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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Verwaltung Theil zu nehmen, weil sein Besitz unfrei war. Die Ge-
sammtheit des freien Grundbesitzes, der auf diese Weise viele unfreie
Besitzungen und unfreie aber auch freie Persönlichkeiten umfaßte, hieß
daher nun Herrschaft; und man kann das Recht auf Selbstverwaltung
der eigenen Herrschaft, das somit aus dem Recht auf den eigenen Grund
und Boden für den Herrn entstand, mit einem passenden Worte die
Grundherrlichkeit nennen.

Neben den Herrschaften, meist aber freilich nur in den Stammsitzen
der Romanen, blieben nur noch die alten Dörfer bestehen, die auf
dem Princip der Geschlechterordnung und des ursprünglich gemeinsamen
Besitzes beruhten. Die allmählig eintretende Auftheilung dieses gemein-
samen Besitzes erzeugt als Grundform der inneren Dorfschaften die
freie Hufe; der gemeinsame Besitz erhält sich nur noch in der Gemeinde-
weide und dem Gemeindewald. Dennoch behielt das neue Dorf im
Wesentlichen seinen Charakter; nur geht die ursprüngliche Autorität der
Geschlechterhäupter auf die Besitzer der Hufen über, und die kleinen
Besitzer, die Köthner und Insassen (Insten) ordnen sich ohne Widerstand
der Hufe unter. Die Nothwendigkeit, allmählig die gemeinsamen
Angelegenheiten einer regelmäßigen Berathung und Thätigkeit zu unter-
ziehen, entwickelte die Elemente der Selbstverwaltung in denselben, und
es entstanden feste Organe dieser Selbstverwaltung, deren Spitze der
Schultheiß, deren Umfang zunächst Gericht und Polizei war. In diesem
Sinne ist das Dorf jetzt als Körper der Selbstverwaltung eine Dorf-
schaft
, wie wir sie oben bereits bezeichnet haben.

Da nun das Königthum noch selbst so gut als gar keine Verwal-
tung hat, so treten sich in allen öffentlichen Dingen diese beiden Grund-
formen der Herrschaft und der Dorfschaft gegenüber. Beide sind Selbst-
verwaltungskörper, da die Staatsverwaltung noch fehlt. Allein es
leuchtet ein, daß die Grundherrlichkeit die Selbstverwaltung zu einem
persönlichen Rechte der Grundherrn macht, das wiederum, indem es
auf dem Eigenthumsrechte an Grund und Boden beruht, gleichfalls den
Charakter seiner Rechtsquelle, des Privatrechts, annimmt. Die herr-
schaftliche Selbstverwaltung schließt daher mit diesem Rechtstitel aller-
dings das Eingreifen der langsam entstehenden landesherrlichen Ver-
waltung aus, aber auf demselben Rechte sich gründend verweigert sie
auch jedem Insassen auf dem ihr irgendwie angehörigen Grund und
Boden ein Recht auf Theilnahme an der herrschaftlichen Verwaltung.
In der That wäre eine solche Theilnahme nicht bloß eine Beschränkung
des öffentlichen Rechts des Grundherrn, sondern zugleich ein Eingriff
in das Eigenthumsrecht an Grund und Boden gewesen, da sich
das eine ohne das andere gar nicht denken ließ. Die dorfschaftliche

Verwaltung Theil zu nehmen, weil ſein Beſitz unfrei war. Die Ge-
ſammtheit des freien Grundbeſitzes, der auf dieſe Weiſe viele unfreie
Beſitzungen und unfreie aber auch freie Perſönlichkeiten umfaßte, hieß
daher nun Herrſchaft; und man kann das Recht auf Selbſtverwaltung
der eigenen Herrſchaft, das ſomit aus dem Recht auf den eigenen Grund
und Boden für den Herrn entſtand, mit einem paſſenden Worte die
Grundherrlichkeit nennen.

Neben den Herrſchaften, meiſt aber freilich nur in den Stammſitzen
der Romanen, blieben nur noch die alten Dörfer beſtehen, die auf
dem Princip der Geſchlechterordnung und des urſprünglich gemeinſamen
Beſitzes beruhten. Die allmählig eintretende Auftheilung dieſes gemein-
ſamen Beſitzes erzeugt als Grundform der inneren Dorfſchaften die
freie Hufe; der gemeinſame Beſitz erhält ſich nur noch in der Gemeinde-
weide und dem Gemeindewald. Dennoch behielt das neue Dorf im
Weſentlichen ſeinen Charakter; nur geht die urſprüngliche Autorität der
Geſchlechterhäupter auf die Beſitzer der Hufen über, und die kleinen
Beſitzer, die Köthner und Inſaſſen (Inſten) ordnen ſich ohne Widerſtand
der Hufe unter. Die Nothwendigkeit, allmählig die gemeinſamen
Angelegenheiten einer regelmäßigen Berathung und Thätigkeit zu unter-
ziehen, entwickelte die Elemente der Selbſtverwaltung in denſelben, und
es entſtanden feſte Organe dieſer Selbſtverwaltung, deren Spitze der
Schultheiß, deren Umfang zunächſt Gericht und Polizei war. In dieſem
Sinne iſt das Dorf jetzt als Körper der Selbſtverwaltung eine Dorf-
ſchaft
, wie wir ſie oben bereits bezeichnet haben.

