Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

gestalten. Die Städte erzeugen daher mit der Verwaltungslehre ferner
auch die gesetzlichen Bedingungen für den Eintritt in die Staatsämter;
von ihnen geht geographisch mit der centralen administrativen Organi-
sation die theoretische Bildung aus, und zwar ist es naturgemäß, daß
beide zunächst den Handelsstraßen als den Verbindungswegen zwischen
den Städten folgen; die geschichtliche Ausbreitung der Stadtrechte
liefert dafür den unzweifelhaften Beweis. Dabei bilden die Flüsse
keine Gränze, sondern sie haben durchaus den Charakter und damit
den Einfluß von Handelsstraßen, soweit sie eben schiffbar sind. Die
Organisation der Verwaltung gestaltet sich durch diesen Einfluß inner-
halb der Schiffbarkeit allmählig immer gleichartiger, und in diesem
Sinne kann man den Grundsatz aufstellen, daß ein Flußgebiet die
ursprüngliche Grundlage des Verwaltungsgebietes ist. Dann aber
entwickelt sich mit dem zunehmenden Handel das Wegewesen, zuletzt
die Eisenbahnen; der Einfluß des Flusses verschwindet, und an seine
Stelle tritt die Concentrirung des Verkehrs überhaupt, der weil er
selbst seinem Wesen nach immer der gleiche ist, auch immer eine wesent-
lich gleiche Ordnung des Verwaltungslebens erzeugt, die Unterschiede
mehr und mehr verschwinden macht und nur noch die ganz allgemeinen
Einflüsse von Ebene und Gebirge dadurch bestehen läßt, daß das
eigentliche Element aller Verwaltungsthätigkeit und ihrer organischen
Entwicklung, die Dichtigkeit der Bevölkerung, welche auf der Frucht-
barkeit beruht, in seiner Verschiedenheit bestehen bleibt. Einen eigen-
thümlichen Platz nehmen dabei die Seestädte ein. Die Lebens- und
Verkehrsverhältnisse der Seestädte entwickeln immer zwei wesentlich ver-
schiedene Seiten in ihrer Stellung zum Gesammtleben. Einerseits
bilden sie den Knotenpunkt für das Zusammenlaufen der Handelslinien,
welche aus dem Innern kommen; andererseits bilden ihre Beziehungen
zum Seeleben und zu fremden Staaten wesentlich andere Verhältnisse
aus, die eine eigene Verwaltungsthätigkeit und damit eigene Organe
fordern. Jede Seestadt strebt deßhalb darnach, soviel als möglich
einen selbständigen Verwaltungskörper zu bilden, und sich wenigstens
in Bezug auf Handels- und Schifffahrtsverhältnisse vom übrigen Lande
zu scheiden, während sie selbst naturgemäß den Sitz der Verwaltungs-
organe für die Seeverwaltung in allen ihren Zweigen abgeben. Wenn
es daher verkehrt ist, sie in allen Beziehungen der Verwaltung abzu-
scheiden, so ist es allerdings auch verkehrt, ihnen in ihrem selbständigen
Lebensgebiet nicht ihre nothwendige Selbständigkeit zu geben. Immer
aber wird bei Seestaaten der Mittelpunkt der ganzen Verwaltung stets
nach dem Haupthafenplatz fallen, und damit der Regel nach das Interesse
des Seehandels oft genug das der andern volkswirthschaftlichen Gebiete

geſtalten. Die Städte erzeugen daher mit der Verwaltungslehre ferner
auch die geſetzlichen Bedingungen für den Eintritt in die Staatsämter;
von ihnen geht geographiſch mit der centralen adminiſtrativen Organi-
ſation die theoretiſche Bildung aus, und zwar iſt es naturgemäß, daß
