auf der möglichst lebendigen Berührung derselben untereinander sowohl in geistiger als in wirthschaftlicher Beziehung beruht, wird es zur Auf- gabe der Verwaltung, diese Berührung durch eigene Anstalten herzu- stellen und durch die Thätigkeit derselben jene Gegenseitigkeit der Ein- zelnen und jene Gemeinschaft des Ganzen selbstthätig ins Leben zu rufen, welche die absolute Voraussetzung aller Civilisation ist. Aller- dings entstehen diese Anstalten langsam und breiten sich auch langsam über alle Verhältnisse aus; allein dennoch ist diese Ausbreitung eine unwiderstehliche, und so bildet sich allmählig ein selbstwirkendes System, welches den Gesammtverkehr in sich aufnimmt, organisirt und weiter führt. Die Gesammtheit dieser Anstalten nennen wir die Verkehrs- anstalten.
Diese Verkehrsanstalten haben nun drei Grundformen. Sie sind die Post, die Eisenbahnen mit der dazu gehörenden öffentlichen Dampfschifffahrt und die Telegraphen. Scheinbar durch äußer- liche Anlässe und Erfindungen entstanden, bilden sie dennoch ein inneres System, und zwar indem jede derselben eine bestimmte Funktion erfüllt, so daß sie obwohl geschieden und verschieden, dennoch in Wahr- heit ein Ganzes sind, das zuletzt den Ausdruck Eines Gedankens bildet und daher auch von Einem Princip beherrscht wird. Die Post ist das- jenige Organ, welches den individuellen Verkehr vermittelt, die Eisenbahn ist der Verkehrsorganismus für die Bewegung des Gesammt- verkehrs der Massen in Personen und Gütern, der Telegraph bestimmt sich von selbst für den Verkehr des Augenblicks. Technisch und mechanisch lassen sich diese Anstalten sehr viel weiter entwickeln; orga- nisch aber scheint mit ihnen die Basis des gesammten selbstthätigen Verkehrs gegeben zu sein. Sie sind daher alle drei in jedem civilisirten Volke vorhanden und thätig; an ihrer Weiterbildung wird auf allen Punkten der Erde mächtig gearbeitet; sie wirken unwiderstehlich dem- selben Ziele auf allen Punkten entgegen; sie verwischen die Gränzen aller historischen und nationalen Besonderheit; beginnend bei dem inneren Leben eines Staates, schreiten sie, selbst durch Unglück und Krieg nicht aufgehalten, beständig fort, und indem sie die Länder und Völker in unermüdeter Arbeit verbinden, erzeugen sie ein Gesammt- leben der Welt, das ohne sie nicht möglich wäre, für das die frühere Geschichte kein Beispiel hat und das als die lebendige Grundlage alles Fortschrittes angesehen werden muß. Und so groß ist die Gewalt dieser vielleicht mächtigsten Thatsache unseres Jahrhunderts, daß sie sogar die Selbständigkeit der einzelnen Staaten in Gesetzgebung und Ver- waltung sich zu unterwerfen gewußt hat. Ihre Funktionen und ihre Bedürfnisse sind Weltthatsachen, und die einzelnen Staaten, indem sie
auf der möglichſt lebendigen Berührung derſelben untereinander ſowohl in geiſtiger als in wirthſchaftlicher Beziehung beruht, wird es zur Auf- gabe der Verwaltung, dieſe Berührung durch eigene Anſtalten herzu- ſtellen und durch die Thätigkeit derſelben jene Gegenſeitigkeit der Ein- zelnen und jene Gemeinſchaft des Ganzen ſelbſtthätig ins Leben zu rufen, welche die abſolute Vorausſetzung aller Civiliſation iſt. Aller- dings entſtehen dieſe Anſtalten langſam und breiten ſich auch langſam über alle Verhältniſſe aus; allein dennoch iſt dieſe Ausbreitung eine unwiderſtehliche, und ſo bildet ſich allmählig ein ſelbſtwirkendes Syſtem, welches den Geſammtverkehr in ſich aufnimmt, organiſirt und weiter führt. Die Geſammtheit dieſer Anſtalten nennen wir die Verkehrs- anſtalten.
