bleiben. Sind diese bestimmt, so folgt von selbst, daß alle übrigen Akte der Vollziehung allerdings nur im Namen des Staatsoberhaupts und mithin unter seiner Zustimmung, oder doch nur unter Zuziehung der Organe der Regierung geschehen können.
Die Bestimmung jener Akte nun, welche auf diese Weise der un- mittelbaren allerhöchsten Entscheidung überlassen sind, und auf welche daher weder der Begriff des Gesetzes, noch der der Verordnung An- wendung finden, sondern welche man dann als allerhöchste Entschlie- ßungen, Befehle, Erlässe bezeichnen kann, ist formell so lange von großer Wichtigkeit, als noch ein nicht ausgetragener Gegensatz zwischen dem Begriff der fürstlichen Souveränetät und dem Rechte der Volks- vertretung existirt. Denn da auf sie die Verantwortlichkeit keine An- wendung findet, während sie mit der vollen Kraft des Gesetzes Gehor- sam fordern, so ist hier allerdings ein Keim des innern Gegensatzes zwischen Fürst und Volk vorhanden. Ist dagegen das innere harmo- nische Verhältniß ein gesichertes, so wird auch jene formelle Bestimmung ziemlich überflüssig, da eine Anwendung jener souveränen Vollziehungs- gewalt im Gegensatze zum gesetzlichen Zustande von selbst verschwindet. Daher sehen wir denn auch hier eine nicht unwesentliche Verschiedenheit der positiven Verfassungen, von denen einige jene Gränze bestimmen, einige sie einfach übergehen. Das tiefere Verständniß des Staatslebens hat dagegen die Ueberzeugung festgestellt, "daß es nicht bloß thöricht und kurzsichtig, sondern geradezu unrechtlich ist, wenn einer gesetzlichen Aufzählung der Rechte des Staatsoberhaupts insbesondere ausdrücklich die Bestimmung beigefügt ist, daß ihm weitere Befugnisse nicht zustehen" (Mohl, Encyclopädie der Staatswissenschaft, S. 216), so daß "Nothwen- diges aus formellen Gründen unterbleiben müßte." Allerdings folgt aber daraus, daß jede formelle Aufzählung auch der, im vollziehen- den Rechte des Staatsoberhaupts liegenden souveränen Akte im Grunde falsch ist. Die Untersuchung des Inhalts dieses Rechts soll daher auch nicht das Ziel haben, eine solche verfassungsmäßige Beschränkung zu begründen, sondern nur das Recht auf dieselben auf das Wesen der königlichen Gewalt zurückzuführen. Diese aber, als die höchste persönliche Form des Staatslebens, fordert als Gebiet ihres von Volksvertretung und Regierungsorganen vollkommen unabhängigen freien Willens fol- gende Kategorien: den Oberbefehl über alles, was das Heerwesen be- trifft, als das Organ der selbständigen Kraft des Staats; die Gna- denverleihungen und Begnadigungen, als freie Bethätigung der Individualität des Staats; die Anstellungen und Berufungen, welche die persönliche Seite des Organismus enthalten, und endlich die Kategorie, welche niemals fehlen kann, und welche, indem man trotz-
bleiben. Sind dieſe beſtimmt, ſo folgt von ſelbſt, daß alle übrigen Akte der Vollziehung allerdings nur im Namen des Staatsoberhaupts und mithin unter ſeiner Zuſtimmung, oder doch nur unter Zuziehung der Organe der Regierung geſchehen können.
Die Beſtimmung jener Akte nun, welche auf dieſe Weiſe der un- mittelbaren allerhöchſten Entſcheidung überlaſſen ſind, und auf welche daher weder der Begriff des Geſetzes, noch der der Verordnung An- wendung finden, ſondern welche man dann als allerhöchſte Entſchlie- ßungen, Befehle, Erläſſe bezeichnen kann, iſt formell ſo lange von großer Wichtigkeit, als noch ein nicht ausgetragener Gegenſatz zwiſchen dem Begriff der fürſtlichen Souveränetät und dem Rechte der Volks- vertretung exiſtirt. Denn da auf ſie die Verantwortlichkeit keine An- wendung findet, während ſie mit der vollen Kraft des Geſetzes Gehor- ſam fordern, ſo iſt hier allerdings ein Keim des innern Gegenſatzes zwiſchen Fürſt und Volk vorhanden. Iſt dagegen das innere harmo- niſche Verhältniß ein geſichertes, ſo wird auch jene formelle Beſtimmung ziemlich überflüſſig, da eine Anwendung jener ſouveränen Vollziehungs- gewalt im Gegenſatze zum geſetzlichen Zuſtande von ſelbſt verſchwindet. Daher ſehen wir denn auch hier eine nicht unweſentliche Verſchiedenheit der poſitiven Verfaſſungen, von denen einige jene Gränze beſtimmen, einige ſie einfach übergehen. Das tiefere Verſtändniß des Staatslebens hat dagegen die Ueberzeugung feſtgeſtellt, „daß es nicht bloß thöricht und kurzſichtig, ſondern geradezu unrechtlich iſt, wenn einer geſetzlichen Aufzählung der Rechte des Staatsoberhaupts insbeſondere ausdrücklich die Beſtimmung beigefügt iſt, daß ihm weitere Befugniſſe nicht zuſtehen“ (Mohl, Encyclopädie der Staatswiſſenſchaft, S. 216), ſo daß „Nothwen- diges aus formellen Gründen unterbleiben müßte.