des Staatsoberhaupts ein willkürlicher, so reden wir vom Despotis- mus; ist seine Absicht eine auf die Entwicklung des Volks gerichtete, so entsteht der aufgeklärte Despotismus will er nur die Herrschaft als solche, so entsteht die Tyrannis; nie aber ist dieser Zustand ein freier. Seine Heimath ist der Orient. Durch ihn gehen mit der Frei- heit der Einzelnen die Völker und Staaten als Ganzes zu Grunde.
Den Gegensatz dazu bildet dasjenige staatliche Princip, nach wel- chem wieder die vollziehende Gewalt unselbständig ist, und die Gesetz- gebung, durch die Gesammtheit des Volkes gebildet, selbst die Voll- ziehung übernimmt. Hier wird jedes Gesetz zugleich Verordnung. Die Folge ist, daß die Vollziehung zu nichts berechtigt ist, als was das Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben hat, und daß daher zwar die Freiheit gewahrt ist, aber die Entwicklung des wirklichen Lebens still steht. Die weitere Folge aber besteht dann in der Herrschaft der In- teressen über die Gesetzgebung; es entsteht die Verwaltung der Majorität der Interessen und damit die Hemmung der freien gesellschaftlichen Bewegung. Diesen Zustand nennen wir die Republik; die Herrschaft der Mächtigen über die Unmächtigen im Namen ihrer Interessen die Classenherrschaft; der Kampf der unterworfenen Classe gegen die herrschende ist der Bürgerkrieg; die Folge ist die Auf- lösung der Freiheit durch denselben. Ihr Typus ist die alte Welt der Griechen und Römer; durch sie ist der Begriff und das Recht des Ge- setzes entstanden, aber das der freien Vollziehung untergegangen; auch sie vermag nicht, ein Verwaltungsrecht zu bilden.
Erst die germanische Welt scheidet nun fest und bestimmt im Princip, wenn auch langsam und unter den härtesten Kämpfen, die Gesetzgebung von der Vollziehung. Sie trägt das Princip der Bildung des Staatslebens durch die organisirte Gesammtheit der Staatsbürger von Anfang an in sich; aber sie stellt das der selbständigen Staats- gewalt im Königthum daneben hin. So liegt in ihr von Anfang an der Keim des Begriffes vom Gesetz als Wille des Volkes im Unterschiede vom Begriff der Verordnung als Wille des Königs. Jahrhunderte hindurch vermag nun auch diese Welt wieder in ihrem Königthum den Begriff und das Recht des Staatsoberhaupts von dem der auch ihm gegenüber selbständigen Gewalt nicht zu scheiden; der öffentlich rechtliche Charakter der Geschlechter- und der Ständeordnung ist eben diese Vermischung des Staatsoberhaupts und seiner Vollziehung; und diese Vermengung hat zur Folge, daß das Princip der Unverant- wortlichkeit, das im unabweisbaren Wesen des Staatsoberhaupts liegt, die Bildung eines eigentlichen, freien Verwaltungsrechts und die Klärung über das Verhältniß zwischen Gesetz und Verordnung nicht zuläßt. Erst
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 2
des Staatsoberhaupts ein willkürlicher, ſo reden wir vom Deſpotis- mus; iſt ſeine Abſicht eine auf die Entwicklung des Volks gerichtete, ſo entſteht der aufgeklärte Deſpotismus will er nur die Herrſchaft als ſolche, ſo entſteht die Tyrannis; nie aber iſt dieſer Zuſtand ein freier. Seine Heimath iſt der Orient. Durch ihn gehen mit der Frei- heit der Einzelnen die Völker und Staaten als Ganzes zu Grunde.
Den Gegenſatz dazu bildet dasjenige ſtaatliche Princip, nach wel- chem wieder die vollziehende Gewalt unſelbſtändig iſt, und die Geſetz- gebung, durch die Geſammtheit des Volkes gebildet, ſelbſt die Voll- ziehung übernimmt. Hier wird jedes Geſetz zugleich Verordnung. Die Folge iſt, daß die Vollziehung zu nichts berechtigt iſt, als was das Geſetz ausdrücklich vorgeſchrieben hat, und daß daher zwar die Freiheit gewahrt iſt, aber die Entwicklung des wirklichen Lebens ſtill ſteht. Die weitere Folge aber beſteht dann in der Herrſchaft der In- tereſſen über die Geſetzgebung; es entſteht die Verwaltung der Majorität der Intereſſen und damit die Hemmung der freien geſellſchaftlichen Bewegung. Dieſen Zuſtand nennen wir die Republik; die Herrſchaft der Mächtigen über die Unmächtigen im Namen ihrer Intereſſen die Claſſenherrſchaft; der Kampf der unterworfenen Claſſe gegen die herrſchende iſt der Bürgerkrieg; die Folge iſt die Auf- löſung der Freiheit durch denſelben. Ihr Typus iſt die alte Welt der Griechen und Römer; durch ſie iſt der Begriff und das Recht des Ge- ſetzes entſtanden, aber das der freien Vollziehung untergegangen; auch ſie vermag nicht, ein Verwaltungsrecht zu bilden.
