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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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I. Der Zahlungscredit und seine öffentlich-rechtliche Ordnung.

1) Der kaufmännische Credit und die Handelsbücher.

Der kaufmännische Credit ist derjenige Geschäftscredit, der in
gegenseitiger Leistung und Abrechnung durch die Natur des Handels
selbst erzeugt wird. Der kaufmännische Verkehr macht die formale Ab-
schließung des einzelnen Vertrages für die einzelne Leistung eben so wie
die jedesmalige Zahlung für dieselbe thatsächlich unthunlich. Er selbst
wird daher unmöglich, und mit ihm alle seine die ganze Volkswirth-
schaft umfassenden Folgen, wenn die Gültigkeit des Vertrags und des
daraus entspringenden Creditverhältnisses von dem formalen Vertrags-
abschlusse abhängig wären. Der kaufmännische Verkehr hat daher die
seiner Natur entsprechende Vertragsform für Lieferungen, Vertrag und
Schuld sich selbst erzeugt; und diese Form nennen wir das Handels-
buch
. Das Handelsbuch ist daher zugleich die kaufmännische Form
der Schuld- und Zahlungsurkunden für den im kaufmännischen Verkehr
erscheinenden Geschäftscredit; und die Aufgabe des Staats besteht nun
einfach darin, diesen Handelsbüchern dasjenige Recht beizulegen, durch
welches sie die Fähigkeit empfangen, jenem kaufmännischen Verkehre
als Stellvertreter formeller Verträge zu dienen. Dieß Moment ist die
Beweiskraft der Handelsbücher, die wieder die Beobachtung der
formalen Bestimmungen über ihre Führung zur Voraussetzung hat.
Die Beweiskraft der Handelsbücher für den kaufmännischen Credit ist
daher das erste und sehr wichtige Gebiet des Geschäftscreditrechts, und
die Gesetzgebung, welche über dasselbe bestimmt, ist die des Handels-
rechts
in den Handelsgesetzbüchern.

Der kaufmännische Credit enthält nun noch ganz ungeschieden alle
drei Arten des Credits. Er selbst entsteht langsam namentlich aus dem
internationalen Verkehr; seine Grundlage ist die Scheidung des selb-
ständigen Handels von der auf denselben berechneten Produktion, und
sein Recht ist Jahrhunderte lang ein bloßes Gewohnheitsrecht der kauf-
männischen Welt. Dasselbe wird erst klar, wenn sich der Zahlungs-
credit selbständig durch den Handelsverkehr ausbildet.

2) Das Zahlungswesen der Bankhäuser und das Wechselrecht.

Je weiter sich nun das Verkehrsleben ausbildet, um so klarer wird
es, daß der gesammte Proceß des wirthschaftlichen Lebens in Produktion
und Consumtion und ihrer beständigen, durch den Handel vermittelten
Wechselwirkung auf der regelmäßigen Innehaltung der gegenseitigen
Verbindlichkeiten in der Form der Zahlung beruht. Nach dem Wesen
des Handels aber setzt die Zahlung des Einen stets die des Andern

I. Der Zahlungscredit und ſeine öffentlich-rechtliche Ordnung.

1) Der kaufmänniſche Credit und die Handelsbücher.

Der kaufmänniſche Credit iſt derjenige Geſchäftscredit, der in
gegenſeitiger Leiſtung und Abrechnung durch die Natur des Handels
ſelbſt erzeugt wird. Der kaufmänniſche Verkehr macht die formale Ab-
ſchließung des einzelnen Vertrages für die einzelne Leiſtung eben ſo wie
die jedesmalige Zahlung für dieſelbe thatſächlich unthunlich. Er ſelbſt
wird daher unmöglich, und mit ihm alle ſeine die ganze Volkswirth-
ſchaft umfaſſenden Folgen, wenn die Gültigkeit des Vertrags und des
daraus entſpringenden Creditverhältniſſes von dem formalen Vertrags-
abſchluſſe abhängig wären. Der kaufmänniſche Verkehr hat daher die
ſeiner Natur entſprechende Vertragsform für Lieferungen, Vertrag und
Schuld ſich ſelbſt erzeugt; und dieſe Form nennen wir das Handels-
buch
. Das Handelsbuch iſt daher zugleich die kaufmänniſche Form
der Schuld- und Zahlungsurkunden für den im kaufmänniſchen Verkehr
erſcheinenden Geſchäftscredit; und die Aufgabe des Staats beſteht nun
einfach darin, dieſen Handelsbüchern dasjenige Recht beizulegen, durch
welches ſie die Fähigkeit empfangen, jenem kaufmänniſchen Verkehre
als Stellvertreter formeller Verträge zu dienen. Dieß Moment iſt die
Beweiskraft der Handelsbücher, die wieder die Beobachtung der
formalen Beſtimmungen über ihre Führung zur Vorausſetzung hat.
Die Beweiskraft der Handelsbücher für den kaufmänniſchen Credit iſt
daher das erſte und ſehr wichtige Gebiet des Geſchäftscreditrechts, und
die Geſetzgebung, welche über daſſelbe beſtimmt, iſt die des Handels-
rechts
in den Handelsgeſetzbüchern.

