Sie hat daher auch ihre Geschichte, deren Stadien strenge zu scheiden sind; verwischt man sie, so ist auch die rechte Vergleichung unmöglich. Grundlage ist die Unterscheidung zwischen der Legalität der Hypothek, und der Legalität des Eigenthums. Die Legalität der Hypothek ist der Grundsatz, daß ohne Eintragung in das Hypothekenbuch über- haupt kein Pfand an Immobilien bestellt werden kann, so daß jede bürgerliche Pfandbestellung nur das Recht auf eine Hypothekbestellung, nicht die letztere selber gibt. Mit diesem Grundsatz beginnt eigentlich erst das Grundbuchswesen, und die folgenden Begriffe und Rechte sind nur die Consequenzen desselben; denn erst mit ihm scheidet sich das Grundbuchsrecht von der römischen hypotheca. Die Entstehung der Legalität der Hypothek bildet daher das erste Stadium des Grund- buchswesens, und findet ihre volle Formulirung in dem Rechte der Priorität und Specialität. Erst langsam entwickelt sich daraus, durch den höheren Standpunkt des allgemeinen Credits, der zweite Grundsatz, daß auch kein Eigenthum und kein Besitz ohne Eintragung in das Grundbuch erworben werden könne, die Legalität des Eigenthums. Mit ihr tritt das ein, was wir die volle Legalität des Grundbuchs- wesens nennen. Sie ist es, welche einerseits die möglichst klare Ord- nung des Grundbuchs, und andererseits die möglichste Genauigkeit des Grundbuchsverfahrens erzeugt; erst mit ihr ist daher das ganze Grund- buchswesen zu seiner vollen Entwicklung und die folgenden Begriffe zu ihrer ganzen Bedeutung gelangt. Man wird sie mit Recht das deutsche Princip des Grundbuchswesens nennen.
Ihr gegenüber steht das processuale Princip desselben, nach welchem die Eintragung in das Grundbuch nicht das Recht selber, sondern nur den unanfechtbaren Beweis desselben bildet. Man hat es auch wohl das römische System genannt.
Vergleicht man demnach die bestehenden Systeme, so steht das eng- lische Grundbuchswesen auf dem rein processualen Standpunkt; das französische System hat die halbe Legalität, indem es nur die Lega- lität der Hypothek im obigen Sinne, nicht aber die des Eigenthums anerkennt; das preußische und österreichische haben die volle Legalität, also die des Eigenthums und Besitzes durchgeführt; viele deutsche Staaten sind ihnen gefolgt, andere dagegen stehen noch auf dem rein processualen, andere auf dem Standpunkt der halben Legalität. Das nun hängt natürlich so eng mit der Grundbuchsordnung zusammen, daß man als leitendes Princip für die Entwicklung des ganzen Grund- buchswesens, und namentlich als Basis für die neue Gesetzgebung den Grundsatz aufstellen muß, daß die volle Legalität ohne eine syste- matische Grundbuchsordnung gar nicht möglich ist, während die
Sie hat daher auch ihre Geſchichte, deren Stadien ſtrenge zu ſcheiden ſind; verwiſcht man ſie, ſo iſt auch die rechte Vergleichung unmöglich. Grundlage iſt die Unterſcheidung zwiſchen der Legalität der Hypothek, und der Legalität des Eigenthums. Die Legalität der Hypothek iſt der Grundſatz, daß ohne Eintragung in das Hypothekenbuch über- haupt kein Pfand an Immobilien beſtellt werden kann, ſo daß jede bürgerliche Pfandbeſtellung nur das Recht auf eine Hypothekbeſtellung, nicht die letztere ſelber gibt. Mit dieſem Grundſatz beginnt eigentlich erſt das Grundbuchsweſen, und die folgenden Begriffe und Rechte ſind nur die Conſequenzen deſſelben; denn erſt mit ihm ſcheidet ſich das Grundbuchsrecht von der römiſchen hypotheca. Die Entſtehung der Legalität der Hypothek bildet daher das erſte Stadium des Grund- buchsweſens, und findet ihre volle Formulirung in dem Rechte der Priorität und Specialität. Erſt langſam entwickelt ſich daraus, durch den höheren Standpunkt des allgemeinen Credits, der zweite Grundſatz, daß auch kein Eigenthum und kein Beſitz ohne Eintragung in das Grundbuch erworben werden könne, die Legalität des Eigenthums. Mit ihr tritt das ein, was wir die volle Legalität des Grundbuchs- weſens nennen. Sie iſt es, welche einerſeits die möglichſt klare Ord- nung des Grundbuchs, und andererſeits die möglichſte Genauigkeit des Grundbuchsverfahrens erzeugt; erſt mit ihr iſt daher das ganze Grund- buchsweſen zu ſeiner vollen Entwicklung und die folgenden Begriffe zu ihrer ganzen Bedeutung gelangt. Man wird ſie mit Recht das deutſche Princip des Grundbuchsweſens nennen.
