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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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oder wie man sie sonst nennen will) anerkennt, und ihnen ihre amtliche
Funktion in diesem Sinne und Geiste bestimmen wird.

Jedenfalls ist das, glauben wir, damit einleuchtend, daß man in Deutsch-
land sich den Behördenorganismus gar nicht mehr ohne das Verhältniß zur
Selbstverwaltung denken kann und soll, während er in Frankreich allein auf
den Momenten der Vollziehung beruht. Darin liegt der Charakter beider Länder
in dieser Beziehung.

c) Die Elemente der äußern Gestalt des Behördensystems. Land und Volk.

Das was wir die äußere Gestalt des Behördensystems nennen,
entsteht nun, indem das Behördensystem durch seine Aufgabe, die Voll-
ziehung örtlich und sachlich zur Ausführung zu bringen, über das ganze
Gebiet eines Reiches vertheilt wird. Es ist natürlich, daß diese Ver-
theilung zunächst als eine rein geographische erscheine. Diese Landes-
eintheilung zum Zwecke der Ordnung des Behördensystems und seiner
Competenz nennen wir nun gewöhnlich die politische Landeseintheilung,
und ihre Darstellung die politische Geographie.

Gewöhnlich nun bleibt die Darstellung des Behördensystems bei
dieser einfachen Thatsache stehen, und für viele Zwecke genügt das auch.
Allein es ist keine Frage, daß die Wissenschaft hier weiter gehen kann
und soll.

Offenbar ist es nicht das Land als solches, welches die Verwaltung
und mit ihr das Behördensystem nothwendig macht. Es ist vielmehr
das Leben der Menschheit in diesem Lande. Die Gesetze, welche dieses
Leben beherrschen, haben aber zunächst eine faktische gemeinsame Grund-
lage. Die Mannigfaltigkeit und Größe dieses Lebens steigt naturgemäß
mit der Zahl der Menschen, mit ihr daher auch die Aufgabe und
Thätigkeit der Verwaltung. Die erste Regel für dieß natürliche Element
in der Entwicklung des Behördensystems, auf die obigen Sätze zurück-
geführt, heißt daher: die Entwicklung des Behördensystems steht immer
im gleichen Verhältniß zu der örtlichen Dichtigkeit der Be-
völkerung
.

Da nun diese Dichtigkeit der Bevölkerung wieder auf das Engste
mit der Formation des Landes zusammenhängt, und wenigstens zum
großen Theile von Ebene, Flüssen, Meer und Gebirge bedingt wird,
so erscheint äußerlich das Behördensystem im innigen Anschlusse an die
geographische Gestalt des Landes. Der Charakter des einen erzeugt da-
mit den Charakter des andern, und in diesem Sinn kann man sagen,
daß jedes Land sein individuelles System von Behörden habe.

Um dieß genauer zu verfolgen, müßte die Wissenschaft für jedes
Land die folgenden Gesichtspunkte nicht bloß nach ihrem allgemeinen

Stein, die Verwaltungslehre. I. 22

oder wie man ſie ſonſt nennen will) anerkennt, und ihnen ihre amtliche
Funktion in dieſem Sinne und Geiſte beſtimmen wird.

Jedenfalls iſt das, glauben wir, damit einleuchtend, daß man in Deutſch-
land ſich den Behördenorganismus gar nicht mehr ohne das Verhältniß zur
Selbſtverwaltung denken kann und ſoll, während er in Frankreich allein auf
den Momenten der Vollziehung beruht. Darin liegt der Charakter beider Länder
in dieſer Beziehung.

c) Die Elemente der äußern Geſtalt des Behördenſyſtems. Land und Volk.

Das was wir die äußere Geſtalt des Behördenſyſtems nennen,
entſteht nun, indem das Behördenſyſtem durch ſeine Aufgabe, die Voll-
ziehung örtlich und ſachlich zur Ausführung zu bringen, über das ganze
Gebiet eines Reiches vertheilt wird. Es iſt natürlich, daß dieſe Ver-
theilung zunächſt als eine rein geographiſche erſcheine. Dieſe Landes-
eintheilung zum Zwecke der Ordnung des Behördenſyſtems und ſeiner
Competenz nennen wir nun gewöhnlich die politiſche Landeseintheilung,
und ihre Darſtellung die politiſche Geographie.

Gewöhnlich nun bleibt die Darſtellung des Behördenſyſtems bei
dieſer einfachen Thatſache ſtehen, und für viele Zwecke genügt das auch.
Allein es iſt keine Frage, daß die Wiſſenſchaft hier weiter gehen kann
und ſoll.

