Thatsache der Anstellung für den Beamteten persönlich erworben wird, wie das Wahlrecht durch die Staatsangehörigkeit, oder etwa die körper- liche Unverletzlichkeit durch die Geburt, erkannt werden. Der Staat kann diese wesentlichen Verpflichtungen, die die Natur des Amts als ein Recht des Beamteten fordert, gar nicht ändern. Er kann ihnen höchstens ein besonderes Maß im einzelnen Falle geben, und nur wo dieß der Fall ist, nimmt das Recht des Staatsdieners den Charakter eines bürgerlichen Rechts an, und kann daher auch nur in dieser Be- ziehung wie ein bürgerliches Recht vor dem bürgerlichen Gericht verfolgt werden.
In diesem Sinne muß man nun nicht, wie es gewöhnlich geschieht, das gesammte Staatsdienerrecht als ein gleichartiges betrachten, sondern man muß unterscheiden zwischen dem Recht auf das Amt im Ganzen, dem Rechte auf die einzelnen aus dem Amt entspringenden persönlichen Lebensverhältnisse, und dem Rechte, welche aus den einzelnen Handlungen des Staatsdieners entstehen.
Da zuerst der Staatsdienst ein Lebensberuf und kein Geschäft ist, so ist die Anstellung auch kein Vertrag, sondern eine Berufung, und kann mithin auch weder als ein einseitig vom Staate oder dem Staatsdiener lösbares, noch auch als ein unbedingt privatrechtlich gültiges Verhältniß betrachtet werden. Das Wesen des Amts schließt daher sowohl die einseitige Entlassung von Seiten des Staats, als den einseitigen Austritt des Staatsdieners aus. Jede Anstellung auf Kündigung begründet deßhalb keine amtliche Stellung; jede amtliche Stellung ist ihrer Natur nach eine Anstellung für das ganze Leben. In diesem Sinne hat der Beamtete ein Recht auf das Amt. Die Entfernung vom Amte hat mithin das Wegfallen derjenigen Bedingungen zur Voraussetzung, welche die Anstellung selbst voraussetzte, der persön- lichen Fähigkeit zur berufsmäßigen Amtsführung. Die Entscheidung dar- über ob diese Fähigkeit da ist oder nicht, kann eben darum, weil das Amt als Beruf zum Stande geworden ist, nur durch ein standesmäßiges, d. h. für den ganzen Stand gleichmäßig berufenes Organ entschieden werden, und nie durch eine einzelne Persönlichkeit. Als solches ist die Spitze der selbständigen Organisationsgewalt, der Staatsrath, das natürlich bestimmte Organ, vor welchem die Entlassung zu verhandeln ist; und welche sie ebenso wohl dem Beamteten verweigern, als sie aus- sprechen kann; denn wenn der Beamtete ein Recht auf sein Amt hat, so hat consequent auch das Amt ein Recht auf den Beamteten. Das ist durch das Wesen des standesmäßigen Berufes gegeben. -- Dieses sind die Grundsätze welche das Princip der Unabsetzbarkeit des Be- amteten bilden.
Thatſache der Anſtellung für den Beamteten perſönlich erworben wird, wie das Wahlrecht durch die Staatsangehörigkeit, oder etwa die körper- liche Unverletzlichkeit durch die Geburt, erkannt werden. Der Staat kann dieſe weſentlichen Verpflichtungen, die die Natur des Amts als ein Recht des Beamteten fordert, gar nicht ändern. Er kann ihnen höchſtens ein beſonderes Maß im einzelnen Falle geben, und nur wo dieß der Fall iſt, nimmt das Recht des Staatsdieners den Charakter eines bürgerlichen Rechts an, und kann daher auch nur in dieſer Be- ziehung wie ein bürgerliches Recht vor dem bürgerlichen Gericht verfolgt werden.
In dieſem Sinne muß man nun nicht, wie es gewöhnlich geſchieht, das geſammte Staatsdienerrecht als ein gleichartiges betrachten, ſondern man muß unterſcheiden zwiſchen dem Recht auf das Amt im Ganzen, dem Rechte auf die einzelnen aus dem Amt entſpringenden perſönlichen Lebensverhältniſſe, und dem Rechte, welche aus den einzelnen Handlungen des Staatsdieners entſtehen.
