Teutsches Polizeirecht III. S. 243 ff.; theils auch in den Encyclopädien wie in Krünitz Bd. XV. Daneben geht das sog. Landwirthschaftsrecht als die rechtliche Darstellung der bäuerlichen Lasten und Beschränkungen einher; s. bes. Fischer, Cameral- und Polizeirecht S. 692 ff. und Literatur; Stein, Ent- währung von S. 150 ff. Erst mit dem Anfang unseres Jahrhunderts scheidet sich die Landwirthschaftslehre als selbständige Wissenschaft von Polizei und Recht; der Vater dieser ganzen Richtung ist Thaer in seinen Werken: die englische Landwirthschaft und die rationelle Landwirthschaft seit 1808. Diese Richtung entwickelt sich zunächst zur höheren, chemischen Bodenkunde (namentlich Hundes- hagen, Bodenkunde in land- und forstwirthschaftlicher Hinsicht 1830). Dann zur Physiologie der Landwirthschaft und Düngerlehre durch Liebigs Arbeiten. Diese Richtungen werden nun in der Cameralwissenschaft (Baumstark, Ency- clopädie §. 133 ff.) vom technischen Standpunkt bearbeitet, während die Natio- nalökonomie, namentlich Rau, Volkswirthschaftspflege §. 121 ff. mit großem Reichthum des Materials, und vorwaltend vom wirthschaftlichen, Roscher da- gegen (Nationalökonomie Bd. II.) mehr vom rechtshistorisch geschichtlichen Stand- punkt die wirthschaftlichen und Verwaltungsfragen verschmelzen, und dabei sehr viel leisten, aber auch viel verwirren. Neben ihnen hält sich die Verwaltungs- gesetzkunde, wie Rönne, Pötzl, Stubenrauch, auf der Gränze des gegebenen Rechts, und stellt damit die Scheidung zwischen Wirthschaft und Verwaltung wieder her. Es ist festzuhalten, daß erst das Verwaltungslehre und Recht der Landwirthschaft ist, was übrig bleibt, wenn die Rechtsgeschichte der Be- freiung abgezogen wird.
Elemente der Geschichte.
Das Princip und das Ziel der Geschichte des Landwirthschaftsrechts sind sehr einfach; die Bewegungen derselben dagegen außerordentlich reich an Einzelheiten, und gehören im Großen und Ganzen der Ent- währungslehre an. Sie beginnt da, wo die Regierungen zum Be- wußtsein nicht etwa von dem Recht des Bauernstandes auf Freiheit des Grundbesitzes, sondern von der Wichtigkeit der landwirthschaftlichen Produktion für die Finanzen und für die Volkswirthschaft gelangen. Das ist mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Fall; in Deutsch- land schon bei Justi; aber erst die Physiokraten erhoben diese Wahr- heit zu einem allgemein anerkannten Satze. Die Folge, die erste Epoche der Landwirthschaftspflege ist dann einerseits der deutsche Ver- such, für die letztere ein eigenes Behördensystem (Landwirthschafts- oder landwirthschaftliche Oekonomiecollegien) zu schaffen, neue Dorfordnungen mit specieller Beziehung auf die "Feldpolizei" einzuführen, und nament- lich in der Aufhebung der Leibeigenschaft. Erst mit der französischen Revolution jedoch, welche die völlige Aufhebung aller Beschränkungen des Bauernstandes am 4. August 1789 decretirt und dann im Ein- zelnen durchführt, beginnt die zweite große Epoche, deren Inhalt die
Teutſches Polizeirecht III. S. 243 ff.; theils auch in den Encyclopädien wie in Krünitz Bd. XV. Daneben geht das ſog. Landwirthſchaftsrecht als die rechtliche Darſtellung der bäuerlichen Laſten und Beſchränkungen einher; ſ. beſ. Fiſcher, Cameral- und Polizeirecht S. 692 ff. und Literatur; Stein, Ent- währung von S. 150 ff. Erſt mit dem Anfang unſeres Jahrhunderts ſcheidet ſich die Landwirthſchaftslehre als ſelbſtändige Wiſſenſchaft von Polizei und Recht; der Vater dieſer ganzen Richtung iſt Thaer in ſeinen Werken: die engliſche Landwirthſchaft und die rationelle Landwirthſchaft ſeit 1808. Dieſe Richtung entwickelt ſich zunächſt zur höheren, chemiſchen Bodenkunde (namentlich Hundes- hagen, Bodenkunde in land- und forſtwirthſchaftlicher Hinſicht 1830). Dann zur Phyſiologie der Landwirthſchaft und Düngerlehre durch Liebigs Arbeiten. Dieſe Richtungen werden nun in der Cameralwiſſenſchaft (Baumſtark, Ency- clopädie §. 133 ff.) vom techniſchen Standpunkt bearbeitet, während die Natio- nalökonomie, namentlich Rau, Volkswirthſchaftspflege §. 121 ff. mit großem Reichthum des Materials, und vorwaltend vom wirthſchaftlichen, Roſcher da- gegen (Nationalökonomie Bd. II.) mehr vom rechtshiſtoriſch geſchichtlichen Stand- punkt die wirthſchaftlichen und Verwaltungsfragen verſchmelzen, und dabei ſehr viel leiſten, aber auch viel verwirren. Neben ihnen hält ſich die Verwaltungs- geſetzkunde, wie Rönne, Pötzl, Stubenrauch, auf der Gränze des gegebenen Rechts, und ſtellt damit die Scheidung zwiſchen Wirthſchaft und Verwaltung wieder her. Es iſt feſtzuhalten, daß erſt das Verwaltungslehre und Recht der Landwirthſchaft iſt, was übrig bleibt, wenn die Rechtsgeſchichte der Be- freiung abgezogen wird.
