des Vereins Gesetze. Es gibt keinen Theil des Vereinswesens, über welchen sie nicht berechtigt wäre Beschlüsse zu fassen. Wenn die Sta- tuten ihr bestimmte Aufgaben ausdrücklich reserviren, so bedeutet das, daß diese Gebiete ohne ihre Zustimmung gar nicht bestimmt werden dürfen. Jedes Mitglied ist berechtigt Theil zu nehmen; es ist dafür gleichgültig, daß die Mitgliedschaft in sehr verschiedener Weise erworben werden kann. Jedes Mitglied sollte eine beschließende Stimme haben. Jedes Mitglied sollte Anfragen stellen können.
Der Verwaltungsrath ist die vollziehende Gewalt. Er hat daher das Analogon der Verordnungsgewalt, die Vollzugsverordnung, die eigentliche Verordnung und selbst die Nothverordnung gegenüber den Beschlüssen der Generalversammlung. Dafür ist er verantwortlich im Allgemeinen und haftbar im Besondern. Nur müssen diese Grund- sätze, da die Generalversammlungen nur wenig thätig sein können, in erhöhtem Maße Anwendung finden.
Die Controle sollte durch ein eigenes Organ, den Revisions- ausschuß, mit eigenem Berichte und eigener Stellung stattfinden. Die Generalversammlung sollte das Absolutorium immer erst auf Grund- lage dieses Berichts machen. Gerade hier sind die Gesetze wie die Statuten am mangelhaftesten.
Die Direktion ist das Analogon des Behördensystems, jedoch wesentlich modificirt. Sie ist nur dem Verwaltungsrath verantwort- lich, aber dem Vereine haftbar. Die Haftbarkeit bezieht sich bei ihr auch auf den Mangel an Fachkenntniß, nicht bloß auf sonstiges Ver- schulden. -- Die Angestellten stehen im einfachen Dienstverhältniß, das aber allerdings ein Analogon des Amts ist, und daher beständige und wohlbegründete Neigung hat, auch die Grundsätze und Rechte des Staatsdienstes auf sich anzuwenden. Ob und wie weit das thunlich ist, hängt dann wesentlich von Art und Umfang des Vereins ab.
Bisher mangelt in der Gesetzgebung aller europäischen Staaten eine einheitliche Auffassung des Vereinswesens; nur einzelne Arten haben eine eingehende Behandlung gefunden. Um so wichtiger ist die Natur der Sache, deren Studium als eine wesentliche Aufgabe der Verwaltung angesehen werden muß.
Wir dürfen hier, nachdem wir jede Einzelheit und jedes Citat strenge vermieden haben, wohl auf unsere Lehre von der vollziehenden Ge- walt, 2. Auflage in 3 Bänden (Regierungsrecht, Selbstverwaltungsrecht und Vereinsrecht), 1869--70, verweisen, in welcher man eine eingehende Erörterung aller betreffenden Punkte finden wird.
des Vereins Geſetze. Es gibt keinen Theil des Vereinsweſens, über welchen ſie nicht berechtigt wäre Beſchlüſſe zu faſſen. Wenn die Sta- tuten ihr beſtimmte Aufgaben ausdrücklich reſerviren, ſo bedeutet das, daß dieſe Gebiete ohne ihre Zuſtimmung gar nicht beſtimmt werden dürfen. Jedes Mitglied iſt berechtigt Theil zu nehmen; es iſt dafür gleichgültig, daß die Mitgliedſchaft in ſehr verſchiedener Weiſe erworben werden kann. Jedes Mitglied ſollte eine beſchließende Stimme haben. Jedes Mitglied ſollte Anfragen ſtellen können.
Der Verwaltungsrath iſt die vollziehende Gewalt. Er hat daher das Analogon der Verordnungsgewalt, die Vollzugsverordnung, die eigentliche Verordnung und ſelbſt die Nothverordnung gegenüber den Beſchlüſſen der Generalverſammlung. Dafür iſt er verantwortlich im Allgemeinen und haftbar im Beſondern. Nur müſſen dieſe Grund- ſätze, da die Generalverſammlungen nur wenig thätig ſein können, in erhöhtem Maße Anwendung finden.
Die Controle ſollte durch ein eigenes Organ, den Reviſions- ausſchuß, mit eigenem Berichte und eigener Stellung ſtattfinden. Die Generalverſammlung ſollte das Abſolutorium immer erſt auf Grund- lage dieſes Berichts machen. Gerade hier ſind die Geſetze wie die Statuten am mangelhafteſten.
