und Krankenvereine bei großen Gewerkschaften, zum Theil auch bei gewissen Classen (vergl. Gierke, deutsche Genossenschaften S. 1049; Rau, Volkswirth- schaftspflege II. 368 ff.). Gierke, Genossenschaft S. 1049 ff. (ohne sociale Beziehung, aber viel Material) s. oben "Versicherungswesen."
III. Die Selbsthülfe und ihr Vereinswesen.
Princip.
Die Selbsthülfe ihrem formalen Begriffe nach bildet endlich die Gesammtheit von Erscheinungen, welche dem Gedanken angehören, daß die wahre aufsteigende Bewegung der nichtbesitzenden Classe nur von ihr selbst ausgehen dürfe und solle. Ihre Form ist daher das selb- ständige Vereinswesen der Nichtbesitzenden. Ihre große Vor- aussetzung ist nicht bloß die äußere und thatsächliche, sondern die innere und bewußte Scheidung der arbeitenden Classe vom Capital. Ihr In- halt ist die Erkenntniß, daß sie ein zunächst wesentlich verschiedenes Interesse von dem des Capitals habe. Ihr Princip ist der Gedanke, daß die rechtliche Gleichheit ihrer Mitglieder zu einer gesellschaftlichen durch eigene Anstrengungen erhoben werden müsse. Sie gehört daher der Zeit, in welcher der gesellschaftliche Gegensatz der Classen zu dem Bewußtsein der Gründe gelangt, welche den Unterschied der Classen erzeugen und erhalten. Ihre erste und natürliche Neigung, die politische, ist die, durch das möglichst allgemeine Stimmrecht das entscheidende Gewicht in der Gesetzgebung zu erlangen; ihre zweite praktische Rich- tung entsteht dadurch, daß sie die Capitalbildung für ihre Mit- glieder zum Gegenstande ihrer Vereinsthätigkeit macht. Sie ent- steht daher erst nach 1848 und bildet von da an den Kern der so- cialen Bewegung, das Organ der socialen Frage. Das Wort, welches ihr Auftreten mit ihrem specifischen Inhalt bezeichnet, ist die "Associa- tion." Dasselbe geht naturgemäß aus dem Socialismus hervor; in der Association wendet sich der letztere von der Theorie dem praktischen Leben zu; die Societe wird zu einem wirthschaftlichen, die Association zu einem gesellschaftlichen Begriffe. An ihrer materiellen Basis aber entwickelt sich ihre systematische Gestaltung. Der Erwerb des Besitzers hat zwei Grundformen. Einerseits entsteht er als Capitalbildung durch Herstellung eines Capitalerwerbs; andererseits richtet er sich auf die Bedingung der Capitalbildung, den Arbeitslohn. So entstehen die zwei großen Classen dieser Vereine, die Associations- oder die Arbeitervereine, und die Coalitions- oder die Arbeiterverbin- dungen. Naturgemäß gehen die ersteren den letzteren vorauf; allein die letzteren schließen die ersteren nicht aus. Ihr Recht ist ein gleiches -- das Vereinsrecht; ihr System aber ist die Auflösung der abstrakten
und Krankenvereine bei großen Gewerkſchaften, zum Theil auch bei gewiſſen Claſſen (vergl. Gierke, deutſche Genoſſenſchaften S. 1049; Rau, Volkswirth- ſchaftspflege II. 368 ff.). Gierke, Genoſſenſchaft S. 1049 ff. (ohne ſociale Beziehung, aber viel Material) ſ. oben „Verſicherungsweſen.“
III. Die Selbſthülfe und ihr Vereinsweſen.
Princip.
