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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Es soll nach dem Gesetz vom 28. Pluviose an VIII (17. Febr. 1800)
aus elf Mitgliedern bestehen, deren wesentliche Aufgabe es war, die
Steuerangelegenheiten des Kreises zu ordnen. Jenes Gesetz trug große
Sorge, daß dieser Rath nicht etwa zu einem wirklichen Selbstverwal-
tungskörper werden möge. Zuerst gab es der Regierung die Ernennung
der elf Räthe, dann sollte der Rath nur einmal jährlich zusammen-
treten, und seine Sitzung nur 15 Tage dauern. So weit er nicht mit
den Steuern des Staats zu thun hatte, sollte er nur "exprimer son
opinion sur l'etat et les besoins de l'arrondissement, et l'adresser
au Prefet."
Eine eigene Kreissteuer durch centimes additionnels besaß
jedoch das Arrondissement nicht, die fiel unter das Departement. Das
ganze Institut schien daher in der That ziemlich überflüssig. Allerdings
gaben die Gesetze vom 22. Juni 1833 und 10. Mai 1838 dem Arron-
dissement
das Recht, die Conseillers selbst zu wählen, aber ihre Funk-
tionen wurden nicht erweitert, so daß man im Jahre 1848 sie lieber
ganz aufhob und den alten Canton an ihre Stelle setzte. Allein im
Grunde blieb das eine so rein formelle Aenderung, daß diese Bestim-
mung nie zur Ausführung kam. Das Gesetz vom 7. Juli 1852 hat
sie definitiv rehabilitirt, aber freilich ihren Charakter nicht geändert.

Der Rath wird demnach aus den Cantons als Wahlkörper gewählt,
jedesmal auf 6 Jahre. Seine Funktion ist eine doppelte. Er ent-
scheidet
, aber nur über die Repartition der direkten Steuern unter den
Communen; dabei hat er selbst die Vorschriften des Conseil general zu
befolgen. Er beräth über die Reclamationen, die aus dieser Repartition
entstehen können. Er gibt sein Gutachten über gewisse Punkte des
Wegewesens, Häfen, Brücken, Märkte etc., und kann endlich an den
Prefet durch seinen Präsidenten seine Ansichten über die Bedürfnisse des
Kreises richten. -- Das ist seine Stellung; er ist daher im Grunde nur
Verwaltungsgemeinde für die direkten Staatssteuern, und zugleich für
das ganze Steuerwesen ein Steuerrath, aber als solche ist er allerdings
von großem praktischem Nutzen, da er vorzüglich die Uebel des stabilen
Katasters ausgleicht. Eine eigentliche Selbstverwaltung findet natürlich
nicht statt.

2) Der Canton war seiner ursprünglichen Idee nach wohl die eigent-
liche Kreisgemeinde. Allein die Nothwendigkeit einer allgewaltigen Ver-
waltung ließ ihn dem Amtsorganismus in Sous-Prefet und Maire gegen-
über zu mächtig erscheinen, denn in der That war und ist der Canton
das einzige Organ im ganzen Organismus Frankreichs, das keine Be-
amteten an seiner Spitze hat. Seine Funktionen werden daher fast auf
nichts reducirt; er ist nur noch eine Einheit von Gemeinden, die keinen
andern Zweck hat, als die Wahlen für den Conseil general und den

Stein, die Verwaltungslehre. I. 31

Es ſoll nach dem Geſetz vom 28. Pluvioſe an VIII (17. Febr. 1800)
aus elf Mitgliedern beſtehen, deren weſentliche Aufgabe es war, die
Steuerangelegenheiten des Kreiſes zu ordnen. Jenes Geſetz trug große
Sorge, daß dieſer Rath nicht etwa zu einem wirklichen Selbſtverwal-
tungskörper werden möge. Zuerſt gab es der Regierung die Ernennung
der elf Räthe, dann ſollte der Rath nur einmal jährlich zuſammen-
treten, und ſeine Sitzung nur 15 Tage dauern. So weit er nicht mit
den Steuern des Staats zu thun hatte, ſollte er nur „exprimer son
opinion sur l’état et les besoins de l’arrondissement, et l’adresser
au Préfet.“
Eine eigene Kreisſteuer durch centimes additionnels beſaß
jedoch das Arrondissement nicht, die fiel unter das Departement. Das
ganze Inſtitut ſchien daher in der That ziemlich überflüſſig. Allerdings
gaben die Geſetze vom 22. Juni 1833 und 10. Mai 1838 dem Arron-
dissement
das Recht, die Conseillers ſelbſt zu wählen, aber ihre Funk-
tionen wurden nicht erweitert, ſo daß man im Jahre 1848 ſie lieber
ganz aufhob und den alten Canton an ihre Stelle ſetzte. Allein im
Grunde blieb das eine ſo rein formelle Aenderung, daß dieſe Beſtim-
mung nie zur Ausführung kam. Das Geſetz vom 7. Juli 1852 hat
ſie definitiv rehabilitirt, aber freilich ihren Charakter nicht geändert.

