bedarf der Organe und Aemter. So entstehen die Stellen und Funk- tionen der Vorsteher der Landschaft, die zugleich die Vorsitzenden der Landtage sind, die Landmarschälle, oder wie sie sonst heißen, mit den ständischen Aemtern, die ihm neben- und untergeordnet sind, und dem staatlichen Amtsorganismus in Ordnung und Recht entsprechen. Dann entwickelt sich die eigentliche Verwaltung der Landschaft, welche theils vom Landmarschall, theils vom Ausschuß, theils vom ganzen Landtag besorgt wird. Und zwar ist es gar kein Zweifel, daß wir hier die drei großen Gebiete der Verwaltung wieder zu unterscheiden haben.
Zuerst sehen wir das Finanzwesen auftreten. Es bedarf keiner Erklärung, daß die Landschaft zwei finanzielle Funktionen zugleich hat. Zuerst muß sie die, für die etwaigen Zwecke der inneren Verwaltung nothwendigen Gelder innerhalb ihrer eigenen Stände aufbringen, und bildet so den ersten großen Körper der finanziellen Selbstverwaltung. Dann aber muß sie auch die vom Königthum im Namen des Ganzen, des Staats geforderten Lasten geben. So entwickelt sie das große Princip der Steuerbewilligung. Es gibt daher ursprünglich nur eine Steuerbewilligung der Landschaft, niemals eine des Reiches. Es ist kein größerer Widerspruch, als wenn man sich in jenen Zeiten eine Reichs- steuerbewilligung denkt. Niemand hatte das Recht, für einen anderen Gelder zu bewilligen; eben so wenig war es denkbar, daß ein Landtag für den anderen Gelder geben, oder sie für den Landesherrn beschließen könne. Das was das Land gab, war Gabe der Landschaft, nicht des Reiches. Es war dann Sache des Landtages, diese Gabe zu vertheilen, und Sache des Vorstandes, sie einzuholen; aber die Landschaft war und blieb dabei selbständig. Das alles beruhte seinerseits nicht auf einem staatlichen, sondern auf dem Privatrechtstitel des Eigenthums- rechts; aber er erzeugte den Grundsatz, der dann in edlerer Form auf- tritt, daß jede Steuer an den Staat der Zustimmung dessen bedarf, der sie zu zahlen hat. Das Steuerbewilligungsrecht unserer Zeit ist daher ein wesentlich anderes als das der ständischen Epoche; aber dieses hat jenem seine rechtliche Basis gegeben, wenn auch die principielle eine viel höhere ist. Eben darum ist auch die innere Gestalt des provinziellen Steuerbewilligungsrechts eine so wesentlich verschiedene von der früheren. Aehnlich verhält es sich mit dem zweiten Gebiete.
Die Landschaft ist nämlich zweitens der erste große Körper der Rechtspflege. Wir haben den Unterschied zwischen Landes- und Reichsrecht bereits früher bezeichnet. Nur muß man sich unter dem Landesrecht etwas anderes für die Zeit der ständischen Gesellschaft denken als für die gegenwärtige, und wir dürfen darauf aufmerksam machen, wie leicht man den specifischen Begriff des ständischen Landrechts
bedarf der Organe und Aemter. So entſtehen die Stellen und Funk- tionen der Vorſteher der Landſchaft, die zugleich die Vorſitzenden der Landtage ſind, die Landmarſchälle, oder wie ſie ſonſt heißen, mit den ſtändiſchen Aemtern, die ihm neben- und untergeordnet ſind, und dem ſtaatlichen Amtsorganismus in Ordnung und Recht entſprechen. Dann entwickelt ſich die eigentliche Verwaltung der Landſchaft, welche theils vom Landmarſchall, theils vom Ausſchuß, theils vom ganzen Landtag beſorgt wird. Und zwar iſt es gar kein Zweifel, daß wir hier die drei großen Gebiete der Verwaltung wieder zu unterſcheiden haben.
