übernehmen, macht aus dem Creditpapier kein Papiergeld, eben so wenig wie die Oberaufsicht über das Notenwesen, und wie die faktische Annahme der Noten bei den Staatskassen, oder gar die bloße Con- cession von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde gehört die ausdrückliche gesetzliche Verleihung mindestens der halben Währung. Und jetzt erst ist es klar, daß die Papiergeld- frage nichts anderes ist, als die Frage, unter welchen Bedingun- gen der Staat einer Note diese Währung verleihen soll.
Diese Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des Geldes an sich oder des Werthes, wo man sie zu suchen pflegt, sondern vielmehr in der durch den Preis der Münze ausgedrückten Höhe des Münzbedarfs im Verkehr.
Der Grundsatz für die Bemessung dieser Höhe muß folgender sein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt sich in dem Preise, der für den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt dieser Preis für das Zahlungsmittel im Verkehr, so schafft sich der Verkehr selbst ein seinem Bedarf entsprechendes Verkehrszahlungs- mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die nothwendig in der Währung zu leistenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen, Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld zu solchen Zwecken mehr als 6 Procent (5 Procent Zins, 1 Pro- cent Provision) regelmäßig gezahlt werden muß, so ist zu wenig Geld vorhanden, und das Fehlende kann für diese Zwecke nicht mehr durch die Thätigkeit der Einzelnen geschaffen werden. Hier muß daher die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld schaffen, indem sie der Note die Währung gibt, und so entsteht das Papiergeldwesen als Ver- mehrung nicht der Zahlungsmittel überhaupt, welche der Selbsthülfe des Creditwesens zu überlassen ist, sondern als Vermehrung der mit Währung versehenen Geldmasse des Staats für diejenigen Zahlungen, welche der Währung bedürfen.
Steht dieß Princip nun fest, so entsteht die zweite Frage nach der Quantität des auf diese Weise nothwendig gewordenen Papiergeldes. Denn das richtige Maß des letzteren ist zwar nicht mehr die Bedingung seiner rechtlichen, wohl aber seiner wirthschaftlichen Fähigkeit, seines Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus, so nützt er nicht, gibt er zu viel aus, so sinkt der Werth der Note, und tritt mit dem Rechte derselben, mit seinem Nominalbetrag als Zahlung gebraucht zu werden, in Widerspruch, und Werthordnung und Zahlungswesen sind gleichmäßig gestört. So wie daher der Verkehr seine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch desselben entsteht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen Quantität
übernehmen, macht aus dem Creditpapier kein Papiergeld, eben ſo wenig wie die Oberaufſicht über das Notenweſen, und wie die faktiſche Annahme der Noten bei den Staatskaſſen, oder gar die bloße Con- ceſſion von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde gehört die ausdrückliche geſetzliche Verleihung mindeſtens der halben Währung. Und jetzt erſt iſt es klar, daß die Papiergeld- frage nichts anderes iſt, als die Frage, unter welchen Bedingun- gen der Staat einer Note dieſe Währung verleihen ſoll.
Dieſe Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des Geldes an ſich oder des Werthes, wo man ſie zu ſuchen pflegt, ſondern vielmehr in der durch den Preis der Münze ausgedrückten Höhe des Münzbedarfs im Verkehr.
Der Grundſatz für die Bemeſſung dieſer Höhe muß folgender ſein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt ſich in dem Preiſe, der für den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt dieſer Preis für das Zahlungsmittel im Verkehr, ſo ſchafft ſich der Verkehr ſelbſt ein ſeinem Bedarf entſprechendes Verkehrszahlungs- mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die nothwendig in der Währung zu leiſtenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen, Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld zu ſolchen Zwecken mehr als 6 Procent (5 Procent Zins, 1 Pro- cent Proviſion) regelmäßig gezahlt werden muß, ſo iſt zu wenig Geld vorhanden, und das Fehlende kann für dieſe Zwecke nicht mehr durch die Thätigkeit der Einzelnen geſchaffen werden. Hier muß daher die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld ſchaffen, indem ſie der Note die Währung gibt, und ſo entſteht das Papiergeldweſen als Ver- mehrung nicht der Zahlungsmittel überhaupt, welche der Selbſthülfe des Creditweſens zu überlaſſen iſt, ſondern als Vermehrung der mit Währung verſehenen Geldmaſſe des Staats für diejenigen Zahlungen, welche der Währung bedürfen.
