dem Einzelnen als von den Behörden selbst angeregt werden. Da sich nun der alte Grundsatz erhielt, daß die Verwaltungsakte "unter keiner Bedingung" der gerichtlichen Entscheidung zu unterziehen seien, so hielten es die Verwaltungsbehörden für ihre Pflicht, gegen jeden Akt der Gerichte, der irgendwie Verwaltungsthätigkeiten beurtheilen wollte, sich zu opponiren. Andererseits bestanden die Gerichte darauf, über das- jenige zu entscheiden, was ein gesetzliches Recht enthielt und nicht aus- drücklich ihrer Entscheidung als Gegenstand des contentieux entzogen war. Da man nun vergeblich versuchte, diese Gränze äußerlich fest- zustellen, so ward der Streit zwischen Gericht und Verwaltung über ihre Competenz in jedem einzelnen Falle möglich, wo diese Gränze zwischen contentieux und droit civil et criminel fraglich ward, oder in welchem es sich um das Verhältniß des Verwaltungsaktes zum positiven Gesetze handelte, so weit das contentieux nicht unbestritten die Sache der Verwaltung übergab. Und die Gesammtheit dieser Fälle bildet den conflit.
So einfach nun dieser Begriff an sich ist, so unmöglich ist es, seine Gränze zu bestimmen; denn die Voraussetzung wäre, daß man entweder jeden Fall, in welchem ein Widerspruch eines Verwaltungs- akts mit einem Gesetze behauptet wird, den Gerichten zur Annahme oder zur Abweisung überließe, und das verstattet der historische Grund- satz des französischen Verwaltungsrechts wie gesagt nicht; oder daß man die Gränzen des contentieux, der Administrativsachen, hinreichend bestimmte, und das verbietet die Natur derselben. Es ist daher von jeher unmöglich gewesen, die Fälle des conflit zu bestimmen, und die französische jurisprudence du conflit liefert daher durch eine mehr als sechzigjährige, fruchtlose Arbeit den Beweis, daß jeder Versuch, die Gränze zwischen Competenzstreit und Competenzconflikt auf die Unterscheidung zwischen Administrativ- und Justiz- sachen zurückzuführen, eine hoffnungslose ist. Daher sehen wir denn auch in Frankreich sofort mit Beginn dieses Jahrhunderts das Bestreben eintreten, statt der Unterscheidung des conflit vom con- tentieux vielmehr das Organ zu constituiren, welches in jedem einzelnen Falle über die Competenz von Gericht und Verwaltung zu entscheiden hat. Bei diesem Streben, verbunden mit einer höchst scharf- sinnigen Theorie, der wir in Deutschland auch nichts entfernt Aehnliches zur Seite zu stellen haben, sind zwei gleichsam herrschende Gesichts- punkte hervorgetreten. Erstlich haben sich unter jenen Fällen, in denen die Competenz von Gericht und Verwaltung zweifelhaft ist, gewisse Fälle anerkannter Weise ausgeschieden, in denen die Competenz des Gerichts entschieden zugestanden wird; dahin gehören namentlich die
Stein, die Verwaltungslehre. I. 12
dem Einzelnen als von den Behörden ſelbſt angeregt werden. Da ſich nun der alte Grundſatz erhielt, daß die Verwaltungsakte „unter keiner Bedingung“ der gerichtlichen Entſcheidung zu unterziehen ſeien, ſo hielten es die Verwaltungsbehörden für ihre Pflicht, gegen jeden Akt der Gerichte, der irgendwie Verwaltungsthätigkeiten beurtheilen wollte, ſich zu opponiren. Andererſeits beſtanden die Gerichte darauf, über das- jenige zu entſcheiden, was ein geſetzliches Recht enthielt und nicht aus- drücklich ihrer Entſcheidung als Gegenſtand des contentieux entzogen war. Da man nun vergeblich verſuchte, dieſe Gränze äußerlich feſt- zuſtellen, ſo ward der Streit zwiſchen Gericht und Verwaltung über ihre Competenz in jedem einzelnen Falle möglich, wo dieſe Gränze zwiſchen contentieux und droit civil et criminel fraglich ward, oder in welchem es ſich um das Verhältniß des Verwaltungsaktes zum poſitiven Geſetze handelte, ſo weit das contentieux nicht unbeſtritten die Sache der Verwaltung übergab. Und die Geſammtheit dieſer Fälle bildet den conflit.