Der Rath wird demnach aus den Cantons als Wahlkörper gewählt,
jedesmal auf 6 Jahre. Seine Funktion iſt eine doppelte. Er ent-
ſcheidet
, aber nur über die Repartition der direkten Steuern unter den
Communen; dabei hat er ſelbſt die Vorſchriften des Conseil général zu
befolgen. Er beräth über die Reclamationen, die aus dieſer Repartition
entſtehen können. Er gibt ſein Gutachten über gewiſſe Punkte des
Wegeweſens, Häfen, Brücken, Märkte ꝛc., und kann endlich an den
Préfet durch ſeinen Präſidenten ſeine Anſichten über die Bedürfniſſe des
Kreiſes richten. — Das iſt ſeine Stellung; er iſt daher im Grunde nur
Verwaltungsgemeinde für die direkten Staatsſteuern, und zugleich für
das ganze Steuerweſen ein Steuerrath, aber als ſolche iſt er allerdings
von großem praktiſchem Nutzen, da er vorzüglich die Uebel des ſtabilen
Kataſters ausgleicht. Eine eigentliche Selbſtverwaltung findet natürlich
nicht ſtatt.

2) Der Canton war ſeiner urſprünglichen Idee nach wohl die eigent-
liche Kreisgemeinde. Allein die Nothwendigkeit einer allgewaltigen Ver-
waltung ließ ihn dem Amtsorganismus in Sous-Préfet und Maire gegen-
über zu mächtig erſcheinen, denn in der That war und iſt der Canton
das einzige Organ im ganzen Organismus Frankreichs, das keine Be-
amteten an ſeiner Spitze hat. Seine Funktionen werden daher faſt auf
nichts reducirt; er iſt nur noch eine Einheit von Gemeinden, die keinen
andern Zweck hat, als die Wahlen für den Conseil général und den

Stein, die Verwaltungslehre. I. 31
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[481/0505] Es ſoll nach dem Geſetz vom 28. Pluvioſe an VIII (17. Febr. 1800) aus elf Mitgliedern beſtehen, deren weſentliche Aufgabe es war, die Steuerangelegenheiten des Kreiſes zu ordnen. Jenes Geſetz trug große Sorge, daß dieſer Rath nicht etwa zu einem wirklichen Selbſtverwal- tungskörper werden möge. Zuerſt gab es der Regierung die Ernennung der elf Räthe, dann ſollte der Rath nur einmal jährlich zuſammen- treten, und ſeine Sitzung nur 15 Tage dauern. So weit er nicht mit den Steuern des Staats zu thun hatte, ſollte er nur „exprimer son opinion sur l’état et les besoins de l’arrondissement, et l’adresser au Préfet.“ Eine eigene Kreisſteuer durch centimes additionnels beſaß jedoch das Arrondissement nicht, die fiel unter das Departement. Das ganze Inſtitut ſchien daher in der That ziemlich überflüſſig. Allerdings gaben die Geſetze vom 22. Juni 1833 und 10. Mai 1838 dem Arron- dissement das Recht, die Conseillers ſelbſt zu wählen, aber ihre Funk- tionen wurden nicht erweitert, ſo daß man im Jahre 1848 ſie lieber ganz aufhob und den alten Canton an ihre Stelle ſetzte. Allein im Grunde blieb das eine ſo rein formelle Aenderung, daß dieſe Beſtim- mung nie zur Ausführung kam. Das Geſetz vom 7. Juli 1852 hat ſie definitiv rehabilitirt, aber freilich ihren Charakter nicht geändert. Der Rath wird demnach aus den Cantons als Wahlkörper gewählt, jedesmal auf 6 Jahre. Seine Funktion iſt eine doppelte. Er ent- ſcheidet, aber nur über die Repartition der direkten Steuern unter den Communen; dabei hat er ſelbſt die Vorſchriften des Conseil général zu befolgen. Er beräth über die Reclamationen, die aus dieſer Repartition entſtehen können. Er gibt ſein Gutachten über gewiſſe Punkte des Wegeweſens, Häfen, Brücken, Märkte ꝛc., und kann endlich an den Préfet durch ſeinen Präſidenten ſeine Anſichten über die Bedürfniſſe des Kreiſes richten. — Das iſt ſeine Stellung; er iſt daher im Grunde nur Verwaltungsgemeinde für die direkten Staatsſteuern, und zugleich für das ganze Steuerweſen ein Steuerrath, aber als ſolche iſt er allerdings von großem praktiſchem Nutzen, da er vorzüglich die Uebel des ſtabilen Kataſters ausgleicht. Eine eigentliche Selbſtverwaltung findet natürlich nicht ſtatt. 2) Der Canton war ſeiner urſprünglichen Idee nach wohl die eigent- liche Kreisgemeinde. Allein die Nothwendigkeit einer allgewaltigen Ver- waltung ließ ihn dem Amtsorganismus in Sous-Préfet und Maire gegen- über zu mächtig erſcheinen, denn in der That war und iſt der Canton das einzige Organ im ganzen Organismus Frankreichs, das keine Be- amteten an ſeiner Spitze hat. Seine Funktionen werden daher faſt auf nichts reducirt; er iſt nur noch eine Einheit von Gemeinden, die keinen andern Zweck hat, als die Wahlen für den Conseil général und den Stein, die Verwaltungslehre. I. 31

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/505>, abgerufen am 25.11.2024.