systeme der einzelnen Völker und Staaten auf eine gemeinschaftliche Einheit reduciren zu können. So beginnt mit unserem Jahrhundert eine doppelte Arbeit. Die eine geht wesentlich von Frankreich aus und fordert, daß mittelst der Annahme seines großen metrischen Systems auf dem Wege der Gesetzgebung jene Einheit für die ganze Welt hergestellt werde. Die zweite ist vorzugsweise deutsch; sie ist wissenschaftlicher Natur und strebt durch wissenschaftliche Reducirung aller verschiedenen Maße und Gewichte auf eine gemeinschaftliche Größe das Bedürfniß des internationalen Verkehrs zu befriedigen. Daraus nun viel Streit, dessen Endergebniß als Grundlage der künftigen Gestaltung folgendes ist.
Es ist falsch zu behaupten, daß ein System als solches einen größeren Werth habe als ein anderes; sondern was den größten Werth hat, ist die Einheit des Systems. Es ist falsch, ein solches System durch Zwang für alle Theile des wirthschaftlichen Lebens durchführen zu wollen; richtig ist es dagegen, seine Einführung für diejenigen Güterverhältnisse zu fordern, welche den Gegenstand des internatio- nalen Verkehrs bilden. Das Gebiet des einheitlichen Maßes und Gewichtes wird daher stets nur ein verhältnißmäßig enges sein, und sich -- mit Ausnahme des Gebietes wissenschaftlicher Untersuchungen -- naturgemäß auf diejenigen Produkte beschränken, welche durch die Eisen- bahnen und Dampfschifffahrt Artikel des Weltverkehrs werden, während es ziemlich werthlos und auch erfolglos ist, den örtlichen (Markt) Ver- kehr mit seinem, meist der örtlichen Produktion angepaßten System einem solchen allgemeinen System unterwerfen zu wollen. -- In der That folgen auch die Bewegungen der neuesten Zeit auf diesem Gebiete fast unwillkürlich den obigen Grundsätzen. Daneben genaue und leicht zugängliche Ordnung des inneren Maß- und Gewichtssystems theils durch Aufstellung fester Typen, theils durch gut eingerichtete öffent- liche Wag- und Meßanstalten, theils durch strenge Stempelungs- und Aichungspolizei des Kleinverkehrs. Da, wohin diese praktischen Maßregeln nicht reichen, beginnt die Aufgabe der Wissenschaft mit ihren Sammlungen und Reducirungen der verschiedenen Systeme in den einzelnen Staaten.
England. Gegenüber dem alten gesetzlichen Maß- und Gewichtssystem geordnet in 5. G. IV. 74 (1824) und 4. 5. Will. 49 (1834) als Concession an die Bestrebungen zur Annahme des metrischen Systems die Metric Weights and Mesures Act 27. 28. Vict. 167 (1864), daß kein Vertrag ungültig sein soll, der nach metrischem Maß und Gewichtssystem geschlossen ist. Oertliche Maß- und Gewichtspolizei (justice of peace) 5. 6. Will. IV. 68. GneistII. 104. -- Frankreich: Zustand vor der Revolution wie in Deutschland; jede Provinz
ſyſteme der einzelnen Völker und Staaten auf eine gemeinſchaftliche Einheit reduciren zu können. So beginnt mit unſerem Jahrhundert eine doppelte Arbeit. Die eine geht weſentlich von Frankreich aus und fordert, daß mittelſt der Annahme ſeines großen metriſchen Syſtems auf dem Wege der Geſetzgebung jene Einheit für die ganze Welt hergeſtellt werde. Die zweite iſt vorzugsweiſe deutſch; ſie iſt wiſſenſchaftlicher Natur und ſtrebt durch wiſſenſchaftliche Reducirung aller verſchiedenen Maße und Gewichte auf eine gemeinſchaftliche Größe das Bedürfniß des internationalen Verkehrs zu befriedigen. Daraus nun viel Streit, deſſen Endergebniß als Grundlage der künftigen Geſtaltung folgendes iſt.
Es iſt falſch zu behaupten, daß ein Syſtem als ſolches einen größeren Werth habe als ein anderes; ſondern was den größten Werth hat, iſt die Einheit des Syſtems. Es iſt falſch, ein ſolches Syſtem durch Zwang für alle Theile des wirthſchaftlichen Lebens durchführen zu wollen; richtig iſt es dagegen, ſeine Einführung für diejenigen Güterverhältniſſe zu fordern, welche den Gegenſtand des internatio- nalen Verkehrs bilden. Das Gebiet des einheitlichen Maßes und Gewichtes wird daher ſtets nur ein verhältnißmäßig enges ſein, und ſich — mit Ausnahme des Gebietes wiſſenſchaftlicher Unterſuchungen — naturgemäß auf diejenigen Produkte beſchränken, welche durch die Eiſen- bahnen und Dampfſchifffahrt Artikel des Weltverkehrs werden, während es ziemlich werthlos und auch erfolglos iſt, den örtlichen (Markt) Ver- kehr mit ſeinem, meiſt der örtlichen Produktion angepaßten Syſtem einem ſolchen allgemeinen Syſtem unterwerfen zu wollen. — In der That folgen auch die Bewegungen der neueſten Zeit auf dieſem Gebiete faſt unwillkürlich den obigen Grundſätzen. Daneben genaue und leicht zugängliche Ordnung des inneren Maß- und Gewichtsſyſtems theils durch Aufſtellung feſter Typen, theils durch gut eingerichtete öffent- liche Wag- und Meßanſtalten, theils durch ſtrenge Stempelungs- und Aichungspolizei des Kleinverkehrs. Da, wohin dieſe praktiſchen Maßregeln nicht reichen, beginnt die Aufgabe der Wiſſenſchaft mit ihren Sammlungen und Reducirungen der verſchiedenen Syſteme in den einzelnen Staaten.
