eigenthümliches Amt mit der ihm entsprechenden Competenz bleiben darf, und daß andererseits dennoch in allen diesen Aemtern derselbe Wille thätig sein muß. Das System in diesem Organismus ist daher an sich ein nothwendiges Element des Staats.
Allein das wirkliche, geltende System, die wirkliche Vertheilung der Aemter, sowie ihr Zusammenhang unter einander, scheinen den- noch etwas zu sein, für welches man keine allgemeinen, durchgreifend geltenden Grundsätze aufstellen kann. Denn einerseits geht dasselbe aus der freien Organisationsgewalt des Staatsoberhaupts hervor, anderer- seits wird es auf allen Punkten durch die Zweckmäßigkeit beherrscht, und diese wird in jedem Staate etwas anderes fordern. Das System des amtlichen Organismus erscheint daher überhaupt nicht als ein Gegenstand der Wissenschaft, sondern nur der Statistik, oder aber der Darstellung des einzelnen positiven Staatsrechts. Und so ist es gekommen, daß bisher -- mit der Ausnahme einer kurzen Epoche, die wir unten charakterisiren -- die ganze Frage nach dem amtlichen Organismus überhaupt aus den Lehren des Staats und des Staatsrechts verbannt geblieben ist.
Dennoch wäre es wohl wunderbar, wenn in einem so strenge ge- gliederten organischen Leben, wie dem des Staats, ein so unendlich wichtiges Gebiet, wie das des Staatsorganismus, nicht auf bestimmten und erkennbaren Gesetzen und Gründen beruhen sollte. Denn dasselbe enthält ja doch die Ordnung des Staatslebens und die Vertheilung seiner Kräfte, und damit eine der wesentlichsten Bedingungen seiner gesammten Wirksamkeit. Ist es denkbar, daß hier Willkür und Zufall walten sollte?
In der That nun auch ist das nicht der Fall. Die Aufgabe des Folgenden ist es, auch den Amtsorganismus als Gegenstand wissen- schaftlichen Verständnisses zu erfassen, und ihn damit der allgemeinen Staatslehre als einen keinesweges unwichtigen Theil zu vindiciren. Freilich muß man auch dabei die gegebenen Thatsachen einen Augenblick von dem Standpunkt der Ursachen betrachten, welche sie erzeugt haben.
Der Amtsorganismus hat den Staat zu verwalten; der Staat muß denselben für diesen Zweck erzeugen. Es wird daher im Allge- meinen kein Zweifel sein können, daß der geltende Amtsorganismus im Ganzen -- in der inneren und äußeren Gestaltung, die er uns zeigt -- von der concreten Gestaltung des Staatslebens selbst abhängt.
Nun ist dieses letztere ein ganz anderes unter der Gesellschaftsordnung der Geschlechter, der Stände und der freien Staatsbürger. Und es ist natürlich, daß demgemäß auch das System des geltenden Organismus erstlich für jene drei Grundverhältnisse verschieden, zweitens aber für jedes einzelne derselben in den einzelnen Staaten gleich sein wird. Und
eigenthümliches Amt mit der ihm entſprechenden Competenz bleiben darf, und daß andererſeits dennoch in allen dieſen Aemtern derſelbe Wille thätig ſein muß. Das Syſtem in dieſem Organismus iſt daher an ſich ein nothwendiges Element des Staats.
Allein das wirkliche, geltende Syſtem, die wirkliche Vertheilung der Aemter, ſowie ihr Zuſammenhang unter einander, ſcheinen den- noch etwas zu ſein, für welches man keine allgemeinen, durchgreifend geltenden Grundſätze aufſtellen kann. Denn einerſeits geht daſſelbe aus der freien Organiſationsgewalt des Staatsoberhaupts hervor, anderer- ſeits wird es auf allen Punkten durch die Zweckmäßigkeit beherrſcht, und dieſe wird in jedem Staate etwas anderes fordern. Das Syſtem des amtlichen Organismus erſcheint daher überhaupt nicht als ein Gegenſtand der Wiſſenſchaft, ſondern nur der Statiſtik, oder aber der Darſtellung des einzelnen poſitiven Staatsrechts. Und ſo iſt es gekommen, daß bisher — mit der Ausnahme einer kurzen Epoche, die wir unten charakteriſiren — die ganze Frage nach dem amtlichen Organismus überhaupt aus den Lehren des Staats und des Staatsrechts verbannt geblieben iſt.
Dennoch wäre es wohl wunderbar, wenn in einem ſo ſtrenge ge- gliederten organiſchen Leben, wie dem des Staats, ein ſo unendlich wichtiges Gebiet, wie das des Staatsorganismus, nicht auf beſtimmten und erkennbaren Geſetzen und Gründen beruhen ſollte. Denn daſſelbe enthält ja doch die Ordnung des Staatslebens und die Vertheilung ſeiner Kräfte, und damit eine der weſentlichſten Bedingungen ſeiner geſammten Wirkſamkeit. Iſt es denkbar, daß hier Willkür und Zufall walten ſollte?