Da nun das Königthum noch ſelbſt ſo gut als gar keine Verwal-
tung hat, ſo treten ſich in allen öffentlichen Dingen dieſe beiden Grund-
formen der Herrſchaft und der Dorfſchaft gegenüber. Beide ſind Selbſt-
verwaltungskörper, da die Staatsverwaltung noch fehlt. Allein es
leuchtet ein, daß die Grundherrlichkeit die Selbſtverwaltung zu einem
perſönlichen Rechte der Grundherrn macht, das wiederum, indem es
auf dem Eigenthumsrechte an Grund und Boden beruht, gleichfalls den
Charakter ſeiner Rechtsquelle, des Privatrechts, annimmt. Die herr-
ſchaftliche Selbſtverwaltung ſchließt daher mit dieſem Rechtstitel aller-
dings das Eingreifen der langſam entſtehenden landesherrlichen Ver-
waltung aus, aber auf demſelben Rechte ſich gründend verweigert ſie
auch jedem Inſaſſen auf dem ihr irgendwie angehörigen Grund und
Boden ein Recht auf Theilnahme an der herrſchaftlichen Verwaltung.
In der That wäre eine ſolche Theilnahme nicht bloß eine Beſchränkung
des öffentlichen Rechts des Grundherrn, ſondern zugleich ein Eingriff
in das Eigenthumsrecht an Grund und Boden geweſen, da ſich
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[448/0472] Verwaltung Theil zu nehmen, weil ſein Beſitz unfrei war. Die Ge- ſammtheit des freien Grundbeſitzes, der auf dieſe Weiſe viele unfreie Beſitzungen und unfreie aber auch freie Perſönlichkeiten umfaßte, hieß daher nun Herrſchaft; und man kann das Recht auf Selbſtverwaltung der eigenen Herrſchaft, das ſomit aus dem Recht auf den eigenen Grund und Boden für den Herrn entſtand, mit einem paſſenden Worte die Grundherrlichkeit nennen. Neben den Herrſchaften, meiſt aber freilich nur in den Stammſitzen der Romanen, blieben nur noch die alten Dörfer beſtehen, die auf dem Princip der Geſchlechterordnung und des urſprünglich gemeinſamen Beſitzes beruhten. Die allmählig eintretende Auftheilung dieſes gemein- ſamen Beſitzes erzeugt als Grundform der inneren Dorfſchaften die freie Hufe; der gemeinſame Beſitz erhält ſich nur noch in der Gemeinde- weide und dem Gemeindewald. Dennoch behielt das neue Dorf im Weſentlichen ſeinen Charakter; nur geht die urſprüngliche Autorität der Geſchlechterhäupter auf die Beſitzer der Hufen über, und die kleinen Beſitzer, die Köthner und Inſaſſen (Inſten) ordnen ſich ohne Widerſtand der Hufe unter. Die Nothwendigkeit, allmählig die gemeinſamen Angelegenheiten einer regelmäßigen Berathung und Thätigkeit zu unter- ziehen, entwickelte die Elemente der Selbſtverwaltung in denſelben, und es entſtanden feſte Organe dieſer Selbſtverwaltung, deren Spitze der Schultheiß, deren Umfang zunächſt Gericht und Polizei war. In dieſem Sinne iſt das Dorf jetzt als Körper der Selbſtverwaltung eine Dorf- ſchaft, wie wir ſie oben bereits bezeichnet haben. Da nun das Königthum noch ſelbſt ſo gut als gar keine Verwal- tung hat, ſo treten ſich in allen öffentlichen Dingen dieſe beiden Grund- formen der Herrſchaft und der Dorfſchaft gegenüber. Beide ſind Selbſt- verwaltungskörper, da die Staatsverwaltung noch fehlt. Allein es leuchtet ein, daß die Grundherrlichkeit die Selbſtverwaltung zu einem perſönlichen Rechte der Grundherrn macht, das wiederum, indem es auf dem Eigenthumsrechte an Grund und Boden beruht, gleichfalls den Charakter ſeiner Rechtsquelle, des Privatrechts, annimmt. Die herr- ſchaftliche Selbſtverwaltung ſchließt daher mit dieſem Rechtstitel aller- dings das Eingreifen der langſam entſtehenden landesherrlichen Ver- waltung aus, aber auf demſelben Rechte ſich gründend verweigert ſie auch jedem Inſaſſen auf dem ihr irgendwie angehörigen Grund und Boden ein Recht auf Theilnahme an der herrſchaftlichen Verwaltung. In der That wäre eine ſolche Theilnahme nicht bloß eine Beſchränkung des öffentlichen Rechts des Grundherrn, ſondern zugleich ein Eingriff in das Eigenthumsrecht an Grund und Boden geweſen, da ſich das eine ohne das andere gar nicht denken ließ. Die dorfſchaftliche

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/472>, abgerufen am 25.11.2024.