England. Gegenüber dem alten geſetzlichen Maß- und Gewichtsſyſtem geordnet in 5. G. IV. 74 (1824) und 4. 5. Will. 49 (1834) als Conceſſion an die Beſtrebungen zur Annahme des metriſchen Syſtems die Metric Weights and Mesures Act 27. 28. Vict. 167 (1864), daß kein Vertrag ungültig ſein ſoll, der nach metriſchem Maß und Gewichtsſyſtem geſchloſſen iſt. Oertliche Maß- und Gewichtspolizei (justice of peace) 5. 6. Will. IV. 68. GneiſtII. 104. — Frankreich: Zuſtand vor der Revolution wie in Deutſchland; jede Provinz
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ſyſteme der einzelnen Völker und Staaten auf eine gemeinſchaftliche
Einheit reduciren zu können. So beginnt mit unſerem Jahrhundert
eine doppelte Arbeit. Die eine geht weſentlich von Frankreich aus
und fordert, daß mittelſt der Annahme ſeines großen metriſchen
Syſtems auf dem Wege der Geſetzgebung jene Einheit für die ganze
Welt hergeſtellt werde. Die zweite iſt vorzugsweiſe deutſch; ſie iſt
wiſſenſchaftlicher Natur und ſtrebt durch wiſſenſchaftliche Reducirung
aller verſchiedenen Maße und Gewichte auf eine gemeinſchaftliche Größe
das Bedürfniß des internationalen Verkehrs zu befriedigen. Daraus
nun viel Streit, deſſen Endergebniß als Grundlage der künftigen
Geſtaltung folgendes iſt.
Es iſt falſch zu behaupten, daß ein Syſtem als ſolches einen
größeren Werth habe als ein anderes; ſondern was den größten Werth
hat, iſt die Einheit des Syſtems. Es iſt falſch, ein ſolches Syſtem
durch Zwang für alle Theile des wirthſchaftlichen Lebens durchführen
zu wollen; richtig iſt es dagegen, ſeine Einführung für diejenigen
Güterverhältniſſe zu fordern, welche den Gegenſtand des internatio-
nalen Verkehrs bilden. Das Gebiet des einheitlichen Maßes und
Gewichtes wird daher ſtets nur ein verhältnißmäßig enges ſein, und
ſich — mit Ausnahme des Gebietes wiſſenſchaftlicher Unterſuchungen —
naturgemäß auf diejenigen Produkte beſchränken, welche durch die Eiſen-
bahnen und Dampfſchifffahrt Artikel des Weltverkehrs werden, während
es ziemlich werthlos und auch erfolglos iſt, den örtlichen (Markt) Ver-
kehr mit ſeinem, meiſt der örtlichen Produktion angepaßten Syſtem
einem ſolchen allgemeinen Syſtem unterwerfen zu wollen. — In der
That folgen auch die Bewegungen der neueſten Zeit auf dieſem Gebiete
faſt unwillkürlich den obigen Grundſätzen. Daneben genaue und leicht
zugängliche Ordnung des inneren Maß- und Gewichtsſyſtems theils
durch Aufſtellung feſter Typen, theils durch gut eingerichtete öffent-
liche Wag- und Meßanſtalten, theils durch ſtrenge Stempelungs-
und Aichungspolizei des Kleinverkehrs. Da, wohin dieſe praktiſchen
Maßregeln nicht reichen, beginnt die Aufgabe der Wiſſenſchaft mit
ihren Sammlungen und Reducirungen der verſchiedenen Syſteme in
den einzelnen Staaten.
England. Gegenüber dem alten geſetzlichen Maß- und Gewichtsſyſtem
geordnet in 5. G. IV. 74 (1824) und 4. 5. Will. 49 (1834) als Conceſſion
an die Beſtrebungen zur Annahme des metriſchen Syſtems die Metric Weights
and Mesures Act 27. 28. Vict. 167 (1864), daß kein Vertrag ungültig ſein
ſoll, der nach metriſchem Maß und Gewichtsſyſtem geſchloſſen iſt. Oertliche
Maß- und Gewichtspolizei (justice of peace) 5. 6. Will. IV. 68. Gneiſt II. 104.
— Frankreich: Zuſtand vor der Revolution wie in Deutſchland; jede Provinz
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/251>, abgerufen am 25.11.2024.
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