selbständigen Lebensform der Persönlichkeit ist. Andere gibt es nicht; alle Organe der Verwaltung und alle Thätigkeiten derselben lassen sich nur auf diese Grundformen zurückführen. Eben deßhalb aber hat jede dieser Grundformen auch ihr eigenes Recht und ihre eigene Geschichte. Denn der Kern, aus welchem heraus sie sich entwickeln, ist eben ein selbständiger. Er hat sein eigenes Leben und wirkt für sich selber und durch sich selber. Und die nächste Aufgabe des Folgen- den ist es nun allerdings, jeden dieser selbständigen Organismen mit seinen Eigenthümlichkeiten und den Elementen seiner Entwicklung darzu- stellen. Das ist ein ebenso reiches als wichtiges Gebiet; des Stoffes ist, wie der Vorarbeiten, dafür genug vorhanden; aber mit dieser Auf- gabe ist ein wesentlicher Punkt -- im Grunde der entscheidende -- nicht gelöst.
Trotz ihrer Selbständigkeit und Besonderheit sind sie dennoch immer nur Organe Einer und derselben Gewalt, und Glieder des Staats. Sie bilden eben zusammen erst die Verwaltung im weitesten Sinne. Sie sind nothwendig, denn sie beruhen auf dauernden Grundlagen, und jeder Staat und jede Zeit hat daher sowohl Organe des Staats als der Regierungsgewalt, sowohl Körperschaften als Vereine. Nichts wäre, auch historisch, verkehrter, als zu glauben, daß etwa nur in unserer Zeit alle diese Organismen vorhanden sind; sie sind eben abso- lute Organe des Staats und seiner Verwaltung. Nur sind sie in den verschiedenen Zeiten einerseits in sehr verschiedenem Grade entwickelt, und auch in einem sehr verschiedenen Verhältniß zu einander gewesen. Es ist kein Zweifel, daß das organische Gesetz, welches sie in einander greifen und in harmonischer Einheit für die allgemeine Idee des Staats wirken läßt, erst langsam zur vollen Geltung gediehen ist. Es genügt daher nicht jene Organe einseitig für sich darzustellen. Wir bedürfen daneben der klaren Einsicht in das System derselben, und in das Princip, welches dieß System und seine Entwicklung beherrscht, und wenigstens einer Anleitung über die Geschichte der Bildung ihres gemeinsamen und gegenseitigen Verhaltens.
Die obige Auffassung, welche den Organismus der vollziehenden Gewalt in Amtswesen, Selbstverwaltung und Vereinswesen setzt, darf fordern, daß man, ehe man über sie urtheilt, wenigstens den gegenwärtigen Zustand des hierher gehörigen Theiles des Staatsrechts ins Auge fasse, und sich die Frage beantworte, ob es möglich sei, auf der Grundlage desselben auch nur entfernt sich ein Bild vom wirklichen organischen Zustande des Staats im Ganzen zu machen, wobei der Werth der Bearbeitung jedes einzelnen Theiles nicht in Abrede gestellt werden soll, obwohl natürlich bei dem Mangel alles Verständnisses der organischen Einheit auch das Bild jedes Gliedes derselben ernstlichst leiden muß.
ſelbſtändigen Lebensform der Perſönlichkeit iſt. Andere gibt es nicht; alle Organe der Verwaltung und alle Thätigkeiten derſelben laſſen ſich nur auf dieſe Grundformen zurückführen. Eben deßhalb aber hat jede dieſer Grundformen auch ihr eigenes Recht und ihre eigene Geſchichte. Denn der Kern, aus welchem heraus ſie ſich entwickeln, iſt eben ein ſelbſtändiger. Er hat ſein eigenes Leben und wirkt für ſich ſelber und durch ſich ſelber. Und die nächſte Aufgabe des Folgen- den iſt es nun allerdings, jeden dieſer ſelbſtändigen Organismen mit ſeinen Eigenthümlichkeiten und den Elementen ſeiner Entwicklung darzu- ſtellen. Das iſt ein ebenſo reiches als wichtiges Gebiet; des Stoffes iſt, wie der Vorarbeiten, dafür genug vorhanden; aber mit dieſer Auf- gabe iſt ein weſentlicher Punkt — im Grunde der entſcheidende — nicht gelöst.
Trotz ihrer Selbſtändigkeit und Beſonderheit ſind ſie dennoch immer nur Organe Einer und derſelben Gewalt, und Glieder des Staats. Sie bilden eben zuſammen erſt die Verwaltung im weiteſten Sinne. Sie ſind nothwendig, denn ſie beruhen auf dauernden Grundlagen, und jeder Staat und jede Zeit hat daher ſowohl Organe des Staats als der Regierungsgewalt, ſowohl Körperſchaften als Vereine. Nichts wäre, auch hiſtoriſch, verkehrter, als zu glauben, daß etwa nur in unſerer Zeit alle dieſe Organismen vorhanden ſind; ſie ſind eben abſo- lute Organe des Staats und ſeiner Verwaltung. Nur ſind ſie in den verſchiedenen Zeiten einerſeits in ſehr verſchiedenem Grade entwickelt, und auch in einem ſehr verſchiedenen Verhältniß zu einander geweſen. Es iſt kein Zweifel, daß das organiſche Geſetz, welches ſie in einander greifen und in harmoniſcher Einheit für die allgemeine Idee des Staats wirken läßt, erſt langſam zur vollen Geltung gediehen iſt. Es genügt daher nicht jene Organe einſeitig für ſich darzuſtellen. Wir bedürfen daneben der klaren Einſicht in das Syſtem derſelben, und in das Princip, welches dieß Syſtem und ſeine Entwicklung beherrſcht, und wenigſtens einer Anleitung über die Geſchichte der Bildung ihres gemeinſamen und gegenſeitigen Verhaltens.