beide zunächſt den Handelsſtraßen als den Verbindungswegen zwiſchen
den Städten folgen; die geſchichtliche Ausbreitung der Stadtrechte
liefert dafür den unzweifelhaften Beweis. Dabei bilden die Flüſſe
keine Gränze, ſondern ſie haben durchaus den Charakter und damit
den Einfluß von Handelsſtraßen, ſoweit ſie eben ſchiffbar ſind. Die
Organiſation der Verwaltung geſtaltet ſich durch dieſen Einfluß inner-
halb der Schiffbarkeit allmählig immer gleichartiger, und in dieſem
Sinne kann man den Grundſatz aufſtellen, daß ein Flußgebiet die
urſprüngliche Grundlage des Verwaltungsgebietes iſt. Dann aber
entwickelt ſich mit dem zunehmenden Handel das Wegeweſen, zuletzt
die Eiſenbahnen; der Einfluß des Fluſſes verſchwindet, und an ſeine
Stelle tritt die Concentrirung des Verkehrs überhaupt, der weil er
ſelbſt ſeinem Weſen nach immer der gleiche iſt, auch immer eine weſent-
lich gleiche Ordnung des Verwaltungslebens erzeugt, die Unterſchiede
mehr und mehr verſchwinden macht und nur noch die ganz allgemeinen
Einflüſſe von Ebene und Gebirge dadurch beſtehen läßt, daß das
eigentliche Element aller Verwaltungsthätigkeit und ihrer organiſchen
Entwicklung, die Dichtigkeit der Bevölkerung, welche auf der Frucht-
barkeit beruht, in ſeiner Verſchiedenheit beſtehen bleibt. Einen eigen-
thümlichen Platz nehmen dabei die Seeſtädte ein. Die Lebens- und
Verkehrsverhältniſſe der Seeſtädte entwickeln immer zwei weſentlich ver-
ſchiedene Seiten in ihrer Stellung zum Geſammtleben. Einerſeits
bilden ſie den Knotenpunkt für das Zuſammenlaufen der Handelslinien,
welche aus dem Innern kommen; andererſeits bilden ihre Beziehungen
zum Seeleben und zu fremden Staaten weſentlich andere Verhältniſſe
aus, die eine eigene Verwaltungsthätigkeit und damit eigene Organe
fordern. Jede Seeſtadt ſtrebt deßhalb darnach, ſoviel als möglich
einen ſelbſtändigen Verwaltungskörper zu bilden, und ſich wenigſtens
in Bezug auf Handels- und Schifffahrtsverhältniſſe vom übrigen Lande
zu ſcheiden, während ſie ſelbſt naturgemäß den Sitz der Verwaltungs-
organe für die Seeverwaltung in allen ihren Zweigen abgeben. Wenn
es daher verkehrt iſt, ſie in allen Beziehungen der Verwaltung abzu-
ſcheiden, ſo iſt es allerdings auch verkehrt, ihnen in ihrem ſelbſtändigen
Lebensgebiet nicht ihre nothwendige Selbſtändigkeit zu geben. Immer
aber wird bei Seeſtaaten der Mittelpunkt der ganzen Verwaltung ſtets
nach dem Haupthafenplatz fallen, und damit der Regel nach das Intereſſe
des Seehandels oft genug das der andern volkswirthſchaftlichen Gebiete

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0363" n="339"/>
ge&#x017F;talten. Die Städte erzeugen daher mit der Verwaltungslehre ferner<lb/>
auch die ge&#x017F;etzlichen Bedingungen für den Eintritt in die Staatsämter;<lb/>
von ihnen geht geographi&#x017F;ch mit der centralen admini&#x017F;trativen Organi-<lb/>
&#x017F;ation die theoreti&#x017F;che Bildung aus, und zwar i&#x017F;t es naturgemäß, daß<lb/>
beide zunäch&#x017F;t den Handels&#x017F;traßen als den Verbindungswegen zwi&#x017F;chen<lb/>
den Städten folgen; die ge&#x017F;chichtliche Ausbreitung der Stadtrechte<lb/>
