Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorwort.

Ich übergebe mit dem vorliegenden Werke dem Publikum einen
wenigstens formalen Abschluß des Versuches, die Verwaltungslehre
zu einer systematischen Wissenschaft zu erheben. Der nächste Grund,
der mich dazu bewog, war das Bedürfniß, den Vorlesungen über
Verwaltungslehre eine ausreichende Basis zu geben. Das größere
Werk, welches ich vor zehn Jahren begonnen habe, ist so um-
fangreich, daß es für das allgemeine Studium der Verwaltungs-
lehre sich kaum eignet. Ich habe außerdem schon früher erklären
müssen, daß es kaum in Eines Menschen Kraft liegt, es in dem-
selben Umfange zu vollenden, in welchem es begonnen wurde. Ich
habe dennoch nie geglaubt, daß es, auch in diesem Umfange,
wirklich ausreiche. Ich habe nur den Beweis zu liefern gesucht,
daß die positiven und praktischen Fragen der Verwaltung einer
höheren wissenschaftlichen Behandlung fähig und werth sind, und
ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich diese Ueberzeugung auch
für andere gewonnen hätte. Jetzt kam es darauf an, in dem-
selben Geiste die Umrisse des Ganzen festzustellen. Es war die
Aufgabe des vorliegenden Werkes, diesen Versuch zu machen. Ich
übergebe ihn, obwohl ich seine Mängel und Unfertigkeiten sehr
wohl erkenne, der Oeffentlichkeit. Ich wage das aber, weil ich
einen andern, weiter gehenden Gedanken schon hier vertreten zu
müssen glaube. Und so vieler und tiefer Widerspruch mir dabei
auch entgegen treten wird, ich stehe keinen Augenblick an, ihn
auszusprechen.

Unsere ganze juristische Bildung an den deutschen Hochschulen
ist ohne allen Zweifel durchaus hinter unsrer großen Gegenwart
zurück. Es gibt, so weit das geistige Auge reicht, keinen einzigen

Vorwort.

Ich übergebe mit dem vorliegenden Werke dem Publikum einen
wenigſtens formalen Abſchluß des Verſuches, die Verwaltungslehre
zu einer ſyſtematiſchen Wiſſenſchaft zu erheben. Der nächſte Grund,
der mich dazu bewog, war das Bedürfniß, den Vorleſungen über
Verwaltungslehre eine ausreichende Baſis zu geben. Das größere
Werk, welches ich vor zehn Jahren begonnen habe, iſt ſo um-
fangreich, daß es für das allgemeine Studium der Verwaltungs-
lehre ſich kaum eignet. Ich habe außerdem ſchon früher erklären
müſſen, daß es kaum in Eines Menſchen Kraft liegt, es in dem-
ſelben Umfange zu vollenden, in welchem es begonnen wurde. Ich
habe dennoch nie geglaubt, daß es, auch in dieſem Umfange,
wirklich ausreiche. Ich habe nur den Beweis zu liefern geſucht,
daß die poſitiven und praktiſchen Fragen der Verwaltung einer
höheren wiſſenſchaftlichen Behandlung fähig und werth ſind, und
ich würde mich glücklich ſchätzen, wenn ich dieſe Ueberzeugung auch
für andere gewonnen hätte. Jetzt kam es darauf an, in dem-
ſelben Geiſte die Umriſſe des Ganzen feſtzuſtellen. Es war die
Aufgabe des vorliegenden Werkes, dieſen Verſuch zu machen. Ich
übergebe ihn, obwohl ich ſeine Mängel und Unfertigkeiten ſehr
wohl erkenne, der Oeffentlichkeit. Ich wage das aber, weil ich
einen andern, weiter gehenden Gedanken ſchon hier vertreten zu
müſſen glaube. Und ſo vieler und tiefer Widerſpruch mir dabei
auch entgegen treten wird, ich ſtehe keinen Augenblick an, ihn
auszuſprechen.

Unſere ganze juriſtiſche Bildung an den deutſchen Hochſchulen
iſt ohne allen Zweifel durchaus hinter unſrer großen Gegenwart
zurück. Es gibt, ſo weit das geiſtige Auge reicht, keinen einzigen

