ihr ihre natürliche Stellung als Vertreterin der inneren Verwaltung erhält, denn dadurch erst wird die freiere Selbstthätigkeit des Gemeindewesens möglich. Es ist vom höchsten Interesse, von diesem Standpunkt aus die Geschichte der Behördenorganisation zu verfolgen, die mit dem Anfange dieses Jahrhunderts in Süddeutschland, mit dem Jahre 1808 in Preußen, mit den Jahren 1816 bis 1820 in den übrigen Staaten, und mit dem Jahre 1848 in Oesterreich in die gegenwärtige Cpoche tritt. Wir müssen das genaueren Untersuchungen überlassen. Wohl aber werden wir auf ein zweites Moment eingehen müssen, das wesentlich zum obigen Bilde gehört, und das ist das System der Mittel- behörden.
b) Die Elemente der inneren Organisation des Behördensystems.
Derselbe Proceß, der durch die Herstellung der Einheit in der ganzen Verwaltung den Behörden der früheren Zeit ihre Selbständigkeit genommen, hat nun auch das Princip aufgestellt, welches ihre innere Organisation in jeder verfassungsmäßigen Verwaltung bestimmen muß. Da die Behörde die örtliche Ausführung der vollziehenden Thätigkeit hat, so muß sie so eingerichtet sein, daß sie diese einzelne Ausführung in vollster Harmonie mit der Absicht der vollziehenden Gewalt voll- bringt, und dadurch dem Principe der Verantwortlichkeit gleichsam seinen materiellen Boden gibt. Aus dieser allgemeinen Forderung er- geben sich die folgenden Grundsätze.
Zuerst entsteht daraus die Nothwendigkeit, daß jedes Ministerium sein Behördensystem habe. Dieser einfache Satz hat eine Reihe hochwichtiger Folgen, in denen eigentlich der Kern für die Bildung des Behördensystems besteht. Es folgt nämlich daraus zuerst, daß jedes Ministerium auch seine administrative Landeseintheilung habe; das Zusammentreffen derselben mit einem andern ist zwar wünschenswerth, aber nicht nothwendig. Namentlich werden diese Landeseintheilungen oft wesentlich differiren für das Ministerium des Krieges, der Finanzen und des Innern, während dieß mit dem Justizministerium sehr oft die- selbe Eintheilung annimmt. Das wird fast in allen Geographien gänz- lich übersehen, und das staatliche Bild, welches sie geben, ist dadurch stets ein unvollkommenes. Zweitens folgt, daß die Behörden des einen Ministeriums nicht die Funktionen des andern vollziehen dürfen, ohne das Princip der Verantwortlichkeit aufzuheben. Sehr einfach ist dieser Satz in dem Verhältniß aller übrigen Ministerien; schwierig er- scheint er nur zwischen dem Innern und der Justizpflege. Die Forderung der "Trennung von Justiz und Administration," deren Bedeutung wir bereits früher für den Begriff der verfassungsmäßigen Verwaltung dargelegt haben, findet hier auch seinen formellen Ausdruck, als Voraussetzung
ihr ihre natürliche Stellung als Vertreterin der inneren Verwaltung erhält, denn dadurch erſt wird die freiere Selbſtthätigkeit des Gemeindeweſens möglich. Es iſt vom höchſten Intereſſe, von dieſem Standpunkt aus die Geſchichte der Behördenorganiſation zu verfolgen, die mit dem Anfange dieſes Jahrhunderts in Süddeutſchland, mit dem Jahre 1808 in Preußen, mit den Jahren 1816 bis 1820 in den übrigen Staaten, und mit dem Jahre 1848 in Oeſterreich in die gegenwärtige Cpoche tritt. Wir müſſen das genaueren Unterſuchungen überlaſſen. Wohl aber werden wir auf ein zweites Moment eingehen müſſen, das weſentlich zum obigen Bilde gehört, und das iſt das Syſtem der Mittel- behörden.
b) Die Elemente der inneren Organiſation des Behördenſyſtems.
Derſelbe Proceß, der durch die Herſtellung der Einheit in der ganzen Verwaltung den Behörden der früheren Zeit ihre Selbſtändigkeit genommen, hat nun auch das Princip aufgeſtellt, welches ihre innere Organiſation in jeder verfaſſungsmäßigen Verwaltung beſtimmen muß. Da die Behörde die örtliche Ausführung der vollziehenden Thätigkeit hat, ſo muß ſie ſo eingerichtet ſein, daß ſie dieſe einzelne Ausführung in vollſter Harmonie mit der Abſicht der vollziehenden Gewalt voll- bringt, und dadurch dem Principe der Verantwortlichkeit gleichſam ſeinen materiellen Boden gibt. Aus dieſer allgemeinen Forderung er- geben ſich die folgenden Grundſätze.