In der That nun auch iſt das nicht der Fall. Die Aufgabe des Folgenden iſt es, auch den Amtsorganismus als Gegenſtand wiſſen- ſchaftlichen Verſtändniſſes zu erfaſſen, und ihn damit der allgemeinen Staatslehre als einen keinesweges unwichtigen Theil zu vindiciren. Freilich muß man auch dabei die gegebenen Thatſachen einen Augenblick von dem Standpunkt der Urſachen betrachten, welche ſie erzeugt haben.
Der Amtsorganismus hat den Staat zu verwalten; der Staat muß denſelben für dieſen Zweck erzeugen. Es wird daher im Allge- meinen kein Zweifel ſein können, daß der geltende Amtsorganismus im Ganzen — in der inneren und äußeren Geſtaltung, die er uns zeigt — von der concreten Geſtaltung des Staatslebens ſelbſt abhängt.
Nun iſt dieſes letztere ein ganz anderes unter der Geſellſchaftsordnung der Geſchlechter, der Stände und der freien Staatsbürger. Und es iſt natürlich, daß demgemäß auch das Syſtem des geltenden Organismus erſtlich für jene drei Grundverhältniſſe verſchieden, zweitens aber für jedes einzelne derſelben in den einzelnen Staaten gleich ſein wird. Und
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eigenthümliches Amt mit der ihm entſprechenden Competenz bleiben darf,
und daß andererſeits dennoch in allen dieſen Aemtern derſelbe Wille
thätig ſein muß. Das Syſtem in dieſem Organismus iſt daher an ſich
ein nothwendiges Element des Staats.
Allein das wirkliche, geltende Syſtem, die wirkliche Vertheilung
der Aemter, ſowie ihr Zuſammenhang unter einander, ſcheinen den-
noch etwas zu ſein, für welches man keine allgemeinen, durchgreifend
geltenden Grundſätze aufſtellen kann. Denn einerſeits geht daſſelbe aus
der freien Organiſationsgewalt des Staatsoberhaupts hervor, anderer-
ſeits wird es auf allen Punkten durch die Zweckmäßigkeit beherrſcht,
und dieſe wird in jedem Staate etwas anderes fordern. Das Syſtem
des amtlichen Organismus erſcheint daher überhaupt nicht als ein
Gegenſtand der Wiſſenſchaft, ſondern nur der Statiſtik, oder aber der
Darſtellung des einzelnen poſitiven Staatsrechts. Und ſo iſt es gekommen,
daß bisher — mit der Ausnahme einer kurzen Epoche, die wir unten
charakteriſiren — die ganze Frage nach dem amtlichen Organismus
überhaupt aus den Lehren des Staats und des Staatsrechts verbannt
geblieben iſt.
Dennoch wäre es wohl wunderbar, wenn in einem ſo ſtrenge ge-
gliederten organiſchen Leben, wie dem des Staats, ein ſo unendlich
wichtiges Gebiet, wie das des Staatsorganismus, nicht auf beſtimmten
und erkennbaren Geſetzen und Gründen beruhen ſollte. Denn daſſelbe
enthält ja doch die Ordnung des Staatslebens und die Vertheilung ſeiner
Kräfte, und damit eine der weſentlichſten Bedingungen ſeiner geſammten
Wirkſamkeit. Iſt es denkbar, daß hier Willkür und Zufall walten ſollte?
In der That nun auch iſt das nicht der Fall. Die Aufgabe des
Folgenden iſt es, auch den Amtsorganismus als Gegenſtand wiſſen-
ſchaftlichen Verſtändniſſes zu erfaſſen, und ihn damit der allgemeinen
Staatslehre als einen keinesweges unwichtigen Theil zu vindiciren.
Freilich muß man auch dabei die gegebenen Thatſachen einen Augenblick
von dem Standpunkt der Urſachen betrachten, welche ſie erzeugt haben.
Der Amtsorganismus hat den Staat zu verwalten; der Staat
muß denſelben für dieſen Zweck erzeugen. Es wird daher im Allge-
meinen kein Zweifel ſein können, daß der geltende Amtsorganismus im
Ganzen — in der inneren und äußeren Geſtaltung, die er uns zeigt
— von der concreten Geſtaltung des Staatslebens ſelbſt abhängt.
Nun iſt dieſes letztere ein ganz anderes unter der Geſellſchaftsordnung
der Geſchlechter, der Stände und der freien Staatsbürger. Und es
iſt natürlich, daß demgemäß auch das Syſtem des geltenden Organismus
erſtlich für jene drei Grundverhältniſſe verſchieden, zweitens aber für
jedes einzelne derſelben in den einzelnen Staaten gleich ſein wird. Und
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/323>, abgerufen am 25.11.2024.
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