Die Direktion iſt das Analogon des Behördenſyſtems, jedoch weſentlich modificirt. Sie iſt nur dem Verwaltungsrath verantwort- lich, aber dem Vereine haftbar. Die Haftbarkeit bezieht ſich bei ihr auch auf den Mangel an Fachkenntniß, nicht bloß auf ſonſtiges Ver- ſchulden. — Die Angeſtellten ſtehen im einfachen Dienſtverhältniß, das aber allerdings ein Analogon des Amts iſt, und daher beſtändige und wohlbegründete Neigung hat, auch die Grundſätze und Rechte des Staatsdienſtes auf ſich anzuwenden. Ob und wie weit das thunlich iſt, hängt dann weſentlich von Art und Umfang des Vereins ab.
Bisher mangelt in der Geſetzgebung aller europäiſchen Staaten eine einheitliche Auffaſſung des Vereinsweſens; nur einzelne Arten haben eine eingehende Behandlung gefunden. Um ſo wichtiger iſt die Natur der Sache, deren Studium als eine weſentliche Aufgabe der Verwaltung angeſehen werden muß.
Wir dürfen hier, nachdem wir jede Einzelheit und jedes Citat ſtrenge vermieden haben, wohl auf unſere Lehre von der vollziehenden Ge- walt, 2. Auflage in 3 Bänden (Regierungsrecht, Selbſtverwaltungsrecht und Vereinsrecht), 1869—70, verweiſen, in welcher man eine eingehende Erörterung aller betreffenden Punkte finden wird.
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des Vereins Geſetze. Es gibt keinen Theil des Vereinsweſens, über
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tuten ihr beſtimmte Aufgaben ausdrücklich reſerviren, ſo bedeutet das,
daß dieſe Gebiete ohne ihre Zuſtimmung gar nicht beſtimmt werden
dürfen. Jedes Mitglied iſt berechtigt Theil zu nehmen; es iſt dafür
gleichgültig, daß die Mitgliedſchaft in ſehr verſchiedener Weiſe erworben
werden kann. Jedes Mitglied ſollte eine beſchließende Stimme haben.
Jedes Mitglied ſollte Anfragen ſtellen können.
Der Verwaltungsrath iſt die vollziehende Gewalt. Er hat
daher das Analogon der Verordnungsgewalt, die Vollzugsverordnung,
die eigentliche Verordnung und ſelbſt die Nothverordnung gegenüber
den Beſchlüſſen der Generalverſammlung. Dafür iſt er verantwortlich
im Allgemeinen und haftbar im Beſondern. Nur müſſen dieſe Grund-
ſätze, da die Generalverſammlungen nur wenig thätig ſein können, in
erhöhtem Maße Anwendung finden.
Die Controle ſollte durch ein eigenes Organ, den Reviſions-
ausſchuß, mit eigenem Berichte und eigener Stellung ſtattfinden. Die
Generalverſammlung ſollte das Abſolutorium immer erſt auf Grund-
lage dieſes Berichts machen. Gerade hier ſind die Geſetze wie die
Statuten am mangelhafteſten.
Die Direktion iſt das Analogon des Behördenſyſtems, jedoch
weſentlich modificirt. Sie iſt nur dem Verwaltungsrath verantwort-
lich, aber dem Vereine haftbar. Die Haftbarkeit bezieht ſich bei ihr
auch auf den Mangel an Fachkenntniß, nicht bloß auf ſonſtiges Ver-
ſchulden. — Die Angeſtellten ſtehen im einfachen Dienſtverhältniß, das
aber allerdings ein Analogon des Amts iſt, und daher beſtändige und
wohlbegründete Neigung hat, auch die Grundſätze und Rechte des
Staatsdienſtes auf ſich anzuwenden. Ob und wie weit das thunlich
iſt, hängt dann weſentlich von Art und Umfang des Vereins ab.
Bisher mangelt in der Geſetzgebung aller europäiſchen Staaten
eine einheitliche Auffaſſung des Vereinsweſens; nur einzelne Arten
haben eine eingehende Behandlung gefunden. Um ſo wichtiger iſt die
Natur der Sache, deren Studium als eine weſentliche Aufgabe der
Verwaltung angeſehen werden muß.
Wir dürfen hier, nachdem wir jede Einzelheit und jedes Citat ſtrenge
vermieden haben, wohl auf unſere Lehre von der vollziehenden Ge-
walt, 2. Auflage in 3 Bänden (Regierungsrecht, Selbſtverwaltungsrecht und
Vereinsrecht), 1869—70, verweiſen, in welcher man eine eingehende Erörterung
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/63>, abgerufen am 22.11.2024.
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