Die Ortsgemeinden erſcheinen ſelbſt als
Gutsherren §. 97.

B. Mittelorgan. Die Diſtriktsgemeinde. Die Diſtriktsgemeinde
iſt die Einheit dieſer Ortsgemeinden, dem preußiſchen Communal- und Kreistage
entſprechend. Höchſt bezeichnend iſt es, daß die „unmittelbaren Städte“ — der
Reſt der ſtändiſchen Stadtgemeinde — in dieſen Diſtriktsgemeinden nicht mit
vertreten ſind, ſondern nur in den Kreisgemeinden erſcheinen. Sie beſtand
ſchon vor 1848, aber nicht als Corporation; das Geſetz vom 28. Mai 1852
hat ſie zu dauernden Körperſchaften gemacht. Ihre Compoſition zeigt auf
ſtändiſcher Grundlage doch ſchon die Geltung ſtaatsbürgerlicher Anſchauung;
ſie hat die drei in Preußen offen anerkannten Stände vermieden, aber dennoch
wird ſie gebildet aus den Gemeinden, den höchſtbeſteuerten Grundbeſitzern, und
aus einer dritten Kategorie, in welcher wir die Kategorie der Standesherr-
ſchaften verdeckt ſehen. Das Recht dieſer Diſtriktsgemeinde iſt ein ſehr eng
beſchränktes; ſie hat nur ihr Vermögen ſelbſt zu verwalten, und ſonſt nur
Gutachten zu geben. Sie iſt daher durchaus nicht geeignet, die Selbſtverwal-
tung der Ortsgemeinden zu entwickeln; doch ſehen wir in dem Diſtriktsaus-
ſchuſſe, der ſtändig wirkt, ein weſentliches Element des Fortſchrittes, obwohl
merkwürdigerweiſe von einer Theilnahme an den Gemeindeangelegenheiten keine
Rede iſt. (Pötzl, Verfaſſung §. 113.)

C. Das Hauptorgan der örtlichen Selbſtverwaltung iſt die ſogenannte
Kreisgemeinde, die nichts anderes iſt, als eine — noch unklare — For-
mation der Provinziallandtage. Sie bildet aus den Diſtriktsgemeinden, den
unmittelbaren Städten, den höchſtbeſteuerten Grundbeſitzern, drei Vertretern der
Pfarrer und einem Abgeordneten der Univerſität durch Wahl den Landrath,
der neben der Verwaltung des Vermögens des Kreiſes ein eigenthümlich rich-
terliches Organ für die Gemeindeſtreitigkeiten bildet. Daneben iſt er berathen-
des
Organ für Kreisangelegenheiten. — Man ſieht auch in dieſem bayeriſchen
Syſtem keine rechte Selbſtverwaltung; das Amt iſt und bleibt das Hauptorgan
der wirklichen Verwaltung für alle, mehrere Gemeinden umfaſſenden Aufgaben.
(Pötzl, Verfaſſungsrecht §. 123 ff.)