Erſt die germaniſche Welt ſcheidet nun feſt und beſtimmt im Princip, wenn auch langſam und unter den härteſten Kämpfen, die Geſetzgebung von der Vollziehung. Sie trägt das Princip der Bildung des Staatslebens durch die organiſirte Geſammtheit der Staatsbürger von Anfang an in ſich; aber ſie ſtellt das der ſelbſtändigen Staats- gewalt im Königthum daneben hin. So liegt in ihr von Anfang an der Keim des Begriffes vom Geſetz als Wille des Volkes im Unterſchiede vom Begriff der Verordnung als Wille des Königs. Jahrhunderte hindurch vermag nun auch dieſe Welt wieder in ihrem Königthum den Begriff und das Recht des Staatsoberhaupts von dem der auch ihm gegenüber ſelbſtändigen Gewalt nicht zu ſcheiden; der öffentlich rechtliche Charakter der Geſchlechter- und der Ständeordnung iſt eben dieſe Vermiſchung des Staatsoberhaupts und ſeiner Vollziehung; und dieſe Vermengung hat zur Folge, daß das Princip der Unverant- wortlichkeit, das im unabweisbaren Weſen des Staatsoberhaupts liegt, die Bildung eines eigentlichen, freien Verwaltungsrechts und die Klärung über das Verhältniß zwiſchen Geſetz und Verordnung nicht zuläßt. Erſt
Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 2
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des Staatsoberhaupts ein willkürlicher, ſo reden wir vom Deſpotis-
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als ſolche, ſo entſteht die Tyrannis; nie aber iſt dieſer Zuſtand ein
freier. Seine Heimath iſt der Orient. Durch ihn gehen mit der Frei-
heit der Einzelnen die Völker und Staaten als Ganzes zu Grunde.
Den Gegenſatz dazu bildet dasjenige ſtaatliche Princip, nach wel-
chem wieder die vollziehende Gewalt unſelbſtändig iſt, und die Geſetz-
gebung, durch die Geſammtheit des Volkes gebildet, ſelbſt die Voll-
ziehung übernimmt. Hier wird jedes Geſetz zugleich Verordnung.
Die Folge iſt, daß die Vollziehung zu nichts berechtigt iſt, als was
das Geſetz ausdrücklich vorgeſchrieben hat, und daß daher zwar die
Freiheit gewahrt iſt, aber die Entwicklung des wirklichen Lebens ſtill
ſteht. Die weitere Folge aber beſteht dann in der Herrſchaft der In-
tereſſen über die Geſetzgebung; es entſteht die Verwaltung der
Majorität der Intereſſen und damit die Hemmung der freien
geſellſchaftlichen Bewegung. Dieſen Zuſtand nennen wir die Republik;
die Herrſchaft der Mächtigen über die Unmächtigen im Namen ihrer
Intereſſen die Claſſenherrſchaft; der Kampf der unterworfenen
Claſſe gegen die herrſchende iſt der Bürgerkrieg; die Folge iſt die Auf-
löſung der Freiheit durch denſelben. Ihr Typus iſt die alte Welt der
Griechen und Römer; durch ſie iſt der Begriff und das Recht des Ge-
ſetzes entſtanden, aber das der freien Vollziehung untergegangen; auch
ſie vermag nicht, ein Verwaltungsrecht zu bilden.
Erſt die germaniſche Welt ſcheidet nun feſt und beſtimmt im
Princip, wenn auch langſam und unter den härteſten Kämpfen, die
Geſetzgebung von der Vollziehung. Sie trägt das Princip der Bildung
des Staatslebens durch die organiſirte Geſammtheit der Staatsbürger
von Anfang an in ſich; aber ſie ſtellt das der ſelbſtändigen Staats-
gewalt im Königthum daneben hin. So liegt in ihr von Anfang
an der Keim des Begriffes vom Geſetz als Wille des Volkes im
Unterſchiede vom Begriff der Verordnung als Wille des Königs.
Jahrhunderte hindurch vermag nun auch dieſe Welt wieder in ihrem
Königthum den Begriff und das Recht des Staatsoberhaupts von dem
der auch ihm gegenüber ſelbſtändigen Gewalt nicht zu ſcheiden; der
öffentlich rechtliche Charakter der Geſchlechter- und der Ständeordnung
iſt eben dieſe Vermiſchung des Staatsoberhaupts und ſeiner Vollziehung;
und dieſe Vermengung hat zur Folge, daß das Princip der Unverant-
wortlichkeit, das im unabweisbaren Weſen des Staatsoberhaupts liegt,
die Bildung eines eigentlichen, freien Verwaltungsrechts und die Klärung
über das Verhältniß zwiſchen Geſetz und Verordnung nicht zuläßt. Erſt
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/41>, abgerufen am 24.11.2024.
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