Offenbar iſt es nicht das Land als ſolches, welches die Verwaltung
und mit ihr das Behördenſyſtem nothwendig macht. Es iſt vielmehr
das Leben der Menſchheit in dieſem Lande. Die Geſetze, welche dieſes
Leben beherrſchen, haben aber zunächſt eine faktiſche gemeinſame Grund-
lage. Die Mannigfaltigkeit und Größe dieſes Lebens ſteigt naturgemäß
mit der Zahl der Menſchen, mit ihr daher auch die Aufgabe und
Thätigkeit der Verwaltung. Die erſte Regel für dieß natürliche Element
in der Entwicklung des Behördenſyſtems, auf die obigen Sätze zurück-
geführt, heißt daher: die Entwicklung des Behördenſyſtems ſteht immer
im gleichen Verhältniß zu der örtlichen Dichtigkeit der Be-
völkerung
.

Da nun dieſe Dichtigkeit der Bevölkerung wieder auf das Engſte
mit der Formation des Landes zuſammenhängt, und wenigſtens zum
großen Theile von Ebene, Flüſſen, Meer und Gebirge bedingt wird,
ſo erſcheint äußerlich das Behördenſyſtem im innigen Anſchluſſe an die
geographiſche Geſtalt des Landes. Der Charakter des einen erzeugt da-
mit den Charakter des andern, und in dieſem Sinn kann man ſagen,
daß jedes Land ſein individuelles Syſtem von Behörden habe.

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Land die folgenden Geſichtspunkte nicht bloß nach ihrem allgemeinen

Stein, die Verwaltungslehre. I. 22
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[337/0361] oder wie man ſie ſonſt nennen will) anerkennt, und ihnen ihre amtliche Funktion in dieſem Sinne und Geiſte beſtimmen wird. Jedenfalls iſt das, glauben wir, damit einleuchtend, daß man in Deutſch- land ſich den Behördenorganismus gar nicht mehr ohne das Verhältniß zur Selbſtverwaltung denken kann und ſoll, während er in Frankreich allein auf den Momenten der Vollziehung beruht. Darin liegt der Charakter beider Länder in dieſer Beziehung. c) Die Elemente der äußern Geſtalt des Behördenſyſtems. Land und Volk. Das was wir die äußere Geſtalt des Behördenſyſtems nennen, entſteht nun, indem das Behördenſyſtem durch ſeine Aufgabe, die Voll- ziehung örtlich und ſachlich zur Ausführung zu bringen, über das ganze Gebiet eines Reiches vertheilt wird. Es iſt natürlich, daß dieſe Ver- theilung zunächſt als eine rein geographiſche erſcheine. Dieſe Landes- eintheilung zum Zwecke der Ordnung des Behördenſyſtems und ſeiner Competenz nennen wir nun gewöhnlich die politiſche Landeseintheilung, und ihre Darſtellung die politiſche Geographie. Gewöhnlich nun bleibt die Darſtellung des Behördenſyſtems bei dieſer einfachen Thatſache ſtehen, und für viele Zwecke genügt das auch. Allein es iſt keine Frage, daß die Wiſſenſchaft hier weiter gehen kann und ſoll. Offenbar iſt es nicht das Land als ſolches, welches die Verwaltung und mit ihr das Behördenſyſtem nothwendig macht. Es iſt vielmehr das Leben der Menſchheit in dieſem Lande. Die Geſetze, welche dieſes Leben beherrſchen, haben aber zunächſt eine faktiſche gemeinſame Grund- lage. Die Mannigfaltigkeit und Größe dieſes Lebens ſteigt naturgemäß mit der Zahl der Menſchen, mit ihr daher auch die Aufgabe und Thätigkeit der Verwaltung. Die erſte Regel für dieß natürliche Element in der Entwicklung des Behördenſyſtems, auf die obigen Sätze zurück- geführt, heißt daher: die Entwicklung des Behördenſyſtems ſteht immer im gleichen Verhältniß zu der örtlichen Dichtigkeit der Be- völkerung. Da nun dieſe Dichtigkeit der Bevölkerung wieder auf das Engſte mit der Formation des Landes zuſammenhängt, und wenigſtens zum großen Theile von Ebene, Flüſſen, Meer und Gebirge bedingt wird, ſo erſcheint äußerlich das Behördenſyſtem im innigen Anſchluſſe an die geographiſche Geſtalt des Landes. Der Charakter des einen erzeugt da- mit den Charakter des andern, und in dieſem Sinn kann man ſagen, daß jedes Land ſein individuelles Syſtem von Behörden habe. Um dieß genauer zu verfolgen, müßte die Wiſſenſchaft für jedes Land die folgenden Geſichtspunkte nicht bloß nach ihrem allgemeinen Stein, die Verwaltungslehre. I. 22

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/361>, abgerufen am 22.11.2024.