bitiv- und des Schutzzollsystems zerfällt, und die bei gleicher äußerer Form einen wesentlich verschiedenen Charakter haben.
a) Das Prohibitivsystem war der Ausdruck des Gedankens, den Abfluß des Geldes durch Zahlungen für eingeführte Waaren an das Ausland zu hindern. Das Prohibitivsystem war daher ganz gleich- gültig gegen die Einnahmen; es belastet nicht bloß den Preis der Waare bis zur Unverkäuflichkeit, sondern verbietet sie vielmehr allent- halben, wo es sich um die einfache Consumtion fremder Produkte handelt, während es die zur weitern Produktion bestimmten Produkte frei zuläßt. Es hat daher noch keinen klaren Begriff von dem inneren Zusammenhang aller Arten der Produktion; es ist fast ausschließlich ein System der Pflege von Gewerbe und Industrie. Es kann nur so lange bestehen, als die Produktionen der einzelnen Staaten wesentlich verschieden, und namentlich einige Staaten hinter den andern weit zurück sind. Es will der entstehenden einheimischen Industrie ihren einheimischen Markt schaffen. Es hat noch keine Vorstellung von Capital und Unternehmung, sondern nur noch von Geld und Arbeitslohn.
b) Das Schutzzollsystem dagegen entsteht, wo durch Industrie und Handel die Capitalien und Unternehmungen entstanden, aber noch nicht gleichmäßig entwickelt sind. Die Ungleichheit der Capitalien der Amortisation, der Erfahrung und des Credits macht nun auch bei größter Anstrengung eine Concurrenz der einheimischen Unternehmung mit der auswärtigen nicht thunlich; es fehlen der jüngeren Industrie die Bedingungen für den niederen Marktpreis der älteren; ohne diese Bedingungen kann sie nicht bestehen; sie kann sich dieselben nicht ver- schaffen; es erscheint daher als Aufgabe der Verwaltung, ihr den Er- folg für diese Bedingungen zu bieten; das thut sie durch administrative Erhöhung des Marktpreises der fremden Waare vermittelst des Zolles. Ein solcher Zoll heißt der Schutzzoll, und das System, vermöge dessen er zur Anwendung gelangt ist, das Schutzzollsystem.
Das Schutzzollsystem betrifft daher zunächst den Handel, aber es schützt in Wirklichkeit die Industrie als die Gesammtheit der für die Produktion thätigen Capitalien. Es ist an sich gleichgültig gegen Geld und Arbeitslohn, und scheidet sich strenge vom Steuerzoll. Allein es tritt sofort in direkten Gegensatz zum Interesse des Handels, der natürlich vermöge der Vertheuerung der fremden Waare in seinen Ge- schäften beschränkt wird. Durch den lebhaften Gegensatz dieser Interessen des Handels mit dem der Industrie entsteht nun ein Kampf, dessen nächster und wichtigster allgemeiner Erfolg die Erwirkung des öffent- lichen Bewußtseins von dem inneren Zusammenhange aller Zweige der Industrie unter einander ist; dann aber die Nothwendigkeit, den
bitiv- und des Schutzzollſyſtems zerfällt, und die bei gleicher äußerer Form einen weſentlich verſchiedenen Charakter haben.
a) Das Prohibitivſyſtem war der Ausdruck des Gedankens, den Abfluß des Geldes durch Zahlungen für eingeführte Waaren an das Ausland zu hindern. Das Prohibitivſyſtem war daher ganz gleich- gültig gegen die Einnahmen; es belaſtet nicht bloß den Preis der Waare bis zur Unverkäuflichkeit, ſondern verbietet ſie vielmehr allent- halben, wo es ſich um die einfache Conſumtion fremder Produkte handelt, während es die zur weitern Produktion beſtimmten Produkte frei zuläßt. Es hat daher noch keinen klaren Begriff von dem inneren Zuſammenhang aller Arten der Produktion; es iſt faſt ausſchließlich ein Syſtem der Pflege von Gewerbe und Induſtrie. Es kann nur ſo lange beſtehen, als die Produktionen der einzelnen Staaten weſentlich verſchieden, und namentlich einige Staaten hinter den andern weit zurück ſind. Es will der entſtehenden einheimiſchen Induſtrie ihren einheimiſchen Markt ſchaffen. Es hat noch keine Vorſtellung von Capital und Unternehmung, ſondern nur noch von Geld und Arbeitslohn.
b) Das Schutzzollſyſtem dagegen entſteht, wo durch Induſtrie und Handel die Capitalien und Unternehmungen entſtanden, aber noch nicht gleichmäßig entwickelt ſind. Die Ungleichheit der Capitalien der Amortiſation, der Erfahrung und des Credits macht nun auch bei größter Anſtrengung eine Concurrenz der einheimiſchen Unternehmung mit der auswärtigen nicht thunlich; es fehlen der jüngeren Induſtrie die Bedingungen für den niederen Marktpreis der älteren; ohne dieſe Bedingungen kann ſie nicht beſtehen; ſie kann ſich dieſelben nicht ver- ſchaffen; es erſcheint daher als Aufgabe der Verwaltung, ihr den Er- folg für dieſe Bedingungen zu bieten; das thut ſie durch adminiſtrative Erhöhung des Marktpreiſes der fremden Waare vermittelſt des Zolles. Ein ſolcher Zoll heißt der Schutzzoll, und das Syſtem, vermöge deſſen er zur Anwendung gelangt iſt, das Schutzzollſyſtem.