Dieſe Verkehrsanſtalten haben nun drei Grundformen. Sie ſind die Poſt, die Eiſenbahnen mit der dazu gehörenden öffentlichen Dampfſchifffahrt und die Telegraphen. Scheinbar durch äußer- liche Anläſſe und Erfindungen entſtanden, bilden ſie dennoch ein inneres Syſtem, und zwar indem jede derſelben eine beſtimmte Funktion erfüllt, ſo daß ſie obwohl geſchieden und verſchieden, dennoch in Wahr- heit ein Ganzes ſind, das zuletzt den Ausdruck Eines Gedankens bildet und daher auch von Einem Princip beherrſcht wird. Die Poſt iſt das- jenige Organ, welches den individuellen Verkehr vermittelt, die Eiſenbahn iſt der Verkehrsorganismus für die Bewegung des Geſammt- verkehrs der Maſſen in Perſonen und Gütern, der Telegraph beſtimmt ſich von ſelbſt für den Verkehr des Augenblicks. Techniſch und mechaniſch laſſen ſich dieſe Anſtalten ſehr viel weiter entwickeln; orga- niſch aber ſcheint mit ihnen die Baſis des geſammten ſelbſtthätigen Verkehrs gegeben zu ſein. Sie ſind daher alle drei in jedem civiliſirten Volke vorhanden und thätig; an ihrer Weiterbildung wird auf allen Punkten der Erde mächtig gearbeitet; ſie wirken unwiderſtehlich dem- ſelben Ziele auf allen Punkten entgegen; ſie verwiſchen die Gränzen aller hiſtoriſchen und nationalen Beſonderheit; beginnend bei dem inneren Leben eines Staates, ſchreiten ſie, ſelbſt durch Unglück und Krieg nicht aufgehalten, beſtändig fort, und indem ſie die Länder und Völker in unermüdeter Arbeit verbinden, erzeugen ſie ein Geſammt- leben der Welt, das ohne ſie nicht möglich wäre, für das die frühere Geſchichte kein Beiſpiel hat und das als die lebendige Grundlage alles Fortſchrittes angeſehen werden muß. Und ſo groß iſt die Gewalt dieſer vielleicht mächtigſten Thatſache unſeres Jahrhunderts, daß ſie ſogar die Selbſtändigkeit der einzelnen Staaten in Geſetzgebung und Ver- waltung ſich zu unterwerfen gewußt hat. Ihre Funktionen und ihre Bedürfniſſe ſind Weltthatſachen, und die einzelnen Staaten, indem ſie
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auf der möglichſt lebendigen Berührung derſelben untereinander ſowohl
in geiſtiger als in wirthſchaftlicher Beziehung beruht, wird es zur Auf-
gabe der Verwaltung, dieſe Berührung durch eigene Anſtalten herzu-
ſtellen und durch die Thätigkeit derſelben jene Gegenſeitigkeit der Ein-
zelnen und jene Gemeinſchaft des Ganzen ſelbſtthätig ins Leben zu
rufen, welche die abſolute Vorausſetzung aller Civiliſation iſt. Aller-
dings entſtehen dieſe Anſtalten langſam und breiten ſich auch langſam
über alle Verhältniſſe aus; allein dennoch iſt dieſe Ausbreitung eine
unwiderſtehliche, und ſo bildet ſich allmählig ein ſelbſtwirkendes Syſtem,
welches den Geſammtverkehr in ſich aufnimmt, organiſirt und weiter
führt. Die Geſammtheit dieſer Anſtalten nennen wir die Verkehrs-
anſtalten.
Dieſe Verkehrsanſtalten haben nun drei Grundformen. Sie ſind
die Poſt, die Eiſenbahnen mit der dazu gehörenden öffentlichen
Dampfſchifffahrt und die Telegraphen. Scheinbar durch äußer-
liche Anläſſe und Erfindungen entſtanden, bilden ſie dennoch ein inneres
Syſtem, und zwar indem jede derſelben eine beſtimmte Funktion
erfüllt, ſo daß ſie obwohl geſchieden und verſchieden, dennoch in Wahr-
heit ein Ganzes ſind, das zuletzt den Ausdruck Eines Gedankens bildet
und daher auch von Einem Princip beherrſcht wird. Die Poſt iſt das-
jenige Organ, welches den individuellen Verkehr vermittelt, die
Eiſenbahn iſt der Verkehrsorganismus für die Bewegung des Geſammt-
verkehrs der Maſſen in Perſonen und Gütern, der Telegraph beſtimmt
ſich von ſelbſt für den Verkehr des Augenblicks. Techniſch und
mechaniſch laſſen ſich dieſe Anſtalten ſehr viel weiter entwickeln; orga-
niſch aber ſcheint mit ihnen die Baſis des geſammten ſelbſtthätigen
Verkehrs gegeben zu ſein. Sie ſind daher alle drei in jedem civiliſirten
Volke vorhanden und thätig; an ihrer Weiterbildung wird auf allen
Punkten der Erde mächtig gearbeitet; ſie wirken unwiderſtehlich dem-
ſelben Ziele auf allen Punkten entgegen; ſie verwiſchen die Gränzen
aller hiſtoriſchen und nationalen Beſonderheit; beginnend bei dem
inneren Leben eines Staates, ſchreiten ſie, ſelbſt durch Unglück und
Krieg nicht aufgehalten, beſtändig fort, und indem ſie die Länder und
Völker in unermüdeter Arbeit verbinden, erzeugen ſie ein Geſammt-
leben der Welt, das ohne ſie nicht möglich wäre, für das die frühere
Geſchichte kein Beiſpiel hat und das als die lebendige Grundlage alles
Fortſchrittes angeſehen werden muß. Und ſo groß iſt die Gewalt dieſer
vielleicht mächtigſten Thatſache unſeres Jahrhunderts, daß ſie ſogar
die Selbſtändigkeit der einzelnen Staaten in Geſetzgebung und Ver-
waltung ſich zu unterwerfen gewußt hat. Ihre Funktionen und ihre
Bedürfniſſe ſind Weltthatſachen, und die einzelnen Staaten, indem ſie
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/219>, abgerufen am 29.11.2024.
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