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0009" n="[III]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorwort</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Ich übergebe mit dem vorliegenden Werke dem Publikum einen<lb/>
wenig&#x017F;tens formalen Ab&#x017F;chluß des Ver&#x017F;uches, die Verwaltungslehre<lb/>
zu einer &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu erheben. Der näch&#x017F;te Grund,<lb/>
der mich dazu bewog, war das Bedürfniß, den Vorle&#x017F;ungen über<lb/>
Verwaltungslehre eine ausreichende Ba&#x017F;is zu geben. Das größere<lb/>
Werk, welches ich vor zehn Jahren begonnen habe, i&#x017F;t &#x017F;o um-<lb/>
fangreich, daß es für das allgemeine Studium der Verwaltungs-<lb/>
lehre &#x017F;ich kaum eignet. Ich habe außerdem &#x017F;chon früher erklären<lb/>&#x017F;&#x017F;en, daß es kaum in Eines Men&#x017F;chen Kraft liegt, es in dem-<lb/>
&#x017F;elben Umfange zu vollenden, in welchem es begonnen wurde. Ich<lb/>
habe dennoch nie geglaubt, daß es, auch in die&#x017F;em Umfange,<lb/>
wirklich ausreiche. Ich habe nur den Beweis zu liefern ge&#x017F;ucht,<lb/>
daß die po&#x017F;itiven und prakti&#x017F;chen Fragen der Verwaltung einer<lb/>
höheren wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Behandlung fähig und werth &#x017F;ind, und<lb/>
ich würde mich glücklich &#x017F;chätzen, wenn ich die&#x017F;e Ueberzeugung auch<lb/>
für andere gewonnen hätte. Jetzt kam es darauf an, in dem-<lb/>
&#x017F;elben Gei&#x017F;te die Umri&#x017F;&#x017F;e des Ganzen fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen. Es war die<lb/>
Aufgabe des vorliegenden Werkes, die&#x017F;en Ver&#x017F;uch zu machen. Ich<lb/>
übergebe ihn, obwohl ich &#x017F;eine Mängel und Unfertigkeiten &#x017F;ehr<lb/>
wohl erkenne, der Oeffentlichkeit. Ich wage das aber, weil ich<lb/>
einen andern, weiter gehenden Gedanken &#x017F;chon hier vertreten zu<lb/>&#x017F;&#x017F;en glaube. Und &#x017F;o vieler und tiefer Wider&#x017F;pruch mir dabei<lb/>
auch entgegen treten wird, ich &#x017F;tehe keinen Augenblick an, ihn<lb/>
auszu&#x017F;prechen.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;ere ganze juri&#x017F;ti&#x017F;che Bildung an den deut&#x017F;chen Hoch&#x017F;chulen<lb/>
i&#x017F;t ohne allen Zweifel durchaus hinter un&#x017F;rer großen Gegenwart<lb/>
zurück. Es gibt, &#x017F;o weit das gei&#x017F;tige Auge reicht, keinen einzigen<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[[III]/0009] Vorwort. Ich übergebe mit dem vorliegenden Werke dem Publikum einen wenigſtens formalen Abſchluß des Verſuches, die Verwaltungslehre zu einer ſyſtematiſchen Wiſſenſchaft zu erheben. Der nächſte Grund, der mich dazu bewog, war das Bedürfniß, den Vorleſungen über Verwaltungslehre eine ausreichende Baſis zu geben. Das größere Werk, welches ich vor zehn Jahren begonnen habe, iſt ſo um- fangreich, daß es für das allgemeine Studium der Verwaltungs- lehre ſich kaum eignet. Ich habe außerdem ſchon früher erklären müſſen, daß es kaum in Eines Menſchen Kraft liegt, es in dem- ſelben Umfange zu vollenden, in welchem es begonnen wurde. Ich habe dennoch nie geglaubt, daß es, auch in dieſem Umfange, wirklich ausreiche. Ich habe nur den Beweis zu liefern geſucht, daß die poſitiven und praktiſchen Fragen der Verwaltung einer höheren wiſſenſchaftlichen Behandlung fähig und werth ſind, und ich würde mich glücklich ſchätzen, wenn ich dieſe Ueberzeugung auch für andere gewonnen hätte. Jetzt kam es darauf an, in dem- ſelben Geiſte die Umriſſe des Ganzen feſtzuſtellen. Es war die Aufgabe des vorliegenden Werkes, dieſen Verſuch zu machen. Ich übergebe ihn, obwohl ich ſeine Mängel und Unfertigkeiten ſehr wohl erkenne, der Oeffentlichkeit. Ich wage das aber, weil ich einen andern, weiter gehenden Gedanken ſchon hier vertreten zu müſſen glaube. Und ſo vieler und tiefer Widerſpruch mir dabei auch entgegen treten wird, ich ſtehe keinen Augenblick an, ihn auszuſprechen. Unſere ganze juriſtiſche Bildung an den deutſchen Hochſchulen iſt ohne allen Zweifel durchaus hinter unſrer großen Gegenwart zurück. Es gibt, ſo weit das geiſtige Auge reicht, keinen einzigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/9
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/9>, abgerufen am 19.11.2024.