Das Schutzzollſyſtem betrifft daher zunächſt den Handel, aber es ſchützt in Wirklichkeit die Induſtrie als die Geſammtheit der für die Produktion thätigen Capitalien. Es iſt an ſich gleichgültig gegen Geld und Arbeitslohn, und ſcheidet ſich ſtrenge vom Steuerzoll. Allein es tritt ſofort in direkten Gegenſatz zum Intereſſe des Handels, der natürlich vermöge der Vertheuerung der fremden Waare in ſeinen Ge- ſchäften beſchränkt wird. Durch den lebhaften Gegenſatz dieſer Intereſſen des Handels mit dem der Induſtrie entſteht nun ein Kampf, deſſen nächſter und wichtigſter allgemeiner Erfolg die Erwirkung des öffent- lichen Bewußtſeins von dem inneren Zuſammenhange aller Zweige der Induſtrie unter einander iſt; dann aber die Nothwendigkeit, den
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äußerer Form einen weſentlich verſchiedenen Charakter haben.
a) Das Prohibitivſyſtem war der Ausdruck des Gedankens,
den Abfluß des Geldes durch Zahlungen für eingeführte Waaren an
das Ausland zu hindern. Das Prohibitivſyſtem war daher ganz gleich-
gültig gegen die Einnahmen; es belaſtet nicht bloß den Preis der
Waare bis zur Unverkäuflichkeit, ſondern verbietet ſie vielmehr allent-
halben, wo es ſich um die einfache Conſumtion fremder Produkte
handelt, während es die zur weitern Produktion beſtimmten Produkte
frei zuläßt. Es hat daher noch keinen klaren Begriff von dem inneren
Zuſammenhang aller Arten der Produktion; es iſt faſt ausſchließlich
ein Syſtem der Pflege von Gewerbe und Induſtrie. Es kann nur ſo
lange beſtehen, als die Produktionen der einzelnen Staaten weſentlich
verſchieden, und namentlich einige Staaten hinter den andern weit
zurück ſind. Es will der entſtehenden einheimiſchen Induſtrie ihren
einheimiſchen Markt ſchaffen. Es hat noch keine Vorſtellung von
Capital und Unternehmung, ſondern nur noch von Geld und Arbeitslohn.
b) Das Schutzzollſyſtem dagegen entſteht, wo durch Induſtrie
und Handel die Capitalien und Unternehmungen entſtanden, aber noch
nicht gleichmäßig entwickelt ſind. Die Ungleichheit der Capitalien der
Amortiſation, der Erfahrung und des Credits macht nun auch bei
größter Anſtrengung eine Concurrenz der einheimiſchen Unternehmung
mit der auswärtigen nicht thunlich; es fehlen der jüngeren Induſtrie
die Bedingungen für den niederen Marktpreis der älteren; ohne dieſe
Bedingungen kann ſie nicht beſtehen; ſie kann ſich dieſelben nicht ver-
ſchaffen; es erſcheint daher als Aufgabe der Verwaltung, ihr den Er-
folg für dieſe Bedingungen zu bieten; das thut ſie durch adminiſtrative
Erhöhung des Marktpreiſes der fremden Waare vermittelſt des Zolles.
Ein ſolcher Zoll heißt der Schutzzoll, und das Syſtem, vermöge
deſſen er zur Anwendung gelangt iſt, das Schutzzollſyſtem.
Das Schutzzollſyſtem betrifft daher zunächſt den Handel, aber es
ſchützt in Wirklichkeit die Induſtrie als die Geſammtheit der für die
Produktion thätigen Capitalien. Es iſt an ſich gleichgültig gegen Geld
und Arbeitslohn, und ſcheidet ſich ſtrenge vom Steuerzoll. Allein es
tritt ſofort in direkten Gegenſatz zum Intereſſe des Handels, der
natürlich vermöge der Vertheuerung der fremden Waare in ſeinen Ge-
ſchäften beſchränkt wird. Durch den lebhaften Gegenſatz dieſer Intereſſen
des Handels mit dem der Induſtrie entſteht nun ein Kampf, deſſen
nächſter und wichtigſter allgemeiner Erfolg die Erwirkung des öffent-
lichen Bewußtſeins von dem inneren Zuſammenhange aller Zweige
der Induſtrie unter einander iſt; dann aber die Nothwendigkeit, den
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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