“ Allerdings folgt aber daraus, daß jede formelle Aufzählung auch der, im vollziehen- den Rechte des Staatsoberhaupts liegenden ſouveränen Akte im Grunde falſch iſt. Die Unterſuchung des Inhalts dieſes Rechts ſoll daher auch nicht das Ziel haben, eine ſolche verfaſſungsmäßige Beſchränkung zu begründen, ſondern nur das Recht auf dieſelben auf das Weſen der königlichen Gewalt zurückzuführen. Dieſe aber, als die höchſte perſönliche Form des Staatslebens, fordert als Gebiet ihres von Volksvertretung und Regierungsorganen vollkommen unabhängigen freien Willens fol- gende Kategorien: den Oberbefehl über alles, was das Heerweſen be- trifft, als das Organ der ſelbſtändigen Kraft des Staats; die Gna- denverleihungen und Begnadigungen, als freie Bethätigung der Individualität des Staats; die Anſtellungen und Berufungen, welche die perſönliche Seite des Organismus enthalten, und endlich die Kategorie, welche niemals fehlen kann, und welche, indem man trotz-
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bleiben. Sind dieſe beſtimmt, ſo folgt von ſelbſt, daß alle übrigen
Akte der Vollziehung allerdings nur im Namen des Staatsoberhaupts
und mithin unter ſeiner Zuſtimmung, oder doch nur unter Zuziehung
der Organe der Regierung geſchehen können.
Die Beſtimmung jener Akte nun, welche auf dieſe Weiſe der un-
mittelbaren allerhöchſten Entſcheidung überlaſſen ſind, und auf welche
daher weder der Begriff des Geſetzes, noch der der Verordnung An-
wendung finden, ſondern welche man dann als allerhöchſte Entſchlie-
ßungen, Befehle, Erläſſe bezeichnen kann, iſt formell ſo lange von
großer Wichtigkeit, als noch ein nicht ausgetragener Gegenſatz zwiſchen
dem Begriff der fürſtlichen Souveränetät und dem Rechte der Volks-
vertretung exiſtirt. Denn da auf ſie die Verantwortlichkeit keine An-
wendung findet, während ſie mit der vollen Kraft des Geſetzes Gehor-
ſam fordern, ſo iſt hier allerdings ein Keim des innern Gegenſatzes
zwiſchen Fürſt und Volk vorhanden. Iſt dagegen das innere harmo-
niſche Verhältniß ein geſichertes, ſo wird auch jene formelle Beſtimmung
ziemlich überflüſſig, da eine Anwendung jener ſouveränen Vollziehungs-
gewalt im Gegenſatze zum geſetzlichen Zuſtande von ſelbſt verſchwindet.
Daher ſehen wir denn auch hier eine nicht unweſentliche Verſchiedenheit
der poſitiven Verfaſſungen, von denen einige jene Gränze beſtimmen,
einige ſie einfach übergehen. Das tiefere Verſtändniß des Staatslebens
hat dagegen die Ueberzeugung feſtgeſtellt, „daß es nicht bloß thöricht
und kurzſichtig, ſondern geradezu unrechtlich iſt, wenn einer geſetzlichen
Aufzählung der Rechte des Staatsoberhaupts insbeſondere ausdrücklich
die Beſtimmung beigefügt iſt, daß ihm weitere Befugniſſe nicht zuſtehen“
(Mohl, Encyclopädie der Staatswiſſenſchaft, S. 216), ſo daß „Nothwen-
diges aus formellen Gründen unterbleiben müßte.“ Allerdings folgt
aber daraus, daß jede formelle Aufzählung auch der, im vollziehen-
den Rechte des Staatsoberhaupts liegenden ſouveränen Akte im Grunde
falſch iſt. Die Unterſuchung des Inhalts dieſes Rechts ſoll daher auch
nicht das Ziel haben, eine ſolche verfaſſungsmäßige Beſchränkung zu
begründen, ſondern nur das Recht auf dieſelben auf das Weſen der
königlichen Gewalt zurückzuführen. Dieſe aber, als die höchſte perſönliche
Form des Staatslebens, fordert als Gebiet ihres von Volksvertretung
und Regierungsorganen vollkommen unabhängigen freien Willens fol-
gende Kategorien: den Oberbefehl über alles, was das Heerweſen be-
trifft, als das Organ der ſelbſtändigen Kraft des Staats; die Gna-
denverleihungen und Begnadigungen, als freie Bethätigung
der Individualität des Staats; die Anſtellungen und Berufungen,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/112>, abgerufen am 25.11.2024.
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