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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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thoroughly worthless," und in diese Klage stimmte das ganze Volk ein. Es
wurden darauf Commissionen mit dem Auftrage zu einer Untersuchung und
Examen mit dem Recht auf Ausweisung der Unfähigen ernannt (die sog. pass
examination
). Zugleich aber führte man förmliche Anstellungsexamina (com-
petitive examination
) ein und zwar für jede Stelle. Da aber keine geordnete
Universitätsbildung vorherging, so verwirrten sich die Urtheile, namentlich, da
durch die Prüfung die Neuangestellten den früheren Beamten gewissermaßen
voranstanden (the unused acquirements became a source of discontent
for the possessor
). Mit Recht trat daher die Ansicht auf, daß es falsch sei,
für alle Stellen jene competitive examination mit dem Recht einzuführen,
daß jeder dieselbe machen könne of whatever ranks and whatever antecedents;
aber zu der Erkenntniß, daß die Bedingung eines vernünftigen Princips für das
Examen und seine Berechtigung eben in den wohlorganisirten Universitätsstudien
liege, ist man noch nicht gekommen. Dennoch wird man dahin gelangen müssen.

Wir dürfen die übrigen Bedingungen der Anstellung, Ehrenhaftigkeit,
Volljährigkeit u. s. w. der speziellen Darstellung des Staatsdienerrechts über-
lassen. Die Unterscheidung zwischen den Stellen, deren Besetzung dem Staats-
oberhaupt vorbehalten ist, und die der Minister persönlich ernennen kann, ist
im Grunde eine Sache der Zweckmäßigkeit, allerdings unter der Voraussetzung,
daß jede Stelle, welche ein berathendes Votum in irgend einem Zweige der
Verwaltung hat, unbedingt dem Staatsoberhaupt vorbehalten sein muß.

b) Die Amtspflicht.

Die Amtspflicht entsteht, indem die Anstellung den Einzelnen mit
seinem Willen und seiner Thätigkeit zu einem Organ der Verwaltung
und mithin das Aufgeben der persönlichen Selbständigkeit zur Pflicht des
Beamteten macht. Die höhere Auffassung des Staatsdienstes fordert,
daß man diese Pflicht in zwei große Gruppen theile, die standes-
mäßige
und die amtsmäßige.

Die standesmäßige Amtspflicht beruht eben darauf, daß das Amt
ein Beruf und die Gesammtheit der Beamteten daher ein Stand ist,
der eine selbständige hohe ethische Aufgabe als Ganzes zu vertreten hat.
Das Eintreten in diesen Stand fordert, daß der einzelne Beamtete sein
individuelles Leben der Ehre und Würde seines Standes gemäß führe;
das Angehören an den Stand macht diese Pflicht aus einer bloß sub-
jektiven zu einer öffentlichen, und ihre Erfüllung zu einer Bedingung
der Bekleidung des Amts. -- Es wird aus dem Frühern klar sein,
daß diese standesmäßige Amtspflicht nur in Deutschland sich zu einem
positiven Recht entwickeln konnte, gemäß welchem der unehrenhafte und
unsittliche Lebenswandel des Beamteten ihn zur Amtsführung unwürdig
macht, abgesehen von den wirklichen Vergehen und Verbrechen, die zur
Entsetzung führen.


thoroughly worthless,“ und in dieſe Klage ſtimmte das ganze Volk ein. Es
wurden darauf Commiſſionen mit dem Auftrage zu einer Unterſuchung und
Examen mit dem Recht auf Ausweiſung der Unfähigen ernannt (die ſog. pass
examination
). Zugleich aber führte man förmliche Anſtellungsexamina (com-
petitive examination
) ein und zwar für jede Stelle. Da aber keine geordnete
Univerſitätsbildung vorherging, ſo verwirrten ſich die Urtheile, namentlich, da
durch die Prüfung die Neuangeſtellten den früheren Beamten gewiſſermaßen
voranſtanden (the unused acquirements became a source of discontent
for the possessor
). Mit Recht trat daher die Anſicht auf, daß es falſch ſei,
für alle Stellen jene competitive examination mit dem Recht einzuführen,
daß jeder dieſelbe machen könne of whatever ranks and whatever antecedents;
aber zu der Erkenntniß, daß die Bedingung eines vernünftigen Princips für das
Examen und ſeine Berechtigung eben in den wohlorganiſirten Univerſitätsſtudien
liege, iſt man noch nicht gekommen. Dennoch wird man dahin gelangen müſſen.

Wir dürfen die übrigen Bedingungen der Anſtellung, Ehrenhaftigkeit,
Volljährigkeit u. ſ. w. der ſpeziellen Darſtellung des Staatsdienerrechts über-
laſſen. Die Unterſcheidung zwiſchen den Stellen, deren Beſetzung dem Staats-
oberhaupt vorbehalten iſt, und die der Miniſter perſönlich ernennen kann, iſt
im Grunde eine Sache der Zweckmäßigkeit, allerdings unter der Vorausſetzung,
daß jede Stelle, welche ein berathendes Votum in irgend einem Zweige der
Verwaltung hat, unbedingt dem Staatsoberhaupt vorbehalten ſein muß.

b) Die Amtspflicht.