liefert dafür den unzweifelhaften Beweis. Dabei bilden die <hi rendition="#g">Flü&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
keine Gränze, &#x017F;ondern &#x017F;ie haben durchaus den Charakter und damit<lb/>
den Einfluß von Handels&#x017F;traßen, &#x017F;oweit &#x017F;ie eben &#x017F;chiffbar &#x017F;ind. Die<lb/>
Organi&#x017F;ation der Verwaltung ge&#x017F;taltet &#x017F;ich durch die&#x017F;en Einfluß inner-<lb/>
halb der Schiffbarkeit allmählig immer gleichartiger, und in die&#x017F;em<lb/>
Sinne kann man den Grund&#x017F;atz auf&#x017F;tellen, daß ein Flußgebiet die<lb/>
ur&#x017F;prüngliche Grundlage des Verwaltungsgebietes i&#x017F;t. Dann aber<lb/>
entwickelt &#x017F;ich mit dem zunehmenden Handel das Wegewe&#x017F;en, zuletzt<lb/>
die Ei&#x017F;enbahnen; der Einfluß des Flu&#x017F;&#x017F;es ver&#x017F;chwindet, und an &#x017F;eine<lb/>
Stelle tritt die Concentrirung des Verkehrs überhaupt, der weil er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einem We&#x017F;en nach immer der gleiche i&#x017F;t, auch immer eine we&#x017F;ent-<lb/>
lich gleiche Ordnung des Verwaltungslebens erzeugt, die Unter&#x017F;chiede<lb/>
mehr und mehr ver&#x017F;chwinden macht und nur noch die ganz allgemeinen<lb/>
Einflü&#x017F;&#x017F;e von Ebene und Gebirge dadurch be&#x017F;tehen läßt, daß das<lb/>
eigentliche Element aller Verwaltungsthätigkeit und ihrer organi&#x017F;chen<lb/>
Entwicklung, die Dichtigkeit der Bevölkerung, welche auf der Frucht-<lb/>
barkeit beruht, in &#x017F;einer Ver&#x017F;chiedenheit be&#x017F;tehen bleibt. Einen eigen-<lb/>
thümlichen Platz nehmen dabei die <hi rendition="#g">See&#x017F;tädte</hi> ein. Die Lebens- und<lb/>
Verkehrsverhältni&#x017F;&#x017F;e der See&#x017F;tädte entwickeln immer zwei we&#x017F;entlich ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Seiten in ihrer Stellung zum Ge&#x017F;ammtleben. Einer&#x017F;eits<lb/>
bilden &#x017F;ie den Knotenpunkt für das Zu&#x017F;ammenlaufen der Handelslinien,<lb/>
welche aus dem Innern kommen; anderer&#x017F;eits bilden ihre Beziehungen<lb/>
zum Seeleben und zu fremden Staaten we&#x017F;entlich andere Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
aus, die eine eigene Verwaltungsthätigkeit und damit eigene Organe<lb/>
fordern. Jede See&#x017F;tadt &#x017F;trebt deßhalb darnach, &#x017F;oviel als möglich<lb/>
einen &#x017F;elb&#x017F;tändigen Verwaltungskörper zu bilden, und &#x017F;ich wenig&#x017F;tens<lb/>
in Bezug auf Handels- und Schifffahrtsverhältni&#x017F;&#x017F;e vom übrigen Lande<lb/>
zu &#x017F;cheiden, während &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t naturgemäß den Sitz der Verwaltungs-<lb/>
organe für die Seeverwaltung in allen ihren Zweigen abgeben. Wenn<lb/>
es daher verkehrt i&#x017F;t, &#x017F;ie in allen Beziehungen der Verwaltung abzu-<lb/>
&#x017F;cheiden, &#x017F;o i&#x017F;t es allerdings auch verkehrt, ihnen in ihrem &#x017F;elb&#x017F;tändigen<lb/>
Lebensgebiet nicht ihre nothwendige Selb&#x017F;tändigkeit zu geben. Immer<lb/>
aber wird bei See&#x017F;taaten der Mittelpunkt der ganzen Verwaltung &#x017F;tets<lb/>