Württemberg. Württemberg iſt zu klein, um für die örtliche Selbſt-
verwaltung alle drei Organe enthalten zu können. Es hat daher zwiſchen
Ortsgemeinde und Volksvertretung nur ein Zwiſchenorgan. Die Orts-
gemeinde
beſtand nach dem Edikt von 1822 aus den beiden Gruppen der
ſtaatsbürgerlichen Gemeinden, Stadt- und Landgemeinden, von denen die erſteren
wieder in drei Klaſſen getheilt ſind, während der Unterſchied zwiſchen dieſen
Klaſſen ſowohl, wie zwiſchen Stadt und Land ein ſehr geringer, nur auf die
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herrſchaften, die aber durch das Geſetz vom 6. Juli 1849, welches alle Güter
in die Gemeinden einverleibte und die Patrimonialjurisdiktion aufhob, faſt ver-
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[507/0531] im Grunde ſchon durch die Verfaſſung des Mittelorgans angebahnt erſcheint. Siehe Pötzl, Verfaſſungsrecht. Von den Ortsgemeinden §. 94 ff. Von den gutsherrlichen Rechten §. 61 ff. Die Ortsgemeinden erſcheinen ſelbſt als Gutsherren §. 97. B. Mittelorgan. Die Diſtriktsgemeinde. Die Diſtriktsgemeinde iſt die Einheit dieſer Ortsgemeinden, dem preußiſchen Communal- und Kreistage entſprechend. Höchſt bezeichnend iſt es, daß die „unmittelbaren Städte“ — der Reſt der ſtändiſchen Stadtgemeinde — in dieſen Diſtriktsgemeinden nicht mit vertreten ſind, ſondern nur in den Kreisgemeinden erſcheinen. Sie beſtand ſchon vor 1848, aber nicht als Corporation; das Geſetz vom 28. Mai 1852 hat ſie zu dauernden Körperſchaften gemacht. Ihre Compoſition zeigt auf ſtändiſcher Grundlage doch ſchon die Geltung ſtaatsbürgerlicher Anſchauung; ſie hat die drei in Preußen offen anerkannten Stände vermieden, aber dennoch wird ſie gebildet aus den Gemeinden, den höchſtbeſteuerten Grundbeſitzern, und aus einer dritten Kategorie, in welcher wir die Kategorie der Standesherr- ſchaften verdeckt ſehen. Das Recht dieſer Diſtriktsgemeinde iſt ein ſehr eng beſchränktes; ſie hat nur ihr Vermögen ſelbſt zu verwalten, und ſonſt nur Gutachten zu geben. Sie iſt daher durchaus nicht geeignet, die Selbſtverwal- tung der Ortsgemeinden zu entwickeln; doch ſehen wir in dem Diſtriktsaus- ſchuſſe, der ſtändig wirkt, ein weſentliches Element des Fortſchrittes, obwohl merkwürdigerweiſe von einer Theilnahme an den Gemeindeangelegenheiten keine Rede iſt. (Pötzl, Verfaſſung §. 113.) C. Das Hauptorgan der örtlichen Selbſtverwaltung iſt die ſogenannte Kreisgemeinde, die nichts anderes iſt, als eine — noch unklare — For- mation der Provinziallandtage. Sie bildet aus den Diſtriktsgemeinden, den unmittelbaren Städten, den höchſtbeſteuerten Grundbeſitzern, drei Vertretern der Pfarrer und einem Abgeordneten der Univerſität durch Wahl den Landrath, der neben der Verwaltung des Vermögens des Kreiſes ein eigenthümlich rich- terliches Organ für die Gemeindeſtreitigkeiten bildet. Daneben iſt er berathen- des Organ für Kreisangelegenheiten. — Man ſieht auch in dieſem bayeriſchen Syſtem keine rechte Selbſtverwaltung; das Amt iſt und bleibt das Hauptorgan der wirklichen Verwaltung für alle, mehrere Gemeinden umfaſſenden Aufgaben. (Pötzl, Verfaſſungsrecht §. 123 ff.) Württemberg. Württemberg iſt zu klein, um für die örtliche Selbſt- verwaltung alle drei Organe enthalten zu können. Es hat daher zwiſchen Ortsgemeinde und Volksvertretung nur ein Zwiſchenorgan. Die Orts- gemeinde beſtand nach dem Edikt von 1822 aus den beiden Gruppen der ſtaatsbürgerlichen Gemeinden, Stadt- und Landgemeinden, von denen die erſteren wieder in drei Klaſſen getheilt ſind, während der Unterſchied zwiſchen dieſen Klaſſen ſowohl, wie zwiſchen Stadt und Land ein ſehr geringer, nur auf die Competenz bezüglicher iſt — und den ſtändiſchen Gemeinden, den Standes- herrſchaften, die aber durch das Geſetz vom 6. Juli 1849, welches alle Güter in die Gemeinden einverleibte und die Patrimonialjurisdiktion aufhob, faſt ver- ſchwunden ſind. Das Mittelorgan iſt die ſogenannte Amtskörperſchaft, welche eben die urſprüngliche Einheit der beiden Arten der Gemeinden war

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/531>, abgerufen am 25.11.2024.