Der kaufmänniſche Credit enthält nun noch ganz ungeſchieden alle
drei Arten des Credits. Er ſelbſt entſteht langſam namentlich aus dem
internationalen Verkehr; ſeine Grundlage iſt die Scheidung des ſelb-
ſtändigen Handels von der auf denſelben berechneten Produktion, und
ſein Recht iſt Jahrhunderte lang ein bloßes Gewohnheitsrecht der kauf-
männiſchen Welt. Daſſelbe wird erſt klar, wenn ſich der Zahlungs-
credit ſelbſtändig durch den Handelsverkehr ausbildet.

2) Das Zahlungsweſen der Bankhäuſer und das Wechſelrecht.

Je weiter ſich nun das Verkehrsleben ausbildet, um ſo klarer wird
es, daß der geſammte Proceß des wirthſchaftlichen Lebens in Produktion
und Conſumtion und ihrer beſtändigen, durch den Handel vermittelten
Wechſelwirkung auf der regelmäßigen Innehaltung der gegenſeitigen
Verbindlichkeiten in der Form der Zahlung beruht. Nach dem Weſen
des Handels aber ſetzt die Zahlung des Einen ſtets die des Andern

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[288/0312] I. Der Zahlungscredit und ſeine öffentlich-rechtliche Ordnung. 1) Der kaufmänniſche Credit und die Handelsbücher. Der kaufmänniſche Credit iſt derjenige Geſchäftscredit, der in gegenſeitiger Leiſtung und Abrechnung durch die Natur des Handels ſelbſt erzeugt wird. Der kaufmänniſche Verkehr macht die formale Ab- ſchließung des einzelnen Vertrages für die einzelne Leiſtung eben ſo wie die jedesmalige Zahlung für dieſelbe thatſächlich unthunlich. Er ſelbſt wird daher unmöglich, und mit ihm alle ſeine die ganze Volkswirth- ſchaft umfaſſenden Folgen, wenn die Gültigkeit des Vertrags und des daraus entſpringenden Creditverhältniſſes von dem formalen Vertrags- abſchluſſe abhängig wären. Der kaufmänniſche Verkehr hat daher die ſeiner Natur entſprechende Vertragsform für Lieferungen, Vertrag und Schuld ſich ſelbſt erzeugt; und dieſe Form nennen wir das Handels- buch. Das Handelsbuch iſt daher zugleich die kaufmänniſche Form der Schuld- und Zahlungsurkunden für den im kaufmänniſchen Verkehr erſcheinenden Geſchäftscredit; und die Aufgabe des Staats beſteht nun einfach darin, dieſen Handelsbüchern dasjenige Recht beizulegen, durch welches ſie die Fähigkeit empfangen, jenem kaufmänniſchen Verkehre als Stellvertreter formeller Verträge zu dienen. Dieß Moment iſt die Beweiskraft der Handelsbücher, die wieder die Beobachtung der formalen Beſtimmungen über ihre Führung zur Vorausſetzung hat. Die Beweiskraft der Handelsbücher für den kaufmänniſchen Credit iſt daher das erſte und ſehr wichtige Gebiet des Geſchäftscreditrechts, und die Geſetzgebung, welche über daſſelbe beſtimmt, iſt die des Handels- rechts in den Handelsgeſetzbüchern. Der kaufmänniſche Credit enthält nun noch ganz ungeſchieden alle drei Arten des Credits. Er ſelbſt entſteht langſam namentlich aus dem internationalen Verkehr; ſeine Grundlage iſt die Scheidung des ſelb- ſtändigen Handels von der auf denſelben berechneten Produktion, und ſein Recht iſt Jahrhunderte lang ein bloßes Gewohnheitsrecht der kauf- männiſchen Welt. Daſſelbe wird erſt klar, wenn ſich der Zahlungs- credit ſelbſtändig durch den Handelsverkehr ausbildet. 2) Das Zahlungsweſen der Bankhäuſer und das Wechſelrecht. Je weiter ſich nun das Verkehrsleben ausbildet, um ſo klarer wird es, daß der geſammte Proceß des wirthſchaftlichen Lebens in Produktion und Conſumtion und ihrer beſtändigen, durch den Handel vermittelten Wechſelwirkung auf der regelmäßigen Innehaltung der gegenſeitigen Verbindlichkeiten in der Form der Zahlung beruht. Nach dem Weſen des Handels aber ſetzt die Zahlung des Einen ſtets die des Andern

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/312>, abgerufen am 25.11.2024.