Ihr gegenüber ſteht das proceſſuale Princip deſſelben, nach welchem die Eintragung in das Grundbuch nicht das Recht ſelber, ſondern nur den unanfechtbaren Beweis deſſelben bildet. Man hat es auch wohl das römiſche Syſtem genannt.
Vergleicht man demnach die beſtehenden Syſteme, ſo ſteht das eng- liſche Grundbuchsweſen auf dem rein proceſſualen Standpunkt; das franzöſiſche Syſtem hat die halbe Legalität, indem es nur die Lega- lität der Hypothek im obigen Sinne, nicht aber die des Eigenthums anerkennt; das preußiſche und öſterreichiſche haben die volle Legalität, alſo die des Eigenthums und Beſitzes durchgeführt; viele deutſche Staaten ſind ihnen gefolgt, andere dagegen ſtehen noch auf dem rein proceſſualen, andere auf dem Standpunkt der halben Legalität. Das nun hängt natürlich ſo eng mit der Grundbuchsordnung zuſammen, daß man als leitendes Princip für die Entwicklung des ganzen Grund- buchsweſens, und namentlich als Baſis für die neue Geſetzgebung den Grundſatz aufſtellen muß, daß die volle Legalität ohne eine ſyſte- matiſche Grundbuchsordnung gar nicht möglich iſt, während die
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Sie hat daher auch ihre Geſchichte, deren Stadien ſtrenge zu ſcheiden
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Grundlage iſt die Unterſcheidung zwiſchen der Legalität der Hypothek,
und der Legalität des Eigenthums. Die Legalität der Hypothek iſt
der Grundſatz, daß ohne Eintragung in das Hypothekenbuch über-
haupt kein Pfand an Immobilien beſtellt werden kann, ſo daß jede
bürgerliche Pfandbeſtellung nur das Recht auf eine Hypothekbeſtellung,
nicht die letztere ſelber gibt. Mit dieſem Grundſatz beginnt eigentlich
erſt das Grundbuchsweſen, und die folgenden Begriffe und Rechte
ſind nur die Conſequenzen deſſelben; denn erſt mit ihm ſcheidet ſich das
Grundbuchsrecht von der römiſchen hypotheca. Die Entſtehung der
Legalität der Hypothek bildet daher das erſte Stadium des Grund-
buchsweſens, und findet ihre volle Formulirung in dem Rechte der
Priorität und Specialität. Erſt langſam entwickelt ſich daraus, durch
den höheren Standpunkt des allgemeinen Credits, der zweite Grundſatz,
daß auch kein Eigenthum und kein Beſitz ohne Eintragung in das
Grundbuch erworben werden könne, die Legalität des Eigenthums.
Mit ihr tritt das ein, was wir die volle Legalität des Grundbuchs-
weſens nennen. Sie iſt es, welche einerſeits die möglichſt klare Ord-
nung des Grundbuchs, und andererſeits die möglichſte Genauigkeit des
Grundbuchsverfahrens erzeugt; erſt mit ihr iſt daher das ganze Grund-
buchsweſen zu ſeiner vollen Entwicklung und die folgenden Begriffe zu
ihrer ganzen Bedeutung gelangt. Man wird ſie mit Recht das deutſche
Princip des Grundbuchsweſens nennen.
Ihr gegenüber ſteht das proceſſuale Princip deſſelben, nach welchem
die Eintragung in das Grundbuch nicht das Recht ſelber, ſondern nur
den unanfechtbaren Beweis deſſelben bildet. Man hat es auch wohl
das römiſche Syſtem genannt.
Vergleicht man demnach die beſtehenden Syſteme, ſo ſteht das eng-
liſche Grundbuchsweſen auf dem rein proceſſualen Standpunkt; das
franzöſiſche Syſtem hat die halbe Legalität, indem es nur die Lega-
lität der Hypothek im obigen Sinne, nicht aber die des Eigenthums
anerkennt; das preußiſche und öſterreichiſche haben die volle Legalität,
alſo die des Eigenthums und Beſitzes durchgeführt; viele deutſche
Staaten ſind ihnen gefolgt, andere dagegen ſtehen noch auf dem rein
proceſſualen, andere auf dem Standpunkt der halben Legalität. Das
nun hängt natürlich ſo eng mit der Grundbuchsordnung zuſammen,
daß man als leitendes Princip für die Entwicklung des ganzen Grund-
buchsweſens, und namentlich als Baſis für die neue Geſetzgebung den
Grundſatz aufſtellen muß, daß die volle Legalität ohne eine ſyſte-
matiſche Grundbuchsordnung gar nicht möglich iſt, während die
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/299>, abgerufen am 22.11.2024.
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