Zuerſt ſehen wir das Finanzweſen auftreten. Es bedarf keiner Erklärung, daß die Landſchaft zwei finanzielle Funktionen zugleich hat. Zuerſt muß ſie die, für die etwaigen Zwecke der inneren Verwaltung nothwendigen Gelder innerhalb ihrer eigenen Stände aufbringen, und bildet ſo den erſten großen Körper der finanziellen Selbſtverwaltung. Dann aber muß ſie auch die vom Königthum im Namen des Ganzen, des Staats geforderten Laſten geben. So entwickelt ſie das große Princip der Steuerbewilligung. Es gibt daher urſprünglich nur eine Steuerbewilligung der Landſchaft, niemals eine des Reiches. Es iſt kein größerer Widerſpruch, als wenn man ſich in jenen Zeiten eine Reichs- ſteuerbewilligung denkt. Niemand hatte das Recht, für einen anderen Gelder zu bewilligen; eben ſo wenig war es denkbar, daß ein Landtag für den anderen Gelder geben, oder ſie für den Landesherrn beſchließen könne. Das was das Land gab, war Gabe der Landſchaft, nicht des Reiches. Es war dann Sache des Landtages, dieſe Gabe zu vertheilen, und Sache des Vorſtandes, ſie einzuholen; aber die Landſchaft war und blieb dabei ſelbſtändig. Das alles beruhte ſeinerſeits nicht auf einem ſtaatlichen, ſondern auf dem Privatrechtstitel des Eigenthums- rechts; aber er erzeugte den Grundſatz, der dann in edlerer Form auf- tritt, daß jede Steuer an den Staat der Zuſtimmung deſſen bedarf, der ſie zu zahlen hat. Das Steuerbewilligungsrecht unſerer Zeit iſt daher ein weſentlich anderes als das der ſtändiſchen Epoche; aber dieſes hat jenem ſeine rechtliche Baſis gegeben, wenn auch die principielle eine viel höhere iſt. Eben darum iſt auch die innere Geſtalt des provinziellen Steuerbewilligungsrechts eine ſo weſentlich verſchiedene von der früheren. Aehnlich verhält es ſich mit dem zweiten Gebiete.
Die Landſchaft iſt nämlich zweitens der erſte große Körper der Rechtspflege. Wir haben den Unterſchied zwiſchen Landes- und Reichsrecht bereits früher bezeichnet. Nur muß man ſich unter dem Landesrecht etwas anderes für die Zeit der ſtändiſchen Geſellſchaft denken als für die gegenwärtige, und wir dürfen darauf aufmerkſam machen, wie leicht man den ſpecifiſchen Begriff des ſtändiſchen Landrechts
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Landtage ſind, die Landmarſchälle, oder wie ſie ſonſt heißen, mit den
ſtändiſchen Aemtern, die ihm neben- und untergeordnet ſind, und
dem ſtaatlichen Amtsorganismus in Ordnung und Recht entſprechen.
Dann entwickelt ſich die eigentliche Verwaltung der Landſchaft, welche
theils vom Landmarſchall, theils vom Ausſchuß, theils vom ganzen
Landtag beſorgt wird. Und zwar iſt es gar kein Zweifel, daß wir hier
die drei großen Gebiete der Verwaltung wieder zu unterſcheiden haben.
Zuerſt ſehen wir das Finanzweſen auftreten. Es bedarf keiner
Erklärung, daß die Landſchaft zwei finanzielle Funktionen zugleich hat.
Zuerſt muß ſie die, für die etwaigen Zwecke der inneren Verwaltung
nothwendigen Gelder innerhalb ihrer eigenen Stände aufbringen, und
bildet ſo den erſten großen Körper der finanziellen Selbſtverwaltung.
Dann aber muß ſie auch die vom Königthum im Namen des Ganzen,
des Staats geforderten Laſten geben. So entwickelt ſie das große
Princip der Steuerbewilligung. Es gibt daher urſprünglich nur eine
Steuerbewilligung der Landſchaft, niemals eine des Reiches. Es iſt
kein größerer Widerſpruch, als wenn man ſich in jenen Zeiten eine Reichs-
ſteuerbewilligung denkt. Niemand hatte das Recht, für einen anderen
Gelder zu bewilligen; eben ſo wenig war es denkbar, daß ein Landtag
für den anderen Gelder geben, oder ſie für den Landesherrn beſchließen
könne. Das was das Land gab, war Gabe der Landſchaft, nicht des
Reiches. Es war dann Sache des Landtages, dieſe Gabe zu vertheilen,
und Sache des Vorſtandes, ſie einzuholen; aber die Landſchaft war
und blieb dabei ſelbſtändig. Das alles beruhte ſeinerſeits nicht auf
einem ſtaatlichen, ſondern auf dem Privatrechtstitel des Eigenthums-
rechts; aber er erzeugte den Grundſatz, der dann in edlerer Form auf-
tritt, daß jede Steuer an den Staat der Zuſtimmung deſſen bedarf,
der ſie zu zahlen hat. Das Steuerbewilligungsrecht unſerer Zeit iſt
daher ein weſentlich anderes als das der ſtändiſchen Epoche; aber dieſes
hat jenem ſeine rechtliche Baſis gegeben, wenn auch die principielle eine
viel höhere iſt. Eben darum iſt auch die innere Geſtalt des provinziellen
Steuerbewilligungsrechts eine ſo weſentlich verſchiedene von der früheren.
Aehnlich verhält es ſich mit dem zweiten Gebiete.
Die Landſchaft iſt nämlich zweitens der erſte große Körper der
Rechtspflege. Wir haben den Unterſchied zwiſchen Landes- und
Reichsrecht bereits früher bezeichnet. Nur muß man ſich unter dem
Landesrecht etwas anderes für die Zeit der ſtändiſchen Geſellſchaft denken
als für die gegenwärtige, und wir dürfen darauf aufmerkſam machen,
wie leicht man den ſpecifiſchen Begriff des ſtändiſchen Landrechts
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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