Steht dieß Princip nun feſt, ſo entſteht die zweite Frage nach der Quantität des auf dieſe Weiſe nothwendig gewordenen Papiergeldes. Denn das richtige Maß des letzteren iſt zwar nicht mehr die Bedingung ſeiner rechtlichen, wohl aber ſeiner wirthſchaftlichen Fähigkeit, ſeines Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus, ſo nützt er nicht, gibt er zu viel aus, ſo ſinkt der Werth der Note, und tritt mit dem Rechte derſelben, mit ſeinem Nominalbetrag als Zahlung gebraucht zu werden, in Widerſpruch, und Werthordnung und Zahlungsweſen ſind gleichmäßig geſtört. So wie daher der Verkehr ſeine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch deſſelben entſteht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen Quantität
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ceſſion von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde
gehört die ausdrückliche geſetzliche Verleihung mindeſtens
der halben Währung. Und jetzt erſt iſt es klar, daß die Papiergeld-
frage nichts anderes iſt, als die Frage, unter welchen Bedingun-
gen der Staat einer Note dieſe Währung verleihen ſoll.
Dieſe Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des
Geldes an ſich oder des Werthes, wo man ſie zu ſuchen pflegt, ſondern
vielmehr in der durch den Preis der Münze ausgedrückten Höhe
des Münzbedarfs im Verkehr.
Der Grundſatz für die Bemeſſung dieſer Höhe muß folgender
ſein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt ſich in dem Preiſe, der für
den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt
dieſer Preis für das Zahlungsmittel im Verkehr, ſo ſchafft ſich der
Verkehr ſelbſt ein ſeinem Bedarf entſprechendes Verkehrszahlungs-
mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die nothwendig in
der Währung zu leiſtenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen,
Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld
zu ſolchen Zwecken mehr als 6 Procent (5 Procent Zins, 1 Pro-
cent Proviſion) regelmäßig gezahlt werden muß, ſo iſt zu wenig
Geld vorhanden, und das Fehlende kann für dieſe Zwecke nicht mehr
durch die Thätigkeit der Einzelnen geſchaffen werden. Hier muß daher
die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld ſchaffen, indem ſie der
Note die Währung gibt, und ſo entſteht das Papiergeldweſen als Ver-
mehrung nicht der Zahlungsmittel überhaupt, welche der Selbſthülfe
des Creditweſens zu überlaſſen iſt, ſondern als Vermehrung der mit
Währung verſehenen Geldmaſſe des Staats für diejenigen Zahlungen,
welche der Währung bedürfen.
Steht dieß Princip nun feſt, ſo entſteht die zweite Frage nach der
Quantität des auf dieſe Weiſe nothwendig gewordenen Papiergeldes.
Denn das richtige Maß des letzteren iſt zwar nicht mehr die Bedingung
ſeiner rechtlichen, wohl aber ſeiner wirthſchaftlichen Fähigkeit, ſeines
Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus,
ſo nützt er nicht, gibt er zu viel aus, ſo ſinkt der Werth der Note,
und tritt mit dem Rechte derſelben, mit ſeinem Nominalbetrag als
Zahlung gebraucht zu werden, in Widerſpruch, und Werthordnung und
Zahlungsweſen ſind gleichmäßig geſtört. So wie daher der Verkehr
ſeine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch deſſelben
entſteht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen Quantität
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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