So einfach nun dieſer Begriff an ſich iſt, ſo unmöglich iſt es, ſeine Gränze zu beſtimmen; denn die Vorausſetzung wäre, daß man entweder jeden Fall, in welchem ein Widerſpruch eines Verwaltungs- akts mit einem Geſetze behauptet wird, den Gerichten zur Annahme oder zur Abweiſung überließe, und das verſtattet der hiſtoriſche Grund- ſatz des franzöſiſchen Verwaltungsrechts wie geſagt nicht; oder daß man die Gränzen des contentieux, der Adminiſtrativſachen, hinreichend beſtimmte, und das verbietet die Natur derſelben. Es iſt daher von jeher unmöglich geweſen, die Fälle des conflit zu beſtimmen, und die franzöſiſche jurisprudence du conflit liefert daher durch eine mehr als ſechzigjährige, fruchtloſe Arbeit den Beweis, daß jeder Verſuch, die Gränze zwiſchen Competenzſtreit und Competenzconflikt auf die Unterſcheidung zwiſchen Adminiſtrativ- und Juſtiz- ſachen zurückzuführen, eine hoffnungsloſe iſt. Daher ſehen wir denn auch in Frankreich ſofort mit Beginn dieſes Jahrhunderts das Beſtreben eintreten, ſtatt der Unterſcheidung des conflit vom con- tentieux vielmehr das Organ zu conſtituiren, welches in jedem einzelnen Falle über die Competenz von Gericht und Verwaltung zu entſcheiden hat. Bei dieſem Streben, verbunden mit einer höchſt ſcharf- ſinnigen Theorie, der wir in Deutſchland auch nichts entfernt Aehnliches zur Seite zu ſtellen haben, ſind zwei gleichſam herrſchende Geſichts- punkte hervorgetreten. Erſtlich haben ſich unter jenen Fällen, in denen die Competenz von Gericht und Verwaltung zweifelhaft iſt, gewiſſe Fälle anerkannter Weiſe ausgeſchieden, in denen die Competenz des Gerichts entſchieden zugeſtanden wird; dahin gehören namentlich die
Stein, die Verwaltungslehre. I. 12
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dem Einzelnen als von den Behörden ſelbſt angeregt werden. Da ſich
nun der alte Grundſatz erhielt, daß die Verwaltungsakte „unter keiner
Bedingung“ der gerichtlichen Entſcheidung zu unterziehen ſeien, ſo hielten
es die Verwaltungsbehörden für ihre Pflicht, gegen jeden Akt der
Gerichte, der irgendwie Verwaltungsthätigkeiten beurtheilen wollte, ſich
zu opponiren. Andererſeits beſtanden die Gerichte darauf, über das-
jenige zu entſcheiden, was ein geſetzliches Recht enthielt und nicht aus-
drücklich ihrer Entſcheidung als Gegenſtand des contentieux entzogen
war. Da man nun vergeblich verſuchte, dieſe Gränze äußerlich feſt-
zuſtellen, ſo ward der Streit zwiſchen Gericht und Verwaltung über
ihre Competenz in jedem einzelnen Falle möglich, wo dieſe Gränze
zwiſchen contentieux und droit civil et criminel fraglich ward, oder
in welchem es ſich um das Verhältniß des Verwaltungsaktes
zum poſitiven Geſetze handelte, ſo weit das contentieux nicht
unbeſtritten die Sache der Verwaltung übergab. Und die Geſammtheit
dieſer Fälle bildet den conflit.
So einfach nun dieſer Begriff an ſich iſt, ſo unmöglich iſt es,
ſeine Gränze zu beſtimmen; denn die Vorausſetzung wäre, daß man
entweder jeden Fall, in welchem ein Widerſpruch eines Verwaltungs-
akts mit einem Geſetze behauptet wird, den Gerichten zur Annahme
oder zur Abweiſung überließe, und das verſtattet der hiſtoriſche Grund-
ſatz des franzöſiſchen Verwaltungsrechts wie geſagt nicht; oder daß
man die Gränzen des contentieux, der Adminiſtrativſachen, hinreichend
beſtimmte, und das verbietet die Natur derſelben. Es iſt daher von
jeher unmöglich geweſen, die Fälle des conflit zu beſtimmen, und die
franzöſiſche jurisprudence du conflit liefert daher durch eine mehr als
ſechzigjährige, fruchtloſe Arbeit den Beweis, daß jeder Verſuch, die
Gränze zwiſchen Competenzſtreit und Competenzconflikt
auf die Unterſcheidung zwiſchen Adminiſtrativ- und Juſtiz-
ſachen zurückzuführen, eine hoffnungsloſe iſt. Daher ſehen wir
denn auch in Frankreich ſofort mit Beginn dieſes Jahrhunderts das
Beſtreben eintreten, ſtatt der Unterſcheidung des conflit vom con-
tentieux vielmehr das Organ zu conſtituiren, welches in jedem
einzelnen Falle über die Competenz von Gericht und Verwaltung zu
entſcheiden hat. Bei dieſem Streben, verbunden mit einer höchſt ſcharf-
ſinnigen Theorie, der wir in Deutſchland auch nichts entfernt Aehnliches
zur Seite zu ſtellen haben, ſind zwei gleichſam herrſchende Geſichts-
punkte hervorgetreten. Erſtlich haben ſich unter jenen Fällen, in denen
die Competenz von Gericht und Verwaltung zweifelhaft iſt, gewiſſe
Fälle anerkannter Weiſe ausgeſchieden, in denen die Competenz des
Gerichts entſchieden zugeſtanden wird; dahin gehören namentlich die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/201>, abgerufen am 25.11.2024.
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