Da zuerſt der Staatsdienſt ein Lebensberuf und kein Geſchäft iſt, ſo iſt die Anſtellung auch kein Vertrag, ſondern eine Berufung, und kann mithin auch weder als ein einſeitig vom Staate oder dem Staatsdiener lösbares, noch auch als ein unbedingt privatrechtlich gültiges Verhältniß betrachtet werden. Das Weſen des Amts ſchließt daher ſowohl die einſeitige Entlaſſung von Seiten des Staats, als den einſeitigen Austritt des Staatsdieners aus. Jede Anſtellung auf Kündigung begründet deßhalb keine amtliche Stellung; jede amtliche Stellung iſt ihrer Natur nach eine Anſtellung für das ganze Leben. In dieſem Sinne hat der Beamtete ein Recht auf das Amt. Die Entfernung vom Amte hat mithin das Wegfallen derjenigen Bedingungen zur Vorausſetzung, welche die Anſtellung ſelbſt vorausſetzte, der perſön- lichen Fähigkeit zur berufsmäßigen Amtsführung. Die Entſcheidung dar- über ob dieſe Fähigkeit da iſt oder nicht, kann eben darum, weil das Amt als Beruf zum Stande geworden iſt, nur durch ein ſtandesmäßiges, d. h. für den ganzen Stand gleichmäßig berufenes Organ entſchieden werden, und nie durch eine einzelne Perſönlichkeit. Als ſolches iſt die Spitze der ſelbſtändigen Organiſationsgewalt, der Staatsrath, das natürlich beſtimmte Organ, vor welchem die Entlaſſung zu verhandeln iſt; und welche ſie ebenſo wohl dem Beamteten verweigern, als ſie aus- ſprechen kann; denn wenn der Beamtete ein Recht auf ſein Amt hat, ſo hat conſequent auch das Amt ein Recht auf den Beamteten. Das iſt durch das Weſen des ſtandesmäßigen Berufes gegeben. — Dieſes ſind die Grundſätze welche das Princip der Unabſetzbarkeit des Be- amteten bilden.
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Thatſache der Anſtellung für den Beamteten perſönlich erworben wird,
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kann dieſe weſentlichen Verpflichtungen, die die Natur des Amts als
ein Recht des Beamteten fordert, gar nicht ändern. Er kann ihnen
höchſtens ein beſonderes Maß im einzelnen Falle geben, und nur wo
dieß der Fall iſt, nimmt das Recht des Staatsdieners den Charakter
eines bürgerlichen Rechts an, und kann daher auch nur in dieſer Be-
ziehung wie ein bürgerliches Recht vor dem bürgerlichen Gericht verfolgt
werden.
In dieſem Sinne muß man nun nicht, wie es gewöhnlich geſchieht,
das geſammte Staatsdienerrecht als ein gleichartiges betrachten, ſondern
man muß unterſcheiden zwiſchen dem Recht auf das Amt im Ganzen,
dem Rechte auf die einzelnen aus dem Amt entſpringenden perſönlichen
Lebensverhältniſſe, und dem Rechte, welche aus den einzelnen
Handlungen des Staatsdieners entſtehen.
Da zuerſt der Staatsdienſt ein Lebensberuf und kein Geſchäft
iſt, ſo iſt die Anſtellung auch kein Vertrag, ſondern eine Berufung,
und kann mithin auch weder als ein einſeitig vom Staate oder dem
Staatsdiener lösbares, noch auch als ein unbedingt privatrechtlich
gültiges Verhältniß betrachtet werden. Das Weſen des Amts ſchließt
daher ſowohl die einſeitige Entlaſſung von Seiten des Staats, als den
einſeitigen Austritt des Staatsdieners aus. Jede Anſtellung auf
Kündigung begründet deßhalb keine amtliche Stellung; jede amtliche
Stellung iſt ihrer Natur nach eine Anſtellung für das ganze Leben.
In dieſem Sinne hat der Beamtete ein Recht auf das Amt. Die
Entfernung vom Amte hat mithin das Wegfallen derjenigen Bedingungen
zur Vorausſetzung, welche die Anſtellung ſelbſt vorausſetzte, der perſön-
lichen Fähigkeit zur berufsmäßigen Amtsführung. Die Entſcheidung dar-
über ob dieſe Fähigkeit da iſt oder nicht, kann eben darum, weil das Amt
als Beruf zum Stande geworden iſt, nur durch ein ſtandesmäßiges,
d. h. für den ganzen Stand gleichmäßig berufenes Organ entſchieden
werden, und nie durch eine einzelne Perſönlichkeit. Als ſolches iſt die
Spitze der ſelbſtändigen Organiſationsgewalt, der Staatsrath, das
natürlich beſtimmte Organ, vor welchem die Entlaſſung zu verhandeln
iſt; und welche ſie ebenſo wohl dem Beamteten verweigern, als ſie aus-
ſprechen kann; denn wenn der Beamtete ein Recht auf ſein Amt hat,
ſo hat conſequent auch das Amt ein Recht auf den Beamteten. Das
iſt durch das Weſen des ſtandesmäßigen Berufes gegeben. — Dieſes
ſind die Grundſätze welche das Princip der Unabſetzbarkeit des Be-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/383>, abgerufen am 22.11.2024.
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