Zuerſt entſteht daraus die Nothwendigkeit, daß jedes Miniſterium ſein Behördenſyſtem habe. Dieſer einfache Satz hat eine Reihe hochwichtiger Folgen, in denen eigentlich der Kern für die Bildung des Behördenſyſtems beſteht. Es folgt nämlich daraus zuerſt, daß jedes Miniſterium auch ſeine adminiſtrative Landeseintheilung habe; das Zuſammentreffen derſelben mit einem andern iſt zwar wünſchenswerth, aber nicht nothwendig. Namentlich werden dieſe Landeseintheilungen oft weſentlich differiren für das Miniſterium des Krieges, der Finanzen und des Innern, während dieß mit dem Juſtizminiſterium ſehr oft die- ſelbe Eintheilung annimmt. Das wird faſt in allen Geographien gänz- lich überſehen, und das ſtaatliche Bild, welches ſie geben, iſt dadurch ſtets ein unvollkommenes. Zweitens folgt, daß die Behörden des einen Miniſteriums nicht die Funktionen des andern vollziehen dürfen, ohne das Princip der Verantwortlichkeit aufzuheben. Sehr einfach iſt dieſer Satz in dem Verhältniß aller übrigen Miniſterien; ſchwierig er- ſcheint er nur zwiſchen dem Innern und der Juſtizpflege. Die Forderung der „Trennung von Juſtiz und Adminiſtration,“ deren Bedeutung wir bereits früher für den Begriff der verfaſſungsmäßigen Verwaltung dargelegt haben, findet hier auch ſeinen formellen Ausdruck, als Vorausſetzung
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ihr ihre natürliche Stellung als Vertreterin der inneren Verwaltung erhält,
denn dadurch erſt wird die freiere Selbſtthätigkeit des Gemeindeweſens möglich.
Es iſt vom höchſten Intereſſe, von dieſem Standpunkt aus die Geſchichte der
Behördenorganiſation zu verfolgen, die mit dem Anfange dieſes Jahrhunderts
in Süddeutſchland, mit dem Jahre 1808 in Preußen, mit den Jahren 1816
bis 1820 in den übrigen Staaten, und mit dem Jahre 1848 in Oeſterreich in
die gegenwärtige Cpoche tritt. Wir müſſen das genaueren Unterſuchungen
überlaſſen. Wohl aber werden wir auf ein zweites Moment eingehen müſſen,
das weſentlich zum obigen Bilde gehört, und das iſt das Syſtem der Mittel-
behörden.
b) Die Elemente der inneren Organiſation des Behördenſyſtems.
Derſelbe Proceß, der durch die Herſtellung der Einheit in der
ganzen Verwaltung den Behörden der früheren Zeit ihre Selbſtändigkeit
genommen, hat nun auch das Princip aufgeſtellt, welches ihre innere
Organiſation in jeder verfaſſungsmäßigen Verwaltung beſtimmen muß.
Da die Behörde die örtliche Ausführung der vollziehenden Thätigkeit
hat, ſo muß ſie ſo eingerichtet ſein, daß ſie dieſe einzelne Ausführung
in vollſter Harmonie mit der Abſicht der vollziehenden Gewalt voll-
bringt, und dadurch dem Principe der Verantwortlichkeit gleichſam
ſeinen materiellen Boden gibt. Aus dieſer allgemeinen Forderung er-
geben ſich die folgenden Grundſätze.
Zuerſt entſteht daraus die Nothwendigkeit, daß jedes Miniſterium
ſein Behördenſyſtem habe. Dieſer einfache Satz hat eine Reihe
hochwichtiger Folgen, in denen eigentlich der Kern für die Bildung des
Behördenſyſtems beſteht. Es folgt nämlich daraus zuerſt, daß jedes
Miniſterium auch ſeine adminiſtrative Landeseintheilung habe; das
Zuſammentreffen derſelben mit einem andern iſt zwar wünſchenswerth,
aber nicht nothwendig. Namentlich werden dieſe Landeseintheilungen
oft weſentlich differiren für das Miniſterium des Krieges, der Finanzen
und des Innern, während dieß mit dem Juſtizminiſterium ſehr oft die-
ſelbe Eintheilung annimmt. Das wird faſt in allen Geographien gänz-
lich überſehen, und das ſtaatliche Bild, welches ſie geben, iſt dadurch
ſtets ein unvollkommenes. Zweitens folgt, daß die Behörden des
einen Miniſteriums nicht die Funktionen des andern vollziehen dürfen,
ohne das Princip der Verantwortlichkeit aufzuheben. Sehr einfach iſt
dieſer Satz in dem Verhältniß aller übrigen Miniſterien; ſchwierig er-
ſcheint er nur zwiſchen dem Innern und der Juſtizpflege. Die Forderung
der „Trennung von Juſtiz und Adminiſtration,“ deren Bedeutung wir
bereits früher für den Begriff der verfaſſungsmäßigen Verwaltung dargelegt
haben, findet hier auch ſeinen formellen Ausdruck, als Vorausſetzung
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/355>, abgerufen am 25.11.2024.
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