Elemente der Geſchichte.
Das Princip und das Ziel der Geſchichte des Landwirthſchaftsrechts ſind ſehr einfach; die Bewegungen derſelben dagegen außerordentlich reich an Einzelheiten, und gehören im Großen und Ganzen der Ent- währungslehre an. Sie beginnt da, wo die Regierungen zum Be- wußtſein nicht etwa von dem Recht des Bauernſtandes auf Freiheit des Grundbeſitzes, ſondern von der Wichtigkeit der landwirthſchaftlichen Produktion für die Finanzen und für die Volkswirthſchaft gelangen. Das iſt mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Fall; in Deutſch- land ſchon bei Juſti; aber erſt die Phyſiokraten erhoben dieſe Wahr- heit zu einem allgemein anerkannten Satze. Die Folge, die erſte Epoche der Landwirthſchaftspflege iſt dann einerſeits der deutſche Ver- ſuch, für die letztere ein eigenes Behördenſyſtem (Landwirthſchafts- oder landwirthſchaftliche Oekonomiecollegien) zu ſchaffen, neue Dorfordnungen mit ſpecieller Beziehung auf die „Feldpolizei“ einzuführen, und nament- lich in der Aufhebung der Leibeigenſchaft. Erſt mit der franzöſiſchen Revolution jedoch, welche die völlige Aufhebung aller Beſchränkungen des Bauernſtandes am 4. Auguſt 1789 decretirt und dann im Ein- zelnen durchführt, beginnt die zweite große Epoche, deren Inhalt die
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Teutſches Polizeirecht III. S. 243 ff.; theils auch in den Encyclopädien wie
in Krünitz Bd. XV. Daneben geht das ſog. Landwirthſchaftsrecht als die
rechtliche Darſtellung der bäuerlichen Laſten und Beſchränkungen einher; ſ. beſ.
Fiſcher, Cameral- und Polizeirecht S. 692 ff. und Literatur; Stein, Ent-
währung von S. 150 ff. Erſt mit dem Anfang unſeres Jahrhunderts ſcheidet
ſich die Landwirthſchaftslehre als ſelbſtändige Wiſſenſchaft von Polizei und Recht;
der Vater dieſer ganzen Richtung iſt Thaer in ſeinen Werken: die engliſche
Landwirthſchaft und die rationelle Landwirthſchaft ſeit 1808. Dieſe Richtung
entwickelt ſich zunächſt zur höheren, chemiſchen Bodenkunde (namentlich Hundes-
hagen, Bodenkunde in land- und forſtwirthſchaftlicher Hinſicht 1830). Dann
zur Phyſiologie der Landwirthſchaft und Düngerlehre durch Liebigs Arbeiten.
Dieſe Richtungen werden nun in der Cameralwiſſenſchaft (Baumſtark, Ency-
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nalökonomie, namentlich Rau, Volkswirthſchaftspflege §. 121 ff. mit großem
Reichthum des Materials, und vorwaltend vom wirthſchaftlichen, Roſcher da-
gegen (Nationalökonomie Bd. II.) mehr vom rechtshiſtoriſch geſchichtlichen Stand-
punkt die wirthſchaftlichen und Verwaltungsfragen verſchmelzen, und dabei ſehr
viel leiſten, aber auch viel verwirren. Neben ihnen hält ſich die Verwaltungs-
geſetzkunde, wie Rönne, Pötzl, Stubenrauch, auf der Gränze des gegebenen
Rechts, und ſtellt damit die Scheidung zwiſchen Wirthſchaft und Verwaltung
wieder her. Es iſt feſtzuhalten, daß erſt das Verwaltungslehre und Recht
der Landwirthſchaft iſt, was übrig bleibt, wenn die Rechtsgeſchichte der Be-
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Elemente der Geſchichte.
Das Princip und das Ziel der Geſchichte des Landwirthſchaftsrechts
ſind ſehr einfach; die Bewegungen derſelben dagegen außerordentlich
reich an Einzelheiten, und gehören im Großen und Ganzen der Ent-
währungslehre an. Sie beginnt da, wo die Regierungen zum Be-
wußtſein nicht etwa von dem Recht des Bauernſtandes auf Freiheit des
Grundbeſitzes, ſondern von der Wichtigkeit der landwirthſchaftlichen
Produktion für die Finanzen und für die Volkswirthſchaft gelangen.
Das iſt mit der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Fall; in Deutſch-
land ſchon bei Juſti; aber erſt die Phyſiokraten erhoben dieſe Wahr-
heit zu einem allgemein anerkannten Satze. Die Folge, die erſte
Epoche der Landwirthſchaftspflege iſt dann einerſeits der deutſche Ver-
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landwirthſchaftliche Oekonomiecollegien) zu ſchaffen, neue Dorfordnungen
mit ſpecieller Beziehung auf die „Feldpolizei“ einzuführen, und nament-
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/354>, abgerufen am 19.11.2024.
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