Die Amtspflicht entſteht, indem die Anſtellung den Einzelnen mit
ſeinem Willen und ſeiner Thätigkeit zu einem Organ der Verwaltung
und mithin das Aufgeben der perſönlichen Selbſtändigkeit zur Pflicht des
Beamteten macht. Die höhere Auffaſſung des Staatsdienſtes fordert,
daß man dieſe Pflicht in zwei große Gruppen theile, die ſtandes-
mäßige
und die amtsmäßige.

Die ſtandesmäßige Amtspflicht beruht eben darauf, daß das Amt
ein Beruf und die Geſammtheit der Beamteten daher ein Stand iſt,
der eine ſelbſtändige hohe ethiſche Aufgabe als Ganzes zu vertreten hat.
Das Eintreten in dieſen Stand fordert, daß der einzelne Beamtete ſein
individuelles Leben der Ehre und Würde ſeines Standes gemäß führe;
das Angehören an den Stand macht dieſe Pflicht aus einer bloß ſub-
jektiven zu einer öffentlichen, und ihre Erfüllung zu einer Bedingung
der Bekleidung des Amts. — Es wird aus dem Frühern klar ſein,
daß dieſe ſtandesmäßige Amtspflicht nur in Deutſchland ſich zu einem
poſitiven Recht entwickeln konnte, gemäß welchem der unehrenhafte und
unſittliche Lebenswandel des Beamteten ihn zur Amtsführung unwürdig
macht, abgeſehen von den wirklichen Vergehen und Verbrechen, die zur
Entſetzung führen.


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[354/0378] thoroughly worthless,“ und in dieſe Klage ſtimmte das ganze Volk ein. Es wurden darauf Commiſſionen mit dem Auftrage zu einer Unterſuchung und Examen mit dem Recht auf Ausweiſung der Unfähigen ernannt (die ſog. pass examination). Zugleich aber führte man förmliche Anſtellungsexamina (com- petitive examination) ein und zwar für jede Stelle. Da aber keine geordnete Univerſitätsbildung vorherging, ſo verwirrten ſich die Urtheile, namentlich, da durch die Prüfung die Neuangeſtellten den früheren Beamten gewiſſermaßen voranſtanden (the unused acquirements became a source of discontent for the possessor). Mit Recht trat daher die Anſicht auf, daß es falſch ſei, für alle Stellen jene competitive examination mit dem Recht einzuführen, daß jeder dieſelbe machen könne of whatever ranks and whatever antecedents; aber zu der Erkenntniß, daß die Bedingung eines vernünftigen Princips für das Examen und ſeine Berechtigung eben in den wohlorganiſirten Univerſitätsſtudien liege, iſt man noch nicht gekommen. Dennoch wird man dahin gelangen müſſen. Wir dürfen die übrigen Bedingungen der Anſtellung, Ehrenhaftigkeit, Volljährigkeit u. ſ. w. der ſpeziellen Darſtellung des Staatsdienerrechts über- laſſen. Die Unterſcheidung zwiſchen den Stellen, deren Beſetzung dem Staats- oberhaupt vorbehalten iſt, und die der Miniſter perſönlich ernennen kann, iſt im Grunde eine Sache der Zweckmäßigkeit, allerdings unter der Vorausſetzung, daß jede Stelle, welche ein berathendes Votum in irgend einem Zweige der Verwaltung hat, unbedingt dem Staatsoberhaupt vorbehalten ſein muß. b) Die Amtspflicht. Die Amtspflicht entſteht, indem die Anſtellung den Einzelnen mit ſeinem Willen und ſeiner Thätigkeit zu einem Organ der Verwaltung und mithin das Aufgeben der perſönlichen Selbſtändigkeit zur Pflicht des Beamteten macht. Die höhere Auffaſſung des Staatsdienſtes fordert, daß man dieſe Pflicht in zwei große Gruppen theile, die ſtandes- mäßige und die amtsmäßige. Die ſtandesmäßige Amtspflicht beruht eben darauf, daß das Amt ein Beruf und die Geſammtheit der Beamteten daher ein Stand iſt, der eine ſelbſtändige hohe ethiſche Aufgabe als Ganzes zu vertreten hat. Das Eintreten in dieſen Stand fordert, daß der einzelne Beamtete ſein individuelles Leben der Ehre und Würde ſeines Standes gemäß führe; das Angehören an den Stand macht dieſe Pflicht aus einer bloß ſub- jektiven zu einer öffentlichen, und ihre Erfüllung zu einer Bedingung der Bekleidung des Amts. — Es wird aus dem Frühern klar ſein, daß dieſe ſtandesmäßige Amtspflicht nur in Deutſchland ſich zu einem poſitiven Recht entwickeln konnte, gemäß welchem der unehrenhafte und unſittliche Lebenswandel des Beamteten ihn zur Amtsführung unwürdig macht, abgeſehen von den wirklichen Vergehen und Verbrechen, die zur Entſetzung führen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/378>, abgerufen am 22.11.2024.