Die Selbſthülfe ihrem formalen Begriffe nach bildet endlich die Geſammtheit von Erſcheinungen, welche dem Gedanken angehören, daß die wahre aufſteigende Bewegung der nichtbeſitzenden Claſſe nur von ihr ſelbſt ausgehen dürfe und ſolle. Ihre Form iſt daher das ſelb- ſtändige Vereinsweſen der Nichtbeſitzenden. Ihre große Vor- ausſetzung iſt nicht bloß die äußere und thatſächliche, ſondern die innere und bewußte Scheidung der arbeitenden Claſſe vom Capital. Ihr In- halt iſt die Erkenntniß, daß ſie ein zunächſt weſentlich verſchiedenes Intereſſe von dem des Capitals habe. Ihr Princip iſt der Gedanke, daß die rechtliche Gleichheit ihrer Mitglieder zu einer geſellſchaftlichen durch eigene Anſtrengungen erhoben werden müſſe. Sie gehört daher der Zeit, in welcher der geſellſchaftliche Gegenſatz der Claſſen zu dem Bewußtſein der Gründe gelangt, welche den Unterſchied der Claſſen erzeugen und erhalten. Ihre erſte und natürliche Neigung, die politiſche, iſt die, durch das möglichſt allgemeine Stimmrecht das entſcheidende Gewicht in der Geſetzgebung zu erlangen; ihre zweite praktiſche Rich- tung entſteht dadurch, daß ſie die Capitalbildung für ihre Mit- glieder zum Gegenſtande ihrer Vereinsthätigkeit macht. Sie ent- ſteht daher erſt nach 1848 und bildet von da an den Kern der ſo- cialen Bewegung, das Organ der ſocialen Frage. Das Wort, welches ihr Auftreten mit ihrem ſpecifiſchen Inhalt bezeichnet, iſt die „Aſſocia- tion.“ Daſſelbe geht naturgemäß aus dem Socialismus hervor; in der Aſſociation wendet ſich der letztere von der Theorie dem praktiſchen Leben zu; die Société wird zu einem wirthſchaftlichen, die Aſſociation zu einem geſellſchaftlichen Begriffe. An ihrer materiellen Baſis aber entwickelt ſich ihre ſyſtematiſche Geſtaltung. Der Erwerb des Beſitzers hat zwei Grundformen. Einerſeits entſteht er als Capitalbildung durch Herſtellung eines Capitalerwerbs; andererſeits richtet er ſich auf die Bedingung der Capitalbildung, den Arbeitslohn. So entſtehen die zwei großen Claſſen dieſer Vereine, die Aſſociations- oder die Arbeitervereine, und die Coalitions- oder die Arbeiterverbin- dungen. Naturgemäß gehen die erſteren den letzteren vorauf; allein die letzteren ſchließen die erſteren nicht aus. Ihr Recht iſt ein gleiches — das Vereinsrecht; ihr Syſtem aber iſt die Auflöſung der abſtrakten
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[453/0477]
und Krankenvereine bei großen Gewerkſchaften, zum Theil auch bei gewiſſen
Claſſen (vergl. Gierke, deutſche Genoſſenſchaften S. 1049; Rau, Volkswirth-
ſchaftspflege II. 368 ff.). Gierke, Genoſſenſchaft S. 1049 ff. (ohne ſociale
Beziehung, aber viel Material) ſ. oben „Verſicherungsweſen.“
III. Die Selbſthülfe und ihr Vereinsweſen.
Princip.
Die Selbſthülfe ihrem formalen Begriffe nach bildet endlich die
Geſammtheit von Erſcheinungen, welche dem Gedanken angehören, daß
die wahre aufſteigende Bewegung der nichtbeſitzenden Claſſe nur von
ihr ſelbſt ausgehen dürfe und ſolle. Ihre Form iſt daher das ſelb-
ſtändige Vereinsweſen der Nichtbeſitzenden. Ihre große Vor-
ausſetzung iſt nicht bloß die äußere und thatſächliche, ſondern die innere
und bewußte Scheidung der arbeitenden Claſſe vom Capital. Ihr In-
halt iſt die Erkenntniß, daß ſie ein zunächſt weſentlich verſchiedenes
Intereſſe von dem des Capitals habe. Ihr Princip iſt der Gedanke,
daß die rechtliche Gleichheit ihrer Mitglieder zu einer geſellſchaftlichen
durch eigene Anſtrengungen erhoben werden müſſe. Sie gehört daher
der Zeit, in welcher der geſellſchaftliche Gegenſatz der Claſſen zu dem
Bewußtſein der Gründe gelangt, welche den Unterſchied der Claſſen
erzeugen und erhalten. Ihre erſte und natürliche Neigung, die politiſche,
iſt die, durch das möglichſt allgemeine Stimmrecht das entſcheidende
Gewicht in der Geſetzgebung zu erlangen; ihre zweite praktiſche Rich-
tung entſteht dadurch, daß ſie die Capitalbildung für ihre Mit-
glieder zum Gegenſtande ihrer Vereinsthätigkeit macht. Sie ent-
ſteht daher erſt nach 1848 und bildet von da an den Kern der ſo-
cialen Bewegung, das Organ der ſocialen Frage. Das Wort, welches
ihr Auftreten mit ihrem ſpecifiſchen Inhalt bezeichnet, iſt die „Aſſocia-
tion.“ Daſſelbe geht naturgemäß aus dem Socialismus hervor; in
der Aſſociation wendet ſich der letztere von der Theorie dem praktiſchen
Leben zu; die Société wird zu einem wirthſchaftlichen, die Aſſociation
zu einem geſellſchaftlichen Begriffe. An ihrer materiellen Baſis aber
entwickelt ſich ihre ſyſtematiſche Geſtaltung. Der Erwerb des Beſitzers
hat zwei Grundformen. Einerſeits entſteht er als Capitalbildung
durch Herſtellung eines Capitalerwerbs; andererſeits richtet er ſich auf
die Bedingung der Capitalbildung, den Arbeitslohn. So entſtehen
die zwei großen Claſſen dieſer Vereine, die Aſſociations- oder die
Arbeitervereine, und die Coalitions- oder die Arbeiterverbin-
dungen. Naturgemäß gehen die erſteren den letzteren vorauf; allein
die letzteren ſchließen die erſteren nicht aus. Ihr Recht iſt ein gleiches
— das Vereinsrecht; ihr Syſtem aber iſt die Auflöſung der abſtrakten
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/477>, abgerufen am 19.11.2024.
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