nach dem Haupthafenplatz fallen, und damit der Regel nach das Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des Seehandels oft genug das der andern volkswirth&#x017F;chaftlichen Gebiete<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0363] geſtalten. Die Städte erzeugen daher mit der Verwaltungslehre ferner auch die geſetzlichen Bedingungen für den Eintritt in die Staatsämter; von ihnen geht geographiſch mit der centralen adminiſtrativen Organi- ſation die theoretiſche Bildung aus, und zwar iſt es naturgemäß, daß beide zunächſt den Handelsſtraßen als den Verbindungswegen zwiſchen den Städten folgen; die geſchichtliche Ausbreitung der Stadtrechte liefert dafür den unzweifelhaften Beweis. Dabei bilden die Flüſſe keine Gränze, ſondern ſie haben durchaus den Charakter und damit den Einfluß von Handelsſtraßen, ſoweit ſie eben ſchiffbar ſind. Die Organiſation der Verwaltung geſtaltet ſich durch dieſen Einfluß inner- halb der Schiffbarkeit allmählig immer gleichartiger, und in dieſem Sinne kann man den Grundſatz aufſtellen, daß ein Flußgebiet die urſprüngliche Grundlage des Verwaltungsgebietes iſt. Dann aber entwickelt ſich mit dem zunehmenden Handel das Wegeweſen, zuletzt die Eiſenbahnen; der Einfluß des Fluſſes verſchwindet, und an ſeine Stelle tritt die Concentrirung des Verkehrs überhaupt, der weil er ſelbſt ſeinem Weſen nach immer der gleiche iſt, auch immer eine weſent- lich gleiche Ordnung des Verwaltungslebens erzeugt, die Unterſchiede mehr und mehr verſchwinden macht und nur noch die ganz allgemeinen Einflüſſe von Ebene und Gebirge dadurch beſtehen läßt, daß das eigentliche Element aller Verwaltungsthätigkeit und ihrer organiſchen Entwicklung, die Dichtigkeit der Bevölkerung, welche auf der Frucht- barkeit beruht, in ſeiner Verſchiedenheit beſtehen bleibt. Einen eigen- thümlichen Platz nehmen dabei die Seeſtädte ein. Die Lebens- und Verkehrsverhältniſſe der Seeſtädte entwickeln immer zwei weſentlich ver- ſchiedene Seiten in ihrer Stellung zum Geſammtleben. Einerſeits bilden ſie den Knotenpunkt für das Zuſammenlaufen der Handelslinien, welche aus dem Innern kommen; andererſeits bilden ihre Beziehungen zum Seeleben und zu fremden Staaten weſentlich andere Verhältniſſe aus, die eine eigene Verwaltungsthätigkeit und damit eigene Organe fordern. Jede Seeſtadt ſtrebt deßhalb darnach, ſoviel als möglich einen ſelbſtändigen Verwaltungskörper zu bilden, und ſich wenigſtens in Bezug auf Handels- und Schifffahrtsverhältniſſe vom übrigen Lande zu ſcheiden, während ſie ſelbſt naturgemäß den Sitz der Verwaltungs- organe für die Seeverwaltung in allen ihren Zweigen abgeben. Wenn es daher verkehrt iſt, ſie in allen Beziehungen der Verwaltung abzu- ſcheiden, ſo iſt es allerdings auch verkehrt, ihnen in ihrem ſelbſtändigen Lebensgebiet nicht ihre nothwendige Selbſtändigkeit zu geben. Immer aber wird bei Seeſtaaten der Mittelpunkt der ganzen Verwaltung ſtets nach dem Haupthafenplatz fallen, und damit der Regel nach das Intereſſe des Seehandels oft genug das der andern volkswirthſchaftlichen Gebiete

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/363
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/363>, abgerufen am 22.11.2024.