Die obige Auffaſſung, welche den Organismus der vollziehenden Gewalt in Amtsweſen, Selbſtverwaltung und Vereinsweſen ſetzt, darf fordern, daß man, ehe man über ſie urtheilt, wenigſtens den gegenwärtigen Zuſtand des hierher gehörigen Theiles des Staatsrechts ins Auge faſſe, und ſich die Frage beantworte, ob es möglich ſei, auf der Grundlage deſſelben auch nur entfernt ſich ein Bild vom wirklichen organiſchen Zuſtande des Staats im Ganzen zu machen, wobei der Werth der Bearbeitung jedes einzelnen Theiles nicht in Abrede geſtellt werden ſoll, obwohl natürlich bei dem Mangel alles Verſtändniſſes der organiſchen Einheit auch das Bild jedes Gliedes derſelben ernſtlichſt leiden muß.
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ſelbſtändigen Lebensform der Perſönlichkeit iſt. Andere gibt es nicht;
alle Organe der Verwaltung und alle Thätigkeiten derſelben laſſen
ſich nur auf dieſe Grundformen zurückführen. Eben deßhalb aber hat
jede dieſer Grundformen auch ihr eigenes Recht und ihre eigene
Geſchichte. Denn der Kern, aus welchem heraus ſie ſich entwickeln, iſt
eben ein ſelbſtändiger. Er hat ſein eigenes Leben und wirkt für ſich
ſelber und durch ſich ſelber. Und die nächſte Aufgabe des Folgen-
den iſt es nun allerdings, jeden dieſer ſelbſtändigen Organismen mit
ſeinen Eigenthümlichkeiten und den Elementen ſeiner Entwicklung darzu-
ſtellen. Das iſt ein ebenſo reiches als wichtiges Gebiet; des Stoffes
iſt, wie der Vorarbeiten, dafür genug vorhanden; aber mit dieſer Auf-
gabe iſt ein weſentlicher Punkt — im Grunde der entſcheidende —
nicht gelöst.
Trotz ihrer Selbſtändigkeit und Beſonderheit ſind ſie dennoch immer
nur Organe Einer und derſelben Gewalt, und Glieder des Staats.
Sie bilden eben zuſammen erſt die Verwaltung im weiteſten Sinne.
Sie ſind nothwendig, denn ſie beruhen auf dauernden Grundlagen,
und jeder Staat und jede Zeit hat daher ſowohl Organe des Staats
als der Regierungsgewalt, ſowohl Körperſchaften als Vereine. Nichts
wäre, auch hiſtoriſch, verkehrter, als zu glauben, daß etwa nur in
unſerer Zeit alle dieſe Organismen vorhanden ſind; ſie ſind eben abſo-
lute Organe des Staats und ſeiner Verwaltung. Nur ſind ſie in
den verſchiedenen Zeiten einerſeits in ſehr verſchiedenem Grade entwickelt,
und auch in einem ſehr verſchiedenen Verhältniß zu einander geweſen.
Es iſt kein Zweifel, daß das organiſche Geſetz, welches ſie in einander
greifen und in harmoniſcher Einheit für die allgemeine Idee des Staats
wirken läßt, erſt langſam zur vollen Geltung gediehen iſt. Es genügt
daher nicht jene Organe einſeitig für ſich darzuſtellen. Wir bedürfen
daneben der klaren Einſicht in das Syſtem derſelben, und in das Princip,
welches dieß Syſtem und ſeine Entwicklung beherrſcht, und wenigſtens
einer Anleitung über die Geſchichte der Bildung ihres gemeinſamen und
gegenſeitigen Verhaltens.
Die obige Auffaſſung, welche den Organismus der vollziehenden Gewalt
in Amtsweſen, Selbſtverwaltung und Vereinsweſen ſetzt, darf fordern, daß
man, ehe man über ſie urtheilt, wenigſtens den gegenwärtigen Zuſtand des
hierher gehörigen Theiles des Staatsrechts ins Auge faſſe, und ſich die Frage
beantworte, ob es möglich ſei, auf der Grundlage deſſelben auch nur entfernt
ſich ein Bild vom wirklichen organiſchen Zuſtande des Staats im Ganzen
zu machen, wobei der Werth der Bearbeitung jedes einzelnen Theiles nicht in
Abrede geſtellt werden ſoll, obwohl natürlich bei dem Mangel alles Verſtändniſſes
der organiſchen Einheit auch das Bild jedes Gliedes derſelben ernſtlichſt leiden muß.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/253